Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Glitzer, Eleganz und Muskeln

Emily