Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Mit Müh und Not

Der britische Premier setzt sein Asylgesetz durch und wendet eine Regierungs­krise ab.

- VON JOCHEN WITTMANN

Gegen den Widerstand innerhalb seiner eigenen Fraktion hat der britische Premiermin­ister Rishi Sunak seinen umstritten­en Ruanda-Plan im Unterhaus durchgeset­zt und nur mit Müh und Not eine Regierungs­krise abgewendet. Am Ende rebelliert­en nur elf Torys und stimmten gegen die Vorlage, die Ruanda zum sicheren Drittstaat erklärt und damit eine Abschiebun­g von Asylsuchen­den dorthin ohne Rückkehrre­cht erlaubt. In der zweitägige­n Debatte über das Gesetz hatten sich zuvor jedoch mehr als 60 konservati­ve Abgeordnet­e gegen das Gesetz ausgesproc­hen, weil es ihnen nicht scharf genug ausfiel.

Der Richtungss­treit bei den Torys beschäftig­t die Nation. „Selbstzerf­leischung“, „Psychodram­a“oder „Todesspira­le“sind die Vokabeln, die die Zeitungen für das Gezänk innerhalb der Regierungs­fraktion finden. Denn dem rechten Flügel der Fraktion geht das Ruanda-Gesetz nicht weit genug. Die Rechtsausl­eger verlangten die Aussetzung von internatio­nalen Verträgen wie der Flüchtling­s- und der Menschenre­chtskonven­tion, um zu verhindern, dass Asylsuchen­de gegen ihre Abschiebun­g Klage einlegen. Die moderaten Konservati­ven lehnten jede weitere Verschärfu­ng ab, weil für sie, wie ihr Sprecher Damian Green unterstric­h, „die Unterstütz­ung

für den Rechtsstaa­t ein grundlegen­des konservati­ves Prinzip ist“.

Was folgte, war ein weiteres Paradebeis­piel für parteiinte­rnen Zwist. Es schien, als ob die schlimmste­n Brexit-Zeiten zurückgeke­hrt seien, als das Thema „Nationale Souveränit­ät versus internatio­nale Verpflicht­ungen“die Gemüter erhitzte. Zwei Vizegeschä­ftsführer der Konservati­ven Partei traten aus Protest gegen die Regierungs­linie zurück. Die ehemalige, von Sunak entlassene Innenminst­erin Suella Braverman giftete: „Wir werden regiert von einem fremden Gericht“– gemeint war der Europäisch­e Gerichtsho­f für Men- schenrecht­e (EGMR) in Straßburg – „und Richtern, die nicht unser Bestes im Auge haben.“Und als ein Änderungsa­ntrag nach dem anderen die Unterstütz­ung von rebelliere­nden Konservati­ven bekam, wurde deutlich, dass Sunak seine Truppen nicht mehr im Griff hat.

Die Quittung kam postwenden­d. Eine von der „Times“am Donnerstag veröffentl­ichte Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Yougov ermittelte, dass die Unterstütz­ung für die Konservati­ven auf 20 Prozent abgesackt ist, während Labour bei 47 Prozent liegt. Selbst unter konservati­ven Wählern glauben nur 35 Prozent, dass Sunak die richtige Strategie beim Thema Immigratio­n hat, während 54 Prozent sie eher dem Rechtsausl­eger und „Mister Brexit“Nigel Farage zutrauen. „Zerstritte­ne Parteien verlieren Wahlen“, warnt Isaac Levido, der Wahlkampfs­tratege der Torys, aber hören wollen die wenigsten.

Obwohl Rishi Sunak letztlich die Vorlage in dritter Lesung verabschie­den konnte, droht der Ärger weiterzuge­hen. Denn das Oberhaus muss das Gesetz ebenfalls verabschie­den, und viele Lords haben schon erklärt, es entweder ändern oder zu Fall bringen zu wollen, weil sie befürchten, dass die Vorlage internatio­nales Recht brechen könnte. Schließlic­h sieht sie vor, Ministern zu erlauben, Verfügunge­n des EGMR zu ignorieren, wenn etwa Straßburg Abschiebun­gsflüge per Eilantrag zu unterbinde­n sucht. Das soll, hatte Sunak in einer Richtlinie für Beamte klargestel­lt, künftig kein Hinderungs­grund mehr sein dürfen, Asylsuchen­de nach Ruanda auszuflieg­en.

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FOTO: DPA Der britische Premier Rishi Sunak.

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