Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wo japanische und deutsche Kinder gemeinsam aufwachsen
60 Kinder werden im Eko-Kindergarten am Brüggener Weg betreut. Das Besondere: Eine Hälfte ist deutschsprachig, die andere stammt aus japanischen Familien. Ein kultureller Austausch, der sich sprachlich wie pädagogisch niederschlägt.
NIEDERKASSEL Der schwere Kopf des Holzhammers zittert ein bisschen in Leandros Hand, ehe der Dreijährige ihn mit Schwung in das Fass sausen lässt. Währenddessen klatschen und rufen die anderen Kinder im Hintergrund zum Takt. Nach ein paar Versuchen darf jemand anders aus der Gruppe den Hammer übernehmen, um die klebrige Reismasse im Inneren des Fasses weiter zu bearbeiten. Auf diese Weise wird in Japan traditionell der Teig für Mochi hergestellt – kleine Reiskuchen, die dort vor allem zum Neujahrsfest beliebt sind. Bevor es ans Formen der süßen Reisbällchen geht, schickt Erzieherin Nicole Bradler die Gruppe jedoch zum Händewaschen. Ihre Kollegin Jun Katayama, die von den Kindern mit dem Zusatz „Sensei“angesprochen wird, wiederholt die Anweisung. Allerdings in ihrer Muttersprache. Damit sie auch die andere Hälfte der Kinder im deutsch-japanischen Eko-Kindergarten verstehen können.
Dass eine japanische Neujahrstradition in einer Kita in Niederkassel zelebriert wird, ist per se nicht ganz ungewöhnlich. Der Stadtteil ist schließlich geprägt vom Einfluss vieler seiner Bewohner, die aus Nippon kommend hier wohnhaft geworden sind, ob dauerhaft oder nur auf Zeit. Davon zeugt die japanische Schule, auch japanische Kindergärten gibt es einige. Der Eko-Kindergarten am Brüggener Weg ist jedoch besonders, denn hier wachsen die Kinder kulturell und sprachlich gemischt auf. „Unsere Einrichtung wurde bewusst mit dem Ziel des Kulturaustausches gegründet“, sagt Leiterin Sylvia Ehard. So kommt exakt die Hälfte der 60 Kinder aus deutschsprachigen Familien, während die andere Hälfte aus japanischen stammt.
Diese besondere Mischung spiegelt sich auch im pädagogischen Leitbild wieder, dass sich an den gesetzlichen Vorgaben sowohl von Deutschland als auch Japan orientiert. Die Betreuungszeit beginnt um 7.30 Uhr und endet um 16.30 Uhr. Drei Tage in der Woche werden die Kinder altersgemischt betreut, wobei das individuelle Spielen vordergründiger steht. Donnerstags und freitags jedoch kommen die Drei-, Vier-, Fünfund Sechsjährigen nach japanischem Vorbild in getrennten Altersgruppen zusammen.
Dann stehen häufiger gemeinschaftliche Aktivitäten auf dem Programm, die sich stärker am Prinzip der Vorschule orientieren und gelegentlich auch ein bisschen mehr Disziplin erfordern können. „Wir vereinen beide Vorteile in unserer pädagogischen Arbeit“, sagt Jun
Katayama, die seit 2004 mit Unterbrechung von fünf Jahren als Erzieherin im Eko-Kindergarten tätig ist. Während der japanische Ansatz die Kinder etwas besser auf die Schule vorbereite, fördere die in Deutschland übliche Altersmischung vor allem Sozialkompetenzen. „Die jüngeren Kinder schauen zu den Älteren auf und orientieren sich an ihnen.“
Das bedeutet jedoch auch, dass die Betreuung bilingual gestaltet werden muss, um allen gerecht zu werden. Denn ein Teil der japanischen Kinder bleibt häufig nur für ein oder zwei Jahre, ehe die Familien zurück in ihr Heimatland ziehen. Zu kurz für die Kleinen, um Deutsch wirklich lernen zu können. Die Gruppen werden daher immer von einer deutsch- und einer japanischsprachigen Erzieherin betreut. „Ein Bilderbuch vorzulesen, dauert dann manchmal eben doppelt so lange“, sagt Ehard und lacht. „Über die Zeit schnappen die Kinder aber Brocken von beiden Sprachen auf und verstehen meist schon, was gemeint ist.“Unter Dreijährige werden in der Kita jedoch nicht betreut.
Auch kulturell möchte die Kita früh ein Kennenlernen der Kulturen fördern. Montags steht für die ältesten „Fuji-Kinder“(ab sechs Jahren) etwa die Kampfkunst Kendo auf dem Programm. Einmal im Monat besuchen die Gruppen gemeinsam den Eko-Tempel gegenüber zur buddhistischen Andacht Bussan. Auch die japanische „Teufelsnacht“oder Buddhas Geburtstag werden gefeiert, ebenso wie der heimische Karneval oder Weihnachten und Ostern mit seinen christlichen Traditionen.
Diese Gemeinschaftlichkeit und Offenheit sei es gewesen, warum sich Kristin Kobza und Olga Smagin für den japanischen Kindergarten entschieden hätten. „Meine anfänglichen, klischeehaften Vorstellungen von einer japanischen Drillschule haben sich schnell gelegt. Disziplin spielt schon auch eine Rolle, aber auf eine liebevolle Art“, sagt Kobza. Während sie bewusst nach einer international ausgerichteten Kita für ihre drei deutsch-amerikanischen Kinder gesucht hatte, war Smagin am Feuerwehr-Spielplatz nur zufällig über eine Gruppe des EkoKindergartens „gestolpert“. Dort sei es normalerweise sehr voll und laut. „Aber diese Gruppe hat so eine harmonische Ruhe ausgestrahlt. Das fand ich total schön und hab die Erzieher angesprochen.“
Vorausgegangen war bei beiden allerdings auch ein kleiner Bewerbungsprozess über den KitaNavigator, das auch ein Informationsgespräch mit Leiterin Ehard beinhaltete. Denn auch beim EkoKindergarten sei die Liste lang, wissen beide. Bereut haben die Mütte ihre Entscheidung bisher jedoch in keinem Fall. „Wir hatten in jeder Hinsicht Glück.“