Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Erster ICE 4 in Rekordzeit generalüberholt
Einen echten Leistungsnachweis haben die Mitarbeiter der Deutschen Bahn Fahrzeuginstandhaltung in Oppum geliefert: Nach drei Millionen Fahrkilometern schickten sie einen ICE 4 in neuem Top-Zustand vor der Zeit zurück auf die Schiene.
Die Beschäftigten des Instandhaltungswerks der Deutschen Bahn in Oppum stellten ihr Können jetzt eindrucksvoll unter Beweis: Sie versetzten den ersten ICE 4 der Deutschen Bahn nach einer Laufleistung von rund drei Millionen Kilometern in Rekordzeit wieder in einen Top-Zustand. Im Fachjargon ist von Revision die Rede.
Die turnusmäßig stattfindenden Reparaturen, Wartungen und Überprüfungen an dem Hochgeschwindigkeitsschnellzug ICE 4 ist für die Deutsche Bahn elementar wichtig. Die Anzahl der ICE 4 wächst stetig und damit auch der Instandhaltungsbedarf des Rückgrats der Fernverkehrsflotte. Mehr als 115 ICE 4 sind mittlerweile bei der DB im Einsatz – und alle drei Wochen kommt einer neuer dazu. Damit stellt der ICE 4 das Rückgrat der Fernverkehrsflotte dar. Um den Instandhaltungsbedarf zu stemmen, sind bei der DB Fahrzeuginstandhaltung weitreichende Maßnahmen geplant. Die umfangreichste davon ist der Ausbau des Werkes in Cottbus. Dort steht eine erste neue Instandhaltungshalle speziell für die ICE 4-Triebzüge vor der Fertigstellung. Bis es so weit ist, werden die ICE4-Triebzüge alleinig im Werk Krefeld revisioniert.
Schon vor drei Jahren teilte die Deutsche Bahn mit, dass sich im Instandhaltungswerk in Oppum einiges ändern muss. Der Standort soll mit Investitionen in Millionenhöhe gestärkt werden und gleichwohl mittelfristig die schweren Wartungsarbeiten für den ICE 4 abgeben. In Kürze sollte es so weit sein und Aufträge in Cottbus erledigt werden.
Der Standort Krefeld bleibt für die Deutsche Bahn auch nach der Auftragsverlagerung ins neue Werk Cottbus sehr wichtig: Nach einer Bauzeit von 18 Monaten hat die Deutsche Bahn auch eine neue Instandhaltungshalle in Krefeld fertiggestellt. Sie wird am Montag auch Vertreter der Stadt Krefeld vorgestellt. Dies sei ein wichtiger Meilenstein für das seit über 130 Jahren bestehende Instandhaltungswerk Krefeld, erklärte ein Bahnsprecher. In der neuen, rund 2700 Quadratmeter großen Halle könnten künftig größere Schäden fachgerecht und zeitnah repariert werden. Die DB
habe dafür rund zwölf Millionen Euro investiert.
Bislang hat die Krefelder Belegschaft einen erheblichen Teil der Arbeiten an den neuen ICE 4-Triebzügen der Baureihe 412 gestemmt. Die Mitarbeitenden im Werk Oppum verfügten über einen großen Erfahrungsschatz und führten die umfangreichen Revisionen an allen ICE-Baureihen routiniert durch. „Sie haben sich bereits im Vorfeld intensiv mit der neuen Baureihe 412 und deren technologischen Innovationen beschäftigt, um optimal vorbereitet ans Werk zu gehen. Dennoch stellen die langen 12- und 13-teiligen ICE 4-Triebzüge eine besondere Herausforderung für die Infrastruktur des Werks dar: Um an den 346 Meter langen Triebzügen auf lediglich 170 Meter langen Bearbeitungsgleisen arbeiten zu können, wurde ein spezielles Instandhaltungskonzept für die Baureihe entwickelt“, heißt es in einem DB-Newsletter. So werde der zwölfteilige ICE 4 in drei Wagenparks à vier Einzelwagen abgearbeitet. Mit Hilfe eines ausgeklügelten Ablaufplans werde der Zug so an mehreren Bearbeitungsgleisen parallel und in gehobenen oder gesenktem Wagenzustand bearbeitet.
