Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Bauer: „Wir haben uns Gehör verschafft“

80 Landwirte aus dem Rhein-Kreis Neuss waren zur Großkundge­bung nach Berlin gefahren. Mit dabei: der Meerbusche­r Rainer Roos.

- VON SUSANNE GENATH

„Über 40.000 Leute, tausende Traktoren – einfach Wahnsinn, das habe ich noch nie gesehen“, schwärmt Rainer Roos. Der Meerbusche­r Landwirt war diese Woche zum Demonstrie­ren in Berlin, zusammen mit rund 80 anderen Bauern aus dem Rhein-Kreis Neuss. Allerdings ohne landwirtsc­haftliches Gefährt. „Wir sind mit einem Reisebus dorthin gefahren.“In Berlin hatte die Bauernvere­inigung „Land schafft Verbindung“(LSV ) zu einer Kundgebung gegen die Pläne des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums aufgerufen.

„Es gab einen unheimlich­en Zusammenha­lt, auch unter den Bauern selbst“, erzählt Roos. Die Stimmung sei trotz allem Ärger, den die Politik den Landwirten bereite, friedlich gewesen. „Es haben sich zwar einige Rechtsextr­eme und Mitglieder der AfD unter die Demonstran­ten gemischt, Bauern angesproch­en und versucht, sie von ihrer Gesinnung zu überzeugen. Aber das wird nicht gelingen, zumindest nicht bei den Landwirten, die ich kenne“, ist der 55-Jährige überzeugt. „Wir stehen zu 100 Prozent hinter der Demokratie. Nur die Politik muss eine andere sein.“Demzufolge sei rechten Infiltrati­onen, die man entdeckt habe, ein Platzverwe­is erteilt worden.

Die Tage zuvor war Rainer Roos mit rund 35 Kollegen in Meerbusch aktiv. Zwei Trecker-Korsos hatten sie organisier­t, Infostände, und an drei Tagen standen die Landwirte mit Plakat und Mahnfeuer am Lanker Kreisverke­hr, um auf die Missstände aufmerksam zu machen, die ihnen Berlin bereitet. „Wir bekamen

großen Zuspruch aus der Bevölkerun­g“, berichtet der Meerbusche­r. „Die Leute haben uns Schnittche­n und Getränke gebracht, jedes zehnte Auto hat zustimmend gehupt.“

Roos baut auf seinem Hof in Nierst hauptsächl­ich Erdbeeren, Winterweiz­en, Gerste, Roggen, Mais und „einige Kürbisse“an. Außerdem hält er Mastschwei­ne und Hühner. Sein Sohn Alexander ist vor rund einem

Jahr mit eingestieg­en. „Wir müssen mit dem Hof zwei Familien ernähren“, sagt Roos. Doch das sei zunehmend schwerer. Die Rahmenbedi­ngungen seien so schlecht geworden, dass sich die Landwirtsc­haft kaum noch rechne.

„Aus Brüssel wird uns immer mehr ins Handwerk gemischt. Dabei kann vieles nur der Praktiker vor Ort entscheide­n.“Zumal etliche Fachleute

in der Politik zwar Agrarwisse­nschaften studiert, aber noch nie praktizier­t hätten. Darüber hinaus führten die nicht einheitlic­hen Vorgaben in der Europäisch­en Union zu Benachteil­igungen der deutschen Bauern.

„Wegen des hohen Mindestloh­ns werden die Erdbeeren sehr teuer“, sagt der 55-Jährige. Er beschäftig­t auf seinem Hof vier Mitarbeite­r,

drei von ihnen Minijobber, und 25 Erntehelfe­r aus Rumänien, berichtet er. „Wenn ich alle Kosten im Preis berücksich­tige, kosten 500 Gramm Erdbeeren vier Euro. Wie soll ich da mit spanischen Erdbeeren zu 99 Cent konkurrier­en? Dort beträgt der Mindestloh­n weniger als die Hälfte.“Der Frust unter den deutschen Landwirten sei deshalb sehr hoch. „Der richtige Idealismus ist nicht

mehr da, wenn man zu 80 Prozent seiner Tätigkeit behördlich­e Sachen organisier­en muss.“

Für die Bauern aus dem RheinKreis ging es am Montagaben­d nach einer Nacht in Berlin wieder zurück nach Hause. Roos, der nach eigenen Angaben als einziger aus Meerbusch mitgefahre­n war, ist zufrieden. „Wir haben etwas ins Rollen gebracht“, sagt er. „Wir haben uns für die Sachen, die bei uns im Argen liegen, Gehör verschafft und damit psychologi­sch viel erreicht.“

Möglicherw­eise folgen in der Heimat noch einige weitere Aktionen. Denn im Moment liegt die Landwirtsc­haft brach. „Die Böden sind nass und hart und müssen erst trocknen, bevor sie wieder von großen Maschinen befahren werden können.“Wenn die Saison wieder richtig beginne, bleibe kaum noch Zeit zum Demonstrie­ren. „Die Politik muss sich aber ändern. Es kann ja nicht sein, dass wir eines Tages Lebensmitt­el nur noch importiere­n, und zwar mit dem Flugzeug aus Südamerika oder Nordafrika. Das wäre ja ökologisch­er Wahnsinn.“

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FOTOS (2): RAINER ROOS Meerbusche­r Bauern halten am Kreisverke­hr vor Lank-Latum Mahnwache an Feuerschal­en.
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Bauernprot­est vorm Brandenbur­ger Tor in Berlin: Auch der Meerbusche­r Landwirt Rainer Roos war dabei.

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