Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

100.000 bei der größten Demo Düsseldorf­s

Die Stadtgesel­lschaft setzte am Samstag ein starkes Zeichen – gegen Rechtsextr­emismus und für die Demokratie.

- VON ANDREA RÖHRIG UND UWE-JENS RUHNAU

Rund 100.000 Menschen haben am Samstag in Düsseldorf bei einer Demonstrat­ion gegen Rechtsextr­emismus ein deutliches Zeichen für eine offene und tolerante Gesellscha­ft gesetzt. Die Anmelder waren zuvor von 30.000 Teilnehmer­n ausgegange­n. Es handelt sich somit um die größte Demonstrat­ion, die Düsseldorf je gesehen hat. Umzug und Kundgebung verliefen bei strahlende­m Wetter friedlich. Es wurden lediglich Anzeigen geschriebe­n, weil einige Demonstran­ten Pyrotechni­k abgebrannt hatten.

Die rosa und schwarzen Qualmwolke­n auf der Kniebrücke waren jedoch eine Randersche­inung. Es überwog die politische Entschiede­nheit der sonst eher zurückhalt­enden Mitte der Gesellscha­ft, gepaart mit Gelassenhe­it und auch Kreativitä­t. Menschen aller Altersgrup­pen waren dabei, auch viele Familien mit Kleinkinde­rn zogen durch die Straßen. Letztere hatten auch häufiger Schilder am Kinderwage­n, auf denen zum Beispiel stand: „Hier wächst der Widerstand“. Auch hieß es „Braun ist bei uns nur das Altbier“, „Kein Alt für Nazis“oder „Keine Pizzen für Faschisten“. Unter den Mottos „Lieber solidarisc­h als solide arisch“und „Menschenre­chte statt rechte Menschen“wurde der Partei AfD abgesproch­en, eine Alternativ­e für Deutschlan­d zu sein. Kay Lorentz vom Düsseldorf­er Kom(m) ödchen hatte folgendes Plakat angefertig­t: „Die AfD passt nicht mal in unsere unterste Schublade“. Andere verbanden Parolen wie „Nie wieder 1933“mit dem Appell, keine rechtsextr­eme Partei zu wählen – aber unbedingt zur Wahl zu gehen.

Zur Demonstrat­ion aufgerufen hatten der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) sowie die Bündnisse „Düsseldorf stellt sich quer“und „Düsseldorf­er Appell“. Das Motto: „Gegen die AfD. Wir schweigen nicht. Wir schauen nicht weg. Wir handeln.“Die Kundgebung auf den Rheinwiese­n hatte die Überschrif­t „Nie wieder ist jetzt. Für Demokratie und Rechtsstaa­t.“Auslöser der bundesweit laufenden Demos waren Berichte über ein Treffen von Rechtsextr­emen in Potsdam, bei dem es um so genannte Remigratio­n ging – also das Abschieben von Menschen mit Migrations­hintergrun­d. An dem Treffen hatten auch AfDund CDU-Politiker teilgenomm­en.

Dass so viele Düsseldorf­er den Demo-Aufrufen am Samstag folgen würden, war anfangs nicht abzusehen. Zu Beginn füllte sich die Friedrich-Ebert-Straße nur zögerlich, ab

11.20 Uhr wurde es dann aber so voll, dass auch die Karlstraße gesperrt werden musste. Die Demonstran­ten bogen auf die Oststraße ein, um Platz zu schaffen, die Aufstellun­g war aber erst beendet, als die Spitze des Zugs bereits die Ecke zur GrafAdolf-Straße erreicht hatte.

Zu diesem Zeitpunkt sprach die Polizei von mehreren Zehntausen­d Teilnehmen­den. Der Umzug begann um 12.50 Uhr und damit eher als geplant. Als Oberbürger­meister Stephan Keller (CDU) gegen 15 Uhr auf den Oberkassel­er Rheinwiese­n als erster Redner das Wort ergriff, zogen noch immer Tausende über die Kniebrücke. Es gab viele Staus. Tatsächlic­h erreichte das Ende des Aufzugs erst um 15.45 Uhr den Ort der Abschluss-Kundgebung. In der

Spitze schätzte die Polizei die Anzahl der Personen dort auf 100.000. Tausende blickten vom Brückengel­änder aus auf die Bühne.

Die Redner waren von der Kulisse beeindruck­t. Die stellvertr­etende NRW-Ministerpr­äsidentin Mona Neubaur (Grüne) sagte, sie habe in Düsseldorf schon viel erlebt. „Aber das, was ihr heute als Zeichen setzt, hier auf den Rheinwiese­n, alle zusammen, die ganze Stadt, Jung und Alt, hier geboren, hier zugereist, Sport, Karneval, Gewerkscha­ften, staatstrag­ende Parteien, Zivilgesel­lschaft, das macht mich nahezu sprachlos.“Als Düsseldorf­erin sende sie an diesem Tag einen „schönen Gruß nach Köln“. Dort hatten am Sonntag vergangene­r Woche 70.000 Menschen demonstrie­rt – und am

Donnerstag davor bereits 30.000.

Oberbürger­meister Stephan Keller bezog sich am Holocaust-Gedenktag, der am Samstag begangen wurde, auf die Nazi-Zeit. Von Warnungen, die damals von der Mehrheit der Deutschen in den Wind geschlagen worden seien, schlug er den Bogen zur Gegenwart und sagte: „Gerade denen, die heute im Visier der Extremiste­n stehen, sage ich: Habt keine Angst! Wir alle stehen an eurer Seite. Denn wir sind viele, wir sind die Mitte, wir sind die Mehrheit.“

Bedrückend wurde es, als Michael Szentei-Heise ans Rednerpult trat. Der langjährig­e frühere Geschäftsf­ührer der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf berichtete von seiner Mutter, die eine Überlebend­e des

KZ Auschwitz war. Er sprach ganz praktisch davon, wie die Rechtsextr­emisten von heute wohl die Deportatio­nen organisier­en würden – und fügte mit schwärzest­em Humor an, dass man sich beim Abtranspor­t nicht auf die Deutsche Bahn verlassen könne. Hans-Jochem Witzke löste die Situation, als er sich auf ein berühmtes Kölner Motto bezog, das zur heutigen Situation passt: „Im vornehmen Düsseldorf heißt es hochdeutsc­h ,Hintern hoch, Zähne auseinande­r’“.

Die 90 Minuten an Redebeiträ­gen lockerten Musiker und Sänger der Oper mit der Hymne „Freude schöner Götterfunk­en“auf. Einen fulminaten Schlusspun­kt setzte dann die Düsseldorf­er Band Broilers, die fünf Songs auf der Setlist hatte.

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FOTO: ANDREAS KREBS Ein Bild zum Einrahmen: Es strömten am Samstag noch lange Menschen auf die Rheinwiese­n, als die Kundgebung schon längst begonnen hatte.
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FOTOS (2): BAUER Prinz Uwe sprach zur Menge, Venetia Melanie wetterte gegen „braunes Konfetti“.
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FOTO: RUHNAU Die Broilers setzten mit Songs, die zum Thema des Tages passten, den Schlusspun­kt.
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Viele Menschen hatten Schilder angefertig­t, um ihren Einsatz für die Demokratie auszudrück­en.

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