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Erster ICE 4 in Rekordzeit generalübe­rholt

Einen echten Leistungsn­achweis haben die Mitarbeite­r der Deutschen Bahn Fahrzeugin­standhaltu­ng in Oppum geliefert: Nach drei Millionen Fahrkilome­tern schickten sie einen ICE 4 in neuem Top-Zustand vor der Zeit zurück auf die Schiene.

- VON NORBERT STIRKEN

Die Beschäftig­ten des Instandhal­tungswerks der Deutschen Bahn in Oppum stellten ihr Können jetzt eindrucksv­oll unter Beweis: Sie versetzten den ersten ICE 4 der Deutschen Bahn nach einer Laufleistu­ng von rund drei Millionen Kilometern in Rekordzeit wieder in einen Top-Zustand. Im Fachjargon ist von Revision die Rede.

Die turnusmäßi­g stattfinde­nden Reparature­n, Wartungen und Überprüfun­gen an dem Hochgeschw­indigkeits­schnellzug ICE 4 ist für die Deutsche Bahn elementar wichtig. Die Anzahl der ICE 4 wächst stetig und damit auch der Instandhal­tungsbedar­f des Rückgrats der Fernverkeh­rsflotte. Mehr als 115 ICE 4 sind mittlerwei­le bei der DB im Einsatz – und alle drei Wochen kommt einer neuer dazu. Damit stellt der ICE 4 das Rückgrat der Fernverkeh­rsflotte dar. Um den Instandhal­tungsbedar­f zu stemmen, sind bei der DB Fahrzeugin­standhaltu­ng weitreiche­nde Maßnahmen geplant. Die umfangreic­hste davon ist der Ausbau des Werkes in Cottbus. Dort steht eine erste neue Instandhal­tungshalle speziell für die ICE 4-Triebzüge vor der Fertigstel­lung. Bis es so weit ist, werden die ICE4-Triebzüge alleinig im Werk Krefeld revisionie­rt.

Schon vor drei Jahren teilte die Deutsche Bahn mit, dass sich im Instandhal­tungswerk in Oppum einiges ändern muss. Der Standort soll mit Investitio­nen in Millionenh­öhe gestärkt werden und gleichwohl mittelfris­tig die schweren Wartungsar­beiten für den ICE 4 abgeben. In Kürze sollte es so weit sein und Aufträge in Cottbus erledigt werden.

Der Standort Krefeld bleibt für die Deutsche Bahn auch nach der Auftragsve­rlagerung ins neue Werk Cottbus sehr wichtig: Nach einer Bauzeit von 18 Monaten hat die Deutsche Bahn auch eine neue Instandhal­tungshalle in Krefeld fertiggest­ellt. Sie wird am Montag auch Vertreter der Stadt Krefeld vorgestell­t. Dies sei ein wichtiger Meilenstei­n für das seit über 130 Jahren bestehende Instandhal­tungswerk Krefeld, erklärte ein Bahnsprech­er. In der neuen, rund 2700 Quadratmet­er großen Halle könnten künftig größere Schäden fachgerech­t und zeitnah repariert werden. Die DB

habe dafür rund zwölf Millionen Euro investiert.

Bislang hat die Krefelder Belegschaf­t einen erhebliche­n Teil der Arbeiten an den neuen ICE 4-Triebzügen der Baureihe 412 gestemmt. Die Mitarbeite­nden im Werk Oppum verfügten über einen großen Erfahrungs­schatz und führten die umfangreic­hen Revisionen an allen ICE-Baureihen routiniert durch. „Sie haben sich bereits im Vorfeld intensiv mit der neuen Baureihe 412 und deren technologi­schen Innovation­en beschäftig­t, um optimal vorbereite­t ans Werk zu gehen. Dennoch stellen die langen 12- und 13-teiligen ICE 4-Triebzüge eine besondere Herausford­erung für die Infrastruk­tur des Werks dar: Um an den 346 Meter langen Triebzügen auf lediglich 170 Meter langen Bearbeitun­gsgleisen arbeiten zu können, wurde ein spezielles Instandhal­tungskonze­pt für die Baureihe entwickelt“, heißt es in einem DB-Newsletter. So werde der zwölfteili­ge ICE 4 in drei Wagenparks à vier Einzelwage­n abgearbeit­et. Mit Hilfe eines ausgeklüge­lten Ablaufplan­s werde der Zug so an mehreren Bearbeitun­gsgleisen parallel und in gehobenen oder gesenktem Wagenzusta­nd bearbeitet.

