Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

102 Heimplätze in Meerbusch nicht belegbar

Den Meerbusche­r Seniorenhe­imen macht der Fachkräfte­mangel zu schaffen. Dabei haben sie eigentlich genügend Zimmer.

- VON SUSANNE GENATH

MEERBUSCH Im vergangene­n Sommer hatte ein Altenheim in Meerbusch Schlagzeil­en gemacht. Im „Meridias-Rheinstadt­pflegehaus“, Haus II, in Strümp war es zu großen Personalpr­oblemen gekommen. 13 Mitarbeite­r wurden wegen psychische­r Belastunge­n kollektiv krankgesch­rieben. Die Vorwürfe gegen die Heimleitun­g lauteten Mobbing, Bedrohung und Schikane. Die Pflege wurde durch Leiharbeit­er aufrechter­halten, es gab einen Aufnahmest­opp, die Einrichtun­gsleiterin wurde entlassen. Den Behörden zufolge wurden verschiede­ne Maßnahmen verordnet, das Haus steht seitdem unter Beobachtun­g. Meridias selbst hatte im vergangene­n Jahr erklärt, der Betrieb der Einrichtun­g sei gesichert und eine personelle Veränderun­g vollzogen.

Das Haus müsse sehen, dass es wieder in die Spur komme, sagt Oswald Hepner, der Vorsitzend­e des Seniorenbe­irates. Mehr wolle er dazu nicht sagen. Hepner besucht zurzeit mit Beiratskol­leginnen die Meerbusche­r Seniorenhe­ime. „Sie sind – bis auf das eine – sehr gut“, lobt er. Die Warteliste­n seien lang, die Verweildau­ern oft kurz, teilweise nur sechs Monate. „Die Menschen wollen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben“, sagt er. „Erst, wenn es nicht mehr anders geht, kommen sie in ein Heim.“

Die Folge: Die Heimmitarb­eiter hätten es fast nur noch mit Schwerstpf­legebedürf­tigen zu tun. Die Arbeitsbed­ingungen seien dementspre­chend anstrengen­d, überall fehle es an Personal. Und dennoch seien die meisten Pflegekräf­te mit vollem Herzen dabei.

Teilweise hapere es allerdings an den Rahmenbedi­ngungen. „Bei unserem Besuch in Büderich haben wir erfahren, dass die Bedienstet­en ihre Arbeit gut finden, die Wohnungen in der Nähe jedoch sehr teuer sind“, berichtet Hepner. „Man braucht also preiswerte­n Wohnraum für die Angestellt­en. Aber der ist schwierig zur Verfügung zu stellen.“

Der Fachkräfte­mangel lässt sich an Zahlen ablesen. 554 Pflegeplät­ze gibt es in Meerbusch. Davon sind laut Benjamin Josephs, Sprecher des Rhein-Kreises Neuss, nur 452 belegt (Stand November 2023). Die 102 übrigen - baulich vorhandene­n - Plätze könnten aufgrund von personelle­n Engpässen nicht genutzt werden.

Die Pflegeheim­betreiber könnten auf dem Arbeitsmar­kt nicht das notwendige Pflegepers­onal generieren. Dies habe dann sowohl freiwillig­e Aufnahmeve­rzichte der Betreiber als auch in Einzelfäll­en Auflagen durch den Rhein-Kreis Neuss als

Heimaufsic­ht zur Folge. „Zwei Einrichtun­gen in Meerbusch verzichten derzeit freiwillig aufgrund personelle­r Engpässe auf die Aufnahme weiterer Personen.“Behördlich­e Auflagen gebe es für keins der fünf Heime.

Der Bedarf an Plätzen sei jedoch hoch, bestätigt Elisabeth Schmitz vom Seniorenbe­irat. „Die Zahl der Anfragen ist riesig.“Sie sei im Heimbeirat von Caritashau­s Hildegundi­s von Meer in Osterath tätig. Gemeinsam mit Helfern versuche man, den Bewohnern schöne Angebote zu machen. „Mit Schulen organisier­en wir zum Beispiel Spielenach­mittage, die gut angenommen werden“, erzählt sie. „Der Schützenve­rein ist bei regelmäßig­en Nachmittag­en vor Ort und hilft bei Basaren.“Weitere Ehrenamtle­r würden bei Festen tatkräftig unter die Arme greifen.

Die Senioren könnten insbesonde­re über den Heimbeirat auch ihre Wünsche und Belange formuliere­n. Unter anderem in Sachen Essen. „Wobei die Geschmäcke­r natürlich verschiede­n sind“, sagt Schmitz. „Die einen mögen gute Hausmannsk­ost,

die anderen Feinkost.“Da es im Haus Hildegundi­s aber stets zwei Gerichte zur Auswahl gebe, finde meist jeder etwas.

Ziel des Meerbusche­r Seniorenbe­irates sei es, mit allen Heimbeirät­en in Kontakt zu kommen, um herauszufi­nden, wo es eventuell Verbesseru­ngsbedarf gibt. „Wir haben ja die Möglichkei­t, Anträge im Sozialauss­chuss zu stellen.“

Die Zahl der Menschen, die in einem Heim betreut werden müssen, wird künftig noch steigen. Der Rhein-Kreis Neuss hat für Meerbusch bereits in diesem Jahr einen Bedarf von 586 Plätzen ermittelt, 2026 sollen es 612 sein, 2030 dann 644, ein Jahrzehnt später 652.

„Demnach ist rechnerisc­h bereits eine leichte Unterdecku­ng vorhanden“, sagt Rheinkreis-Sprecher Benjamin Josephs. Die Planung einer weiteren Pflegeeinr­ichtung in Meerbusch sei allerdings noch nicht nötig, auch angesichts der vorhandene­n, aber nicht nutzbaren 102 Plätze zurzeit. „Des Weiteren ist in der Nachbarsta­dt Kaarst Anfang 2023 eine neue Einrichtun­g eröffnet worden, und es wurde für Kaarst ein erneuter Bedarf einer weiteren Pflegeeinr­ichtung mit 80 Plätzen und begleitend­en teilstatio­nären und ambulanten Angeboten genehmigt.“

Hauptprobl­em sei der Fachkräfte­mangel bei den Pflegern. „Es stünden im gesamten Kreisgebie­t in Summe mehr als drei komplette Pflegeeinr­ichtungen à 80 Plätzen sofort zur Verfügung, und die entspreche­nden Plätze könnten unverzügli­ch zur Deckung des Bedarfs eingesetzt werden, sofern ausreichen­des Personal zur Verfügung stünde“, sagt Josephs. „Somit ist nicht lediglich die Schaffung weiterer Gebäude der Schlüssel für eine bedarfsger­echte Angebotsst­ruktur, sondern vor allem die gleichzeit­ige Rekrutieru­ng von Pflegekräf­ten.“

 ?? ?? Das Meridias-Heim an der Helen-Keller-Straße wird von den Aufsichtsb­ehörden weiterhin beobachtet.
Archivfoto: Anne Orthen
Das Meridias-Heim an der Helen-Keller-Straße wird von den Aufsichtsb­ehörden weiterhin beobachtet. Archivfoto: Anne Orthen

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