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Neusserin bekommt Wissenschaftspreis
Mit nur 28 Jahren wird die Ärztin und Professorin Carolin Schneider als Nachwuchswissenschaftlerin des Jahres ausgezeichnet. Die Neusserin erklärt, welche Rolle künstliche Intelligenz und Diversität für ihre Arbeit spielen.
NEUSS Der academics-Nachwuchspreis geht an eine gebürtige Neusserin. Carolin Schneider wird mit 28 Jahren als „Nachwuchswissenschaftlerin des Jahres“für ihre Forschung ausgezeichnet. Die Juniorprofessorin und approbierte Ärztin an der RWTH Aachen leitet eine Arbeitsgruppe, die Mechanismen im menschlichen Körper erforscht, welche zu StoffwechselErkrankungen beitragen. Der Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf der Leber.
„Dass ich einmal in die Forschung gehen würde, hätte ich vorher nicht gedacht. Ich habe eigentlich gedacht, ich werde eine klassische Ärztin mit einer Praxis“, sagt Schneider. Für Medizin interessiert sie sich jedoch bereits als Schülerin des Gymnasiums Marienberg, wo Schneider, die damals noch Heimes heißt, bereits probeweise MedizinVorlesungen an der Universität Düsseldorf besucht. Ihr Medizinstudium beginnt sie anschließend in Aachen. Bei ihrer Doktorarbeit zu einer genetischen Mutation, die das Risiko für Leber- und Lungenerkrankungen erhöht, habe sie dann gemerkt, wie viel Spaß ihr die Forschung bereite. Diese Arbeit legte außerdem den Grundstein für ihre weitere Forschung.
„Bei der Auswertung habe ich damals gemerkt, dass man mit Excel oft nicht weiterkommt, sondern man fundierte statistische Kenntnisse und Programmier-Erfahrung braucht, um die Daten ordentlich auszuwerten.“Dieses Wissen eignete sie sich zusätzlich an, unter anderem bei einem Forschungsaufenthalt in den USA. Und nutzt es nun weiter für die Forschung ihrer Arbeitsgruppe. Dabei arbeite sie mit riesigen Datensätzen von bis zu einer Million Patienten. „Deshalb sind wir immer mehr auf die Hilfe von KI angewiesen. Mithilfe von Deep-Learning-Modellen können wir vorhersagen, was gute Marker für eine bestimmte Erkrankung sind – also etwa, welche Ernährungsweisen hilfreich bei Lebererkrankungen. sein können.“
Durch diese datenwissenschaftlichen Ansätze könnten Behandlungen oder präventive Maßnahmen stärker personalisiert werden. Letztes Jahr konnte ihre Arbeitsgruppe etwa zeigen, dass während Aspirin sich bei Männern positiv auf die Leber auswirken könne, dies bei Frauen nicht der Fall sei. „Wenn man nur die Population als Ganzes analysiert hätte, hätte man das nicht gesehen“, sagt Schneider. Daher sei es „wirklich wichtig“, verschiedene Gruppen getrennt und nicht nur als Ganzes zu analysieren.
Bis dieser Einsatz von Datenauswertung in der Medizin flächendeckend genutzt werde, müsse sich noch einiges tun, sagt Schneider. „Ich glaube, die Schnittstelle zwischen Medizinern, die gut genug in Informatik sind, um diese Analysen durchzuführen, ist noch nicht so hoch.“Daher setzt sie sich nun dafür ein, dass Biostatistik und Künstliche Intelligenz präsenter im Medizinstudium werden. An der Universität in Aachen bietet sie dazu Kurse für Studierende an. „Selbst wenn man die Programmierung nicht selbst durchführt, muss man das Thema verstehen und anwenden können. Das wird in der Zukunft immer wichtiger werden“, sagt sie.
Mit dem Nachwuchspreis wurde sie auch explizit für ihre interdisziplinäre Forschung ausgezeichnet. In ihrer Arbeitsgruppe kommen Menschen mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen zusammen: Mediziner, Informatiker und auch ein Astrophysiker. „Aus diversen Teams kommen bessere Ergebnisse“, sagt sie. Das gelte nicht nur für Fachbereiche, sondern auch den persönlichen Hintergrund: „Es ist wünschenswert, wenn sehr viele verschiedene Ansichten in der Medizin gehört werden. Das ist in einem diversen Team viel besser möglich, als wenn alle den gleichen Hintergrund haben.“
Dass es insgesamt nur wenige weibliche Professorinnen in der Medizin gebe, findet sie „beunruhigend.“Auch über ihre eigene Forschung hinaus engagiert sie sich deshalb für diese Themen, etwa als Tandempartnerin einer Medizinstudentin oder als ehrenamtliche Mentorin für eine ukrainische Geflüchtete, die sie auf ihrem Weg in die Wissenschaft begleitet. „Was mir damals geholfen hätte, wäre ein weibliches Vorbild gewesen“, sagt sie. „Deswegen finde ich weibliche Sichtbarkeit wichtig.“