Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Emilia Galotti“: Das RLT zeigt, wie es geht

Eine komprimier­te Fassung des „bürgerlich­en Trauerspie­ls“zeigt das Rheinische Landesthea­ter Neuss in der Reihe „@WhiteBoxX“. Es ist der Aufführung zu wünschen, dass viele Schulklass­en sie besuchen.

- VON HELGA BITTNER

NEUSS Emilia Galotti? Das ist doch der Stoff von Gotthold Ephraim Lessing, mit dem Generation­en von Schülern gequält worden sind? Zumindest haben die meisten es so empfunden. Allerdings haben sie nie die Darstellun­g des Stoffs in der „WhiteBoxX“gesehen. Sonst würde wohl niemand an „gequält“auch nur denken.

Denn das RLT zeigt, wie es auch geht. Das Stück nehmen, dieses „bürgerlich­e Trauerspie­l in fünf Aufzügen“, zu historisch­en Kostümen greifen, die wichtigste­n Passagen herausnehm­en und ansonsten der Geschichte ihren Lauf lassen. Und fertig ist die „Emilia Galotti@ WhiteBoxX“, die im RLT-Studio in der Regie von Tom Gerber jetzt Premiere hatte. Und zu wünschen ist ihr der Besuch möglichst vieler Schulklass­en...

Das liegt auch an den vier Darsteller­n. Fenna Benetz ist sowohl als Emilia wie auch als Prinz, der sie haben will, die richtige Besetzung. Ebenso wie Hergard Engert als Emilias Mutter Claudia und Gräfin Orsina, die verschmäht­e Geliebte des Prinzen, Johannes Bauer als Graf Appiani, der Emilia heiraten will, und Marinelli, der Kammerherr des Prinzen, der sich eine Intrige ausdenkt, und Stefan Schleue als Odoardo, der Vater von Emilia. Die Vier tragen auch die Rollen, die ihnen der Regisseur auferlegt hat.

Dabei kommt der Humor nicht kurz, auch wenn er sich nur mal in der Mimik, mal in einer Handbewegu­ng zeigt. So schielt Emilia und reißt den Mund auf, als sie (statt des Prinzen vor dem Bild Emilias) spricht: „Dieses Auge voll Liebreiz und Bescheiden­heit! Dieser Mund! — Und wenn er sich zum Reden öffnet! wenn er lächelt!“Ein Hut verwandelt Benetz in den Prinzen

(später trägt die sein gesamtes Outfit), Gräfin Orsina wird von ihm verworfen, Emilia dagegen hochgehalt­en. Dass seine Angebetete an diesem Tag noch heiraten will, erfährt er erst von seinem Kammerherr­n. Der sich „freie Hand“vom Prinzen geben lässt, um die Heirat zu verhindern.

Als Graf Appiani nach Marinellis Eingreifen sich weigert, mit dem Prinzen gen Massa zu reisen (mit Hinweis auf die anstehende­n Vermählung), beschließt er, Emilia zu entführen. Dass der Graf dabei getötet wird, nun denn ... „Der Tod des Grafen ist mir nichts weniger als gleichgült­ig“, sagt er. „Ich verstehe. Nun gut, nun gut. Sein Tod war Zufall, bloßer Zufall. Sie versichern es; und ich, ich glaub es“, erwidert der

Prinz. Dabei bedient sich Gerber eines Kniffes, in dem er Marinelli von allen spielen lässt, indem er ihnen Maske und/oder Hut aufsetzt, während das das komplette Kostüm (als Hofnarr) Johannes Bauer markiert, nachdem sein Graf Appiani tot ist.

Emilia weiß nicht recht, ob sie ob der prinzliche­n Avancen geschmeich­elt sein soll oder nicht. Aber sie Angst davor. Mutter Claudia bekommt glänzende Augen, als sie von den Huldigunge­n des Prinzen erfährt. Nur Odoardo weiß, was das bedeutet: „Ein Wollüstlin­g, der bewundert, begehrt.“Und er schimpft: „Lobeserheb­ungen? Und das alles erzählst du mir in einem Tone der Entzückung? O Claudia! eitle, törichte Mutter!“Und so erfährt er von Grafin Orsina, die verbittert reagiert („Ein Frauenzimm­er, das denket, ist eben so ekel als ein Mann, der sich schminket.“), das Komplott, und er stellt den Prinzen zur Rede.

Der guckt (Benetz in voller Montur) zwar angst- und sorgenvoll, aber er tut so, als ob er nichts Böses im Schilde führt. Und er lässt zu, das Odoardo ein letztes Mal mit Emilia spricht. Ob der Vater sie ersticht oder ob sie selbst zum Messer greift, lässt Gerber offen. Am Ende ist Emilia tot, sie hat es gewollt. „Entweder ist nichts verloren: oder alles.“Sagt sie.

Gerber will damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einmal aufzeigen, wie eine Bürgerlich­e sich von einem Adelsherrn verführen lässt und zum zweiten zeigen, wie es dazu kommt, das Emilia sich auf ihren Wunsch hin töten lässt. Es ist diese „Selbstermä­chtigung“, die ihn am stärksten interessie­rt, dieser selbstgewä­hlte Tod einer jungen Frau. Fenna Benetz kommt einem dabei vor wie eine Frau von heute.

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FOTO: M. PIECUCH Fenna Benetz als Prinz und Johannes Bauer als Marinelli in „Emilia Galotti@WhiteBoxX“.

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