Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Bauer: „Wir haben uns Gehör verschafft“
80 Landwirte aus dem Rhein-Kreis Neuss waren zur Großkundgebung nach Berlin gefahren. Mit dabei: der Meerbuscher Rainer Roos.
„Über 40.000 Leute, tausende Traktoren – einfach Wahnsinn, das habe ich noch nie gesehen“, schwärmt Rainer Roos. Der Meerbuscher Landwirt war diese Woche zum Demonstrieren in Berlin, zusammen mit rund 80 anderen Bauern aus dem Rhein-Kreis Neuss. Allerdings ohne landwirtschaftliches Gefährt. „Wir sind mit einem Reisebus dorthin gefahren.“In Berlin hatte die Bauernvereinigung „Land schafft Verbindung“(LSV ) zu einer Kundgebung gegen die Pläne des Bundeslandwirtschaftsministeriums aufgerufen.
„Es gab einen unheimlichen Zusammenhalt, auch unter den Bauern selbst“, erzählt Roos. Die Stimmung sei trotz allem Ärger, den die Politik den Landwirten bereite, friedlich gewesen. „Es haben sich zwar einige Rechtsextreme und Mitglieder der AfD unter die Demonstranten gemischt, Bauern angesprochen und versucht, sie von ihrer Gesinnung zu überzeugen. Aber das wird nicht gelingen, zumindest nicht bei den Landwirten, die ich kenne“, ist der 55-Jährige überzeugt. „Wir stehen zu 100 Prozent hinter der Demokratie. Nur die Politik muss eine andere sein.“Demzufolge sei rechten Infiltrationen, die man entdeckt habe, ein Platzverweis erteilt worden.
Die Tage zuvor war Rainer Roos mit rund 35 Kollegen in Meerbusch aktiv. Zwei Trecker-Korsos hatten sie organisiert, Infostände, und an drei Tagen standen die Landwirte mit Plakat und Mahnfeuer am Lanker Kreisverkehr, um auf die Missstände aufmerksam zu machen, die ihnen Berlin bereitet. „Wir bekamen
großen Zuspruch aus der Bevölkerung“, berichtet der Meerbuscher. „Die Leute haben uns Schnittchen und Getränke gebracht, jedes zehnte Auto hat zustimmend gehupt.“
Roos baut auf seinem Hof in Nierst hauptsächlich Erdbeeren, Winterweizen, Gerste, Roggen, Mais und „einige Kürbisse“an. Außerdem hält er Mastschweine und Hühner. Sein Sohn Alexander ist vor rund einem
Jahr mit eingestiegen. „Wir müssen mit dem Hof zwei Familien ernähren“, sagt Roos. Doch das sei zunehmend schwerer. Die Rahmenbedingungen seien so schlecht geworden, dass sich die Landwirtschaft kaum noch rechne.
„Aus Brüssel wird uns immer mehr ins Handwerk gemischt. Dabei kann vieles nur der Praktiker vor Ort entscheiden.“Zumal etliche Fachleute
in der Politik zwar Agrarwissenschaften studiert, aber noch nie praktiziert hätten. Darüber hinaus führten die nicht einheitlichen Vorgaben in der Europäischen Union zu Benachteiligungen der deutschen Bauern.
„Wegen des hohen Mindestlohns werden die Erdbeeren sehr teuer“, sagt der 55-Jährige. Er beschäftigt auf seinem Hof vier Mitarbeiter,
drei von ihnen Minijobber, und 25 Erntehelfer aus Rumänien, berichtet er. „Wenn ich alle Kosten im Preis berücksichtige, kosten 500 Gramm Erdbeeren vier Euro. Wie soll ich da mit spanischen Erdbeeren zu 99 Cent konkurrieren? Dort beträgt der Mindestlohn weniger als die Hälfte.“Der Frust unter den deutschen Landwirten sei deshalb sehr hoch. „Der richtige Idealismus ist nicht
mehr da, wenn man zu 80 Prozent seiner Tätigkeit behördliche Sachen organisieren muss.“
Für die Bauern aus dem RheinKreis ging es am Montagabend nach einer Nacht in Berlin wieder zurück nach Hause. Roos, der nach eigenen Angaben als einziger aus Meerbusch mitgefahren war, ist zufrieden. „Wir haben etwas ins Rollen gebracht“, sagt er. „Wir haben uns für die Sachen, die bei uns im Argen liegen, Gehör verschafft und damit psychologisch viel erreicht.“
Möglicherweise folgen in der Heimat noch einige weitere Aktionen. Denn im Moment liegt die Landwirtschaft brach. „Die Böden sind nass und hart und müssen erst trocknen, bevor sie wieder von großen Maschinen befahren werden können.“Wenn die Saison wieder richtig beginne, bleibe kaum noch Zeit zum Demonstrieren. „Die Politik muss sich aber ändern. Es kann ja nicht sein, dass wir eines Tages Lebensmittel nur noch importieren, und zwar mit dem Flugzeug aus Südamerika oder Nordafrika. Das wäre ja ökologischer Wahnsinn.“