Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
102 Heimplätze in Meerbusch nicht belegbar
Den Meerbuscher Seniorenheimen macht der Fachkräftemangel zu schaffen. Dabei haben sie eigentlich genügend Zimmer.
MEERBUSCH Im vergangenen Sommer hatte ein Altenheim in Meerbusch Schlagzeilen gemacht. Im „Meridias-Rheinstadtpflegehaus“, Haus II, in Strümp war es zu großen Personalproblemen gekommen. 13 Mitarbeiter wurden wegen psychischer Belastungen kollektiv krankgeschrieben. Die Vorwürfe gegen die Heimleitung lauteten Mobbing, Bedrohung und Schikane. Die Pflege wurde durch Leiharbeiter aufrechterhalten, es gab einen Aufnahmestopp, die Einrichtungsleiterin wurde entlassen. Den Behörden zufolge wurden verschiedene Maßnahmen verordnet, das Haus steht seitdem unter Beobachtung. Meridias selbst hatte im vergangenen Jahr erklärt, der Betrieb der Einrichtung sei gesichert und eine personelle Veränderung vollzogen.
Das Haus müsse sehen, dass es wieder in die Spur komme, sagt Oswald Hepner, der Vorsitzende des Seniorenbeirates. Mehr wolle er dazu nicht sagen. Hepner besucht zurzeit mit Beiratskolleginnen die Meerbuscher Seniorenheime. „Sie sind – bis auf das eine – sehr gut“, lobt er. Die Wartelisten seien lang, die Verweildauern oft kurz, teilweise nur sechs Monate. „Die Menschen wollen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben“, sagt er. „Erst, wenn es nicht mehr anders geht, kommen sie in ein Heim.“
Die Folge: Die Heimmitarbeiter hätten es fast nur noch mit Schwerstpflegebedürftigen zu tun. Die Arbeitsbedingungen seien dementsprechend anstrengend, überall fehle es an Personal. Und dennoch seien die meisten Pflegekräfte mit vollem Herzen dabei.
Teilweise hapere es allerdings an den Rahmenbedingungen. „Bei unserem Besuch in Büderich haben wir erfahren, dass die Bediensteten ihre Arbeit gut finden, die Wohnungen in der Nähe jedoch sehr teuer sind“, berichtet Hepner. „Man braucht also preiswerten Wohnraum für die Angestellten. Aber der ist schwierig zur Verfügung zu stellen.“
Der Fachkräftemangel lässt sich an Zahlen ablesen. 554 Pflegeplätze gibt es in Meerbusch. Davon sind laut Benjamin Josephs, Sprecher des Rhein-Kreises Neuss, nur 452 belegt (Stand November 2023). Die 102 übrigen - baulich vorhandenen - Plätze könnten aufgrund von personellen Engpässen nicht genutzt werden.
Die Pflegeheimbetreiber könnten auf dem Arbeitsmarkt nicht das notwendige Pflegepersonal generieren. Dies habe dann sowohl freiwillige Aufnahmeverzichte der Betreiber als auch in Einzelfällen Auflagen durch den Rhein-Kreis Neuss als
Heimaufsicht zur Folge. „Zwei Einrichtungen in Meerbusch verzichten derzeit freiwillig aufgrund personeller Engpässe auf die Aufnahme weiterer Personen.“Behördliche Auflagen gebe es für keins der fünf Heime.
Der Bedarf an Plätzen sei jedoch hoch, bestätigt Elisabeth Schmitz vom Seniorenbeirat. „Die Zahl der Anfragen ist riesig.“Sie sei im Heimbeirat von Caritashaus Hildegundis von Meer in Osterath tätig. Gemeinsam mit Helfern versuche man, den Bewohnern schöne Angebote zu machen. „Mit Schulen organisieren wir zum Beispiel Spielenachmittage, die gut angenommen werden“, erzählt sie. „Der Schützenverein ist bei regelmäßigen Nachmittagen vor Ort und hilft bei Basaren.“Weitere Ehrenamtler würden bei Festen tatkräftig unter die Arme greifen.
Die Senioren könnten insbesondere über den Heimbeirat auch ihre Wünsche und Belange formulieren. Unter anderem in Sachen Essen. „Wobei die Geschmäcker natürlich verschieden sind“, sagt Schmitz. „Die einen mögen gute Hausmannskost,
die anderen Feinkost.“Da es im Haus Hildegundis aber stets zwei Gerichte zur Auswahl gebe, finde meist jeder etwas.
Ziel des Meerbuscher Seniorenbeirates sei es, mit allen Heimbeiräten in Kontakt zu kommen, um herauszufinden, wo es eventuell Verbesserungsbedarf gibt. „Wir haben ja die Möglichkeit, Anträge im Sozialausschuss zu stellen.“
Die Zahl der Menschen, die in einem Heim betreut werden müssen, wird künftig noch steigen. Der Rhein-Kreis Neuss hat für Meerbusch bereits in diesem Jahr einen Bedarf von 586 Plätzen ermittelt, 2026 sollen es 612 sein, 2030 dann 644, ein Jahrzehnt später 652.
„Demnach ist rechnerisch bereits eine leichte Unterdeckung vorhanden“, sagt Rheinkreis-Sprecher Benjamin Josephs. Die Planung einer weiteren Pflegeeinrichtung in Meerbusch sei allerdings noch nicht nötig, auch angesichts der vorhandenen, aber nicht nutzbaren 102 Plätze zurzeit. „Des Weiteren ist in der Nachbarstadt Kaarst Anfang 2023 eine neue Einrichtung eröffnet worden, und es wurde für Kaarst ein erneuter Bedarf einer weiteren Pflegeeinrichtung mit 80 Plätzen und begleitenden teilstationären und ambulanten Angeboten genehmigt.“
Hauptproblem sei der Fachkräftemangel bei den Pflegern. „Es stünden im gesamten Kreisgebiet in Summe mehr als drei komplette Pflegeeinrichtungen à 80 Plätzen sofort zur Verfügung, und die entsprechenden Plätze könnten unverzüglich zur Deckung des Bedarfs eingesetzt werden, sofern ausreichendes Personal zur Verfügung stünde“, sagt Josephs. „Somit ist nicht lediglich die Schaffung weiterer Gebäude der Schlüssel für eine bedarfsgerechte Angebotsstruktur, sondern vor allem die gleichzeitige Rekrutierung von Pflegekräften.“