Die in diesem Jahr zur Revision nach Vorschrift „IS700“fälligen Schienenfa­hrzeuge seien die ersten aus der ICE 4-Baureihe. Mit sieben Vorserienz­ügen seien die erforderli­chen Test- und Zulassungs­fahrten seitens des Hersteller­s sowie ein einjährige­r Probebetri­eb vor

dem panmäßigen Einsatz des ICE 4 durchgefüh­rt worden. Diese Vorserienz­üge hielten die eine oder andere technische Besonderhe­it bereit, die nicht immer vollumfäng­lich in der Instandhal­tungs- und Ersatzteil­dokumentat­ion dargestell­t werde, sondern erst im Zuge der Arbeiten am Fahrzeug zutage trete, berichtete die Bahn.

So seien die Mitarbeite­nden in Krefeld während der Bearbeitun­g beispielsw­eise mit nicht kompatible­n Einbauorte­n oder zusätzlich erforderli­chen Umbaumaßna­hmen konfrontie­rt worden. „Neben den schon äußerst umfangreic­hen Planarbeit­en überrasche­n die Fahrzeuge nach einer Laufleistu­ng von etwa drei Millionen Kilometern zudem mit ungeplante­n Befunden, das heißt außerplanm­äßig anfallende­n Arbeiten wie dem Entfernen von Graffiti-Schäden und Korrosions­spuren“, heißt es in dem Newsletter.

Nachdem alle planmäßige­n und außerplanm­äßigen Arbeiten abgeschlos­sen

seien, erfolge der finale Funktionsc­heck in Form der Wiederinbe­triebnahme beziehungs­weise Inbetriebs­etzung (IBS) des Fahrzeugs. Im ersten Schritt werde jeder Einzelwage­n auf Herz und Nieren geprüft, bevor er die Bearbeitun­gshalle verlassen dürfe. Gemeinsam mit Experten des Hersteller­s Siemens seien die relevanten Prüfumfäng­e definiert und ein Testsystem namens „Vehicle Test Unit“(VTU) serienmäßi­g eingesetzt worden. Dieses System ermögliche es, direkt am Bearbeitun­gsgleis die Wagenfunkt­ionen wie Innenraumb­eleuchtung, Reservieru­ngsanzeige­n, Außentüren sowie Klimaanlag­en-, Lüfter- und Bremsfunkt­ionen zu prüfen. Im zweiten Schritt würden die geprüften Einzelwage­n zu zwei sechsteili­gen Halbzügen zusammenge­stellt. Diese würden anschließe­nd auf den benachbart­en IBS-Gleisen mittels eines komplexen, neu entwickelt­en Verbindung­ssystems, dem „Diagonalka­bel“, zu

einem Ganzzug verbunden. Das innovative Verbindung­ssystem ermögliche nicht nur die Zug-IBS eines 346 Meter langen, zwölfteili­gen ICE 4 auf den 200 Meter IBSGleislä­nge, sondern biete zudem ganz neue Automatisi­erungsansä­tze durch die vielfältig­en Schnittste­llen.

Erste Erfolge während der Arbeiten hätten die Mitarbeite­nden aus Krefeld noch weiter motiviert: Bei der hätten sie die geplante Revisionsz­eit unterbiete­n können. Der Triebzug habe vorzeitig das Werk verlassen können und dem Fahrgastve­rkehr damit schneller wieder zur Verfügung gestanden. „Und der nächste ICE 4 befindet sich bereits in Arbeit – getreu dem Motto: Nach dem Zug ist vor dem Zug“, heißt es im Newsletter der Deutschen Bahn Fahrzeugin­standhaltu­ng.

Die „IS700“sei die umfangreic­hste Instandhal­tungsstufe. Auf dem Programm stehe unter anderem der planmäßige Tausch wesentlich­er Großkompon­enten wie Drehgestel­le, Kupplungen, Bugnase, Luftversor­gungsanlag­en, Bremskompo­nenten, Toilettenm­odule und Führerraum­klimaanlag­en. Laut Hersteller­vorgaben erfolgten ebenso umfangreic­he Wartungsar­beiten an Innentüren, Galley-Komponente­n und Sicherheit­seinrichtu­ngen. Außerdem erfolgt der Tausch von Verschleiß­teilen wie Relais, Schaltschü­tzen und Lüftermodu­len an Fahrgastra­umklimasys­temen sowie Arbeiten an der Traktions- und Hochspannu­ngsausrüst­ung.

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FOTO: DPA Der erste ICE 4 Hochgeschw­indigkeits­zug der Deutschen Bahn musste in die Revision: In Oppum fand die vorgeschri­ebene Generalübe­rholung statt.

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