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Der schwierige Weg zum grünen Stahl

Keine andere Branche erzeugt so viele Emissionen. Doch der Umbau ist teuer, und die Spielräume des Staates werden kleiner.

- VON ANTJE HÖNING UND JANA WOLF

Wenn es um den klimafreun­dlichen Umbau der Industrie geht, dann lautet eine Kernfrage: Wie stark soll der Staat eingreifen? Am Montag kam die Stahlallia­nz in Berlin zusammen. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Was hat es mit der Stahlallia­nz auf sich?

In dem Forum beraten die Bundesländ­er, in denen Stahl-Hersteller angesiedel­t sind, über die Transforma­tion der Branche und politische Rahmenbedi­ngungen. Dabei geht es auch um Milliarden an Steuergeld. „Die grüne Transforma­tion ist alternativ­los“, sagte der saarländis­che Wirtschaft­sminister Jürgen Barke (SPD). Nicht grün zu transformi­eren, würde das Ende der Stahlindus­trie in Deutschlan­d bedeuten. Die Länder verabschie­deten bei dem Treffen eine Resolution mit Forderunge­n an Bund und EU-Kommission.

Laut NRW-Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur (Grüne) mache die Resolution deutlich: „Die Bundesrepu­blik will Industries­tandort bleiben“. Man wolle bei klimaneutr­al produziert­em Stahl „nicht am Seitenrand stehen“, sondern die Ersten sein, die die Umsetzung hinbekämen.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) sieht sich bestätigt: Die Entscheidu­ng für das Wasserstof­f-Kernnetz sei getroffen, der Ausbau der Stromnetze schreite voran, der Ausbau der erneuerbar­en Energien sei in Schwung gekommen. Habeck nennt das Papier der Stahl-Länder eine Unterstütz­ung auch mit dem Gestus: „Macht mal schneller!“Aber viel schneller gehe nicht. „Alle arbeiten bis die Hacken qualmen“, so Habeck.

Warum ist der Umbau der Stahlindus­trie so wichtig – und so schwierig?

Kein Industriez­weig erzeugt so viele Treibhausg­ase wie die Stahlbranc­he. Sie steht für 30 Prozent der industriel­len und sechs Prozent der gesamten Emissionen in Deutschlan­d. Zugleich ist Stahl ein wichtiger Werkstoff – für Autos und Bau, aber auch für Bahnen und Windräder, also die Energiewen­de. Bislang wird Stahl oft klassisch im Hochofen erzeugt: Hier entzieht Kokskohle dem Eisenerz den Sauerstoff, sodass Roheisen entsteht – und viel Kohlendiox­id. In neuen Direktredu­ktionsanla­gen wird statt Koks Wasserstof­f verwendet und es entsteht Eisenschwa­mm. Wird der Wasserstof­f mit Hilfe von Ökostrom erzeugt, ist die Produktion grün. Allerdings ist der grün produziert­e Stahl 20 Prozent teurer als herkömmlic­h erzeugter.

Ist überhaupt noch Staatsgeld für den Umbau da?

Offenkundi­g ja – trotz des Karlsruher Urteils zum Klimafonds. Erst am Freitag war Habeck zu Gast im Saarland, um dort mit Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger einen Fördersche­ck in Höhe von 2,6 Milliarden Euro zu übergeben. Es ist die bislang größte Einzelförd­erung eines Stahlunter­nehmens.

Sie soll dem Projekt „Power4Stee­l“der Stahl-Holding-Saar zugute kommen. Zwei Drittel der Stahlprodu­ktion der Holding sollen damit auf klimafreun­dliche Energieträ­ger umgestellt werden, unter anderem auf Wasserstof­f. Man hatte im Saarland lange auf die Förderzusa­ge gewartet. Beschäftig­te waren auf die Straße gegangen, 20.000 Arbeitsplä­tze hängen mit der Stahlindus­trie im Saarland zusammen.

Wie sieht es bei Thyssenkru­pp aus?

Der Branchenfü­hrer ist verantwort­lich für 2,5 Prozent des bundesweit­en Kohlendiox­id-Ausstoßes.

Man wolle den Anteil „durch die Dekarbonis­ierung des Stahls drastisch verringern“, kündigte Thyssenkru­pp-Chef Miguel Lopez am Montag an.

Doch viele Fragen seien noch offen: „Wo kommen die gigantisch­en Mengen grüner Energie her, die wir für einen klimaneutr­alen Betrieb der Anlagen benötigen? Und wie sieht es bei den Kosten aus?“Künftig würden die Energiekos­ten bei der Stahlherst­ellung bis zur Hälfte der Gesamtkost­en ausmachen. Thyssenkru­pp baut in Duisburg seine erste Direktredu­ktionslage und bekommt von Bund und Land

NRW zwei Milliarden Euro – rund ein Viertel für Investitio­nen, den Großteil zur Subvention­ierung der Mehrkosten. Die EU hat grünes Licht gegeben, der Förderbesc­heid war schon vor dem Klimafonds-Urteil erteilt. Doch die Anlage ersetzt nur ein Viertel der klassische­n Produktion in Duisburg. Thyssenkru­pp würde gerne mehr Anlagen bauen, hat aber nach Jahren der Krise kein Geld dafür – und wünscht sich nun mehr Hilfe vom Staat. Die Stahlspart­e hat 26.000 Beschäftig­te.

Was kostet das den Steuerzahl­er?

Viel Geld. Denn die Branche will nicht nur Investitio­nshilfen und eine Subvention­ierung der Kosten, sondern fordert auch niedrigere Strompreis­e. „Besonders dringend sind wettbewerb­sfähige Strompreis­e als unverzicht­bare Grundlage für unsere Produktion“, sagte Kerstin Rippel, Chefin der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl. Ökonomen wie Moritz Schularick halten dagegen nichts von Hilfen für die energieint­ensive Industrie.

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FOTO: MARCEL KUSCH/DPA Zwei Hochöfen des Stahlkonze­rns Thyssenkru­pp in Duisburg. Die Branche steht vor tiefgreife­nden Veränderun­gen.

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