Die in diesem Jahr zur Revision nach Vorschrift „IS700“fälligen Schienenfahrzeuge seien die ersten aus der ICE 4-Baureihe. Mit sieben Vorserienzügen seien die erforderlichen Test- und Zulassungsfahrten seitens des Herstellers sowie ein einjähriger Probebetrieb vor
dem panmäßigen Einsatz des ICE 4 durchgeführt worden. Diese Vorserienzüge hielten die eine oder andere technische Besonderheit bereit, die nicht immer vollumfänglich in der Instandhaltungs- und Ersatzteildokumentation dargestellt werde, sondern erst im Zuge der Arbeiten am Fahrzeug zutage trete, berichtete die Bahn.
So seien die Mitarbeitenden in Krefeld während der Bearbeitung beispielsweise mit nicht kompatiblen Einbauorten oder zusätzlich erforderlichen Umbaumaßnahmen konfrontiert worden. „Neben den schon äußerst umfangreichen Planarbeiten überraschen die Fahrzeuge nach einer Laufleistung von etwa drei Millionen Kilometern zudem mit ungeplanten Befunden, das heißt außerplanmäßig anfallenden Arbeiten wie dem Entfernen von Graffiti-Schäden und Korrosionsspuren“, heißt es in dem Newsletter.
Nachdem alle planmäßigen und außerplanmäßigen Arbeiten abgeschlossen
seien, erfolge der finale Funktionscheck in Form der Wiederinbetriebnahme beziehungsweise Inbetriebsetzung (IBS) des Fahrzeugs. Im ersten Schritt werde jeder Einzelwagen auf Herz und Nieren geprüft, bevor er die Bearbeitungshalle verlassen dürfe. Gemeinsam mit Experten des Herstellers Siemens seien die relevanten Prüfumfänge definiert und ein Testsystem namens „Vehicle Test Unit“(VTU) serienmäßig eingesetzt worden. Dieses System ermögliche es, direkt am Bearbeitungsgleis die Wagenfunktionen wie Innenraumbeleuchtung, Reservierungsanzeigen, Außentüren sowie Klimaanlagen-, Lüfter- und Bremsfunktionen zu prüfen. Im zweiten Schritt würden die geprüften Einzelwagen zu zwei sechsteiligen Halbzügen zusammengestellt. Diese würden anschließend auf den benachbarten IBS-Gleisen mittels eines komplexen, neu entwickelten Verbindungssystems, dem „Diagonalkabel“, zu
einem Ganzzug verbunden. Das innovative Verbindungssystem ermögliche nicht nur die Zug-IBS eines 346 Meter langen, zwölfteiligen ICE 4 auf den 200 Meter IBSGleislänge, sondern biete zudem ganz neue Automatisierungsansätze durch die vielfältigen Schnittstellen.
Erste Erfolge während der Arbeiten hätten die Mitarbeitenden aus Krefeld noch weiter motiviert: Bei der hätten sie die geplante Revisionszeit unterbieten können. Der Triebzug habe vorzeitig das Werk verlassen können und dem Fahrgastverkehr damit schneller wieder zur Verfügung gestanden. „Und der nächste ICE 4 befindet sich bereits in Arbeit – getreu dem Motto: Nach dem Zug ist vor dem Zug“, heißt es im Newsletter der Deutschen Bahn Fahrzeuginstandhaltung.
Die „IS700“sei die umfangreichste Instandhaltungsstufe. Auf dem Programm stehe unter anderem der planmäßige Tausch wesentlicher Großkomponenten wie Drehgestelle, Kupplungen, Bugnase, Luftversorgungsanlagen, Bremskomponenten, Toilettenmodule und Führerraumklimaanlagen. Laut Herstellervorgaben erfolgten ebenso umfangreiche Wartungsarbeiten an Innentüren, Galley-Komponenten und Sicherheitseinrichtungen. Außerdem erfolgt der Tausch von Verschleißteilen wie Relais, Schaltschützen und Lüftermodulen an Fahrgastraumklimasystemen sowie Arbeiten an der Traktions- und Hochspannungsausrüstung.