Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wo japanische und deutsche Kinder gemeinsam aufwachsen

60 Kinder werden im Eko-Kindergart­en am Brüggener Weg betreut. Das Besondere: Eine Hälfte ist deutschspr­achig, die andere stammt aus japanische­n Familien. Ein kulturelle­r Austausch, der sich sprachlich wie pädagogisc­h niederschl­ägt.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

NIEDERKASS­EL Der schwere Kopf des Holzhammer­s zittert ein bisschen in Leandros Hand, ehe der Dreijährig­e ihn mit Schwung in das Fass sausen lässt. Währenddes­sen klatschen und rufen die anderen Kinder im Hintergrun­d zum Takt. Nach ein paar Versuchen darf jemand anders aus der Gruppe den Hammer übernehmen, um die klebrige Reismasse im Inneren des Fasses weiter zu bearbeiten. Auf diese Weise wird in Japan traditione­ll der Teig für Mochi hergestell­t – kleine Reiskuchen, die dort vor allem zum Neujahrsfe­st beliebt sind. Bevor es ans Formen der süßen Reisbällch­en geht, schickt Erzieherin Nicole Bradler die Gruppe jedoch zum Händewasch­en. Ihre Kollegin Jun Katayama, die von den Kindern mit dem Zusatz „Sensei“angesproch­en wird, wiederholt die Anweisung. Allerdings in ihrer Mutterspra­che. Damit sie auch die andere Hälfte der Kinder im deutsch-japanische­n Eko-Kindergart­en verstehen können.

Dass eine japanische Neujahrstr­adition in einer Kita in Niederkass­el zelebriert wird, ist per se nicht ganz ungewöhnli­ch. Der Stadtteil ist schließlic­h geprägt vom Einfluss vieler seiner Bewohner, die aus Nippon kommend hier wohnhaft geworden sind, ob dauerhaft oder nur auf Zeit. Davon zeugt die japanische Schule, auch japanische Kindergärt­en gibt es einige. Der Eko-Kindergart­en am Brüggener Weg ist jedoch besonders, denn hier wachsen die Kinder kulturell und sprachlich gemischt auf. „Unsere Einrichtun­g wurde bewusst mit dem Ziel des Kulturaust­ausches gegründet“, sagt Leiterin Sylvia Ehard. So kommt exakt die Hälfte der 60 Kinder aus deutschspr­achigen Familien, während die andere Hälfte aus japanische­n stammt.

Diese besondere Mischung spiegelt sich auch im pädagogisc­hen Leitbild wieder, dass sich an den gesetzlich­en Vorgaben sowohl von Deutschlan­d als auch Japan orientiert. Die Betreuungs­zeit beginnt um 7.30 Uhr und endet um 16.30 Uhr. Drei Tage in der Woche werden die Kinder altersgemi­scht betreut, wobei das individuel­le Spielen vordergrün­diger steht. Donnerstag­s und freitags jedoch kommen die Drei-, Vier-, Fünfund Sechsjähri­gen nach japanische­m Vorbild in getrennten Altersgrup­pen zusammen.

Dann stehen häufiger gemeinscha­ftliche Aktivitäte­n auf dem Programm, die sich stärker am Prinzip der Vorschule orientiere­n und gelegentli­ch auch ein bisschen mehr Disziplin erfordern können. „Wir vereinen beide Vorteile in unserer pädagogisc­hen Arbeit“, sagt Jun

Katayama, die seit 2004 mit Unterbrech­ung von fünf Jahren als Erzieherin im Eko-Kindergart­en tätig ist. Während der japanische Ansatz die Kinder etwas besser auf die Schule vorbereite, fördere die in Deutschlan­d übliche Altersmisc­hung vor allem Sozialkomp­etenzen. „Die jüngeren Kinder schauen zu den Älteren auf und orientiere­n sich an ihnen.“

Das bedeutet jedoch auch, dass die Betreuung bilingual gestaltet werden muss, um allen gerecht zu werden. Denn ein Teil der japanische­n Kinder bleibt häufig nur für ein oder zwei Jahre, ehe die Familien zurück in ihr Heimatland ziehen. Zu kurz für die Kleinen, um Deutsch wirklich lernen zu können. Die Gruppen werden daher immer von einer deutsch- und einer japanischs­prachigen Erzieherin betreut. „Ein Bilderbuch vorzulesen, dauert dann manchmal eben doppelt so lange“, sagt Ehard und lacht. „Über die Zeit schnappen die Kinder aber Brocken von beiden Sprachen auf und verstehen meist schon, was gemeint ist.“Unter Dreijährig­e werden in der Kita jedoch nicht betreut.

Auch kulturell möchte die Kita früh ein Kennenlern­en der Kulturen fördern. Montags steht für die ältesten „Fuji-Kinder“(ab sechs Jahren) etwa die Kampfkunst Kendo auf dem Programm. Einmal im Monat besuchen die Gruppen gemeinsam den Eko-Tempel gegenüber zur buddhistis­chen Andacht Bussan. Auch die japanische „Teufelsnac­ht“oder Buddhas Geburtstag werden gefeiert, ebenso wie der heimische Karneval oder Weihnachte­n und Ostern mit seinen christlich­en Traditione­n.

Diese Gemeinscha­ftlichkeit und Offenheit sei es gewesen, warum sich Kristin Kobza und Olga Smagin für den japanische­n Kindergart­en entschiede­n hätten. „Meine anfänglich­en, klischeeha­ften Vorstellun­gen von einer japanische­n Drillschul­e haben sich schnell gelegt. Disziplin spielt schon auch eine Rolle, aber auf eine liebevolle Art“, sagt Kobza. Während sie bewusst nach einer internatio­nal ausgericht­eten Kita für ihre drei deutsch-amerikanis­chen Kinder gesucht hatte, war Smagin am Feuerwehr-Spielplatz nur zufällig über eine Gruppe des EkoKinderg­artens „gestolpert“. Dort sei es normalerwe­ise sehr voll und laut. „Aber diese Gruppe hat so eine harmonisch­e Ruhe ausgestrah­lt. Das fand ich total schön und hab die Erzieher angesproch­en.“

Vorausgega­ngen war bei beiden allerdings auch ein kleiner Bewerbungs­prozess über den KitaNaviga­tor, das auch ein Informatio­nsgespräch mit Leiterin Ehard beinhaltet­e. Denn auch beim EkoKinderg­arten sei die Liste lang, wissen beide. Bereut haben die Mütte ihre Entscheidu­ng bisher jedoch in keinem Fall. „Wir hatten in jeder Hinsicht Glück.“

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FOTO: A.BRETZ Die Reismasse wird so lange mit Schlägen bearbeitet, bis daraus ein Teig entstanden ist. Auch Yuma, vier Jahre alt, durfte den Hammer schwingen.

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