Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
100.000 bei der größten Demo Düsseldorfs
Die Stadtgesellschaft setzte am Samstag ein starkes Zeichen – gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie.
Rund 100.000 Menschen haben am Samstag in Düsseldorf bei einer Demonstration gegen Rechtsextremismus ein deutliches Zeichen für eine offene und tolerante Gesellschaft gesetzt. Die Anmelder waren zuvor von 30.000 Teilnehmern ausgegangen. Es handelt sich somit um die größte Demonstration, die Düsseldorf je gesehen hat. Umzug und Kundgebung verliefen bei strahlendem Wetter friedlich. Es wurden lediglich Anzeigen geschrieben, weil einige Demonstranten Pyrotechnik abgebrannt hatten.
Die rosa und schwarzen Qualmwolken auf der Kniebrücke waren jedoch eine Randerscheinung. Es überwog die politische Entschiedenheit der sonst eher zurückhaltenden Mitte der Gesellschaft, gepaart mit Gelassenheit und auch Kreativität. Menschen aller Altersgruppen waren dabei, auch viele Familien mit Kleinkindern zogen durch die Straßen. Letztere hatten auch häufiger Schilder am Kinderwagen, auf denen zum Beispiel stand: „Hier wächst der Widerstand“. Auch hieß es „Braun ist bei uns nur das Altbier“, „Kein Alt für Nazis“oder „Keine Pizzen für Faschisten“. Unter den Mottos „Lieber solidarisch als solide arisch“und „Menschenrechte statt rechte Menschen“wurde der Partei AfD abgesprochen, eine Alternative für Deutschland zu sein. Kay Lorentz vom Düsseldorfer Kom(m) ödchen hatte folgendes Plakat angefertigt: „Die AfD passt nicht mal in unsere unterste Schublade“. Andere verbanden Parolen wie „Nie wieder 1933“mit dem Appell, keine rechtsextreme Partei zu wählen – aber unbedingt zur Wahl zu gehen.
Zur Demonstration aufgerufen hatten der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sowie die Bündnisse „Düsseldorf stellt sich quer“und „Düsseldorfer Appell“. Das Motto: „Gegen die AfD. Wir schweigen nicht. Wir schauen nicht weg. Wir handeln.“Die Kundgebung auf den Rheinwiesen hatte die Überschrift „Nie wieder ist jetzt. Für Demokratie und Rechtsstaat.“Auslöser der bundesweit laufenden Demos waren Berichte über ein Treffen von Rechtsextremen in Potsdam, bei dem es um so genannte Remigration ging – also das Abschieben von Menschen mit Migrationshintergrund. An dem Treffen hatten auch AfDund CDU-Politiker teilgenommen.
Dass so viele Düsseldorfer den Demo-Aufrufen am Samstag folgen würden, war anfangs nicht abzusehen. Zu Beginn füllte sich die Friedrich-Ebert-Straße nur zögerlich, ab
11.20 Uhr wurde es dann aber so voll, dass auch die Karlstraße gesperrt werden musste. Die Demonstranten bogen auf die Oststraße ein, um Platz zu schaffen, die Aufstellung war aber erst beendet, als die Spitze des Zugs bereits die Ecke zur GrafAdolf-Straße erreicht hatte.
Zu diesem Zeitpunkt sprach die Polizei von mehreren Zehntausend Teilnehmenden. Der Umzug begann um 12.50 Uhr und damit eher als geplant. Als Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) gegen 15 Uhr auf den Oberkasseler Rheinwiesen als erster Redner das Wort ergriff, zogen noch immer Tausende über die Kniebrücke. Es gab viele Staus. Tatsächlich erreichte das Ende des Aufzugs erst um 15.45 Uhr den Ort der Abschluss-Kundgebung. In der
Spitze schätzte die Polizei die Anzahl der Personen dort auf 100.000. Tausende blickten vom Brückengeländer aus auf die Bühne.
Die Redner waren von der Kulisse beeindruckt. Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) sagte, sie habe in Düsseldorf schon viel erlebt. „Aber das, was ihr heute als Zeichen setzt, hier auf den Rheinwiesen, alle zusammen, die ganze Stadt, Jung und Alt, hier geboren, hier zugereist, Sport, Karneval, Gewerkschaften, staatstragende Parteien, Zivilgesellschaft, das macht mich nahezu sprachlos.“Als Düsseldorferin sende sie an diesem Tag einen „schönen Gruß nach Köln“. Dort hatten am Sonntag vergangener Woche 70.000 Menschen demonstriert – und am
Donnerstag davor bereits 30.000.
Oberbürgermeister Stephan Keller bezog sich am Holocaust-Gedenktag, der am Samstag begangen wurde, auf die Nazi-Zeit. Von Warnungen, die damals von der Mehrheit der Deutschen in den Wind geschlagen worden seien, schlug er den Bogen zur Gegenwart und sagte: „Gerade denen, die heute im Visier der Extremisten stehen, sage ich: Habt keine Angst! Wir alle stehen an eurer Seite. Denn wir sind viele, wir sind die Mitte, wir sind die Mehrheit.“
Bedrückend wurde es, als Michael Szentei-Heise ans Rednerpult trat. Der langjährige frühere Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf berichtete von seiner Mutter, die eine Überlebende des
KZ Auschwitz war. Er sprach ganz praktisch davon, wie die Rechtsextremisten von heute wohl die Deportationen organisieren würden – und fügte mit schwärzestem Humor an, dass man sich beim Abtransport nicht auf die Deutsche Bahn verlassen könne. Hans-Jochem Witzke löste die Situation, als er sich auf ein berühmtes Kölner Motto bezog, das zur heutigen Situation passt: „Im vornehmen Düsseldorf heißt es hochdeutsch ,Hintern hoch, Zähne auseinander’“.
Die 90 Minuten an Redebeiträgen lockerten Musiker und Sänger der Oper mit der Hymne „Freude schöner Götterfunken“auf. Einen fulminaten Schlusspunkt setzte dann die Düsseldorfer Band Broilers, die fünf Songs auf der Setlist hatte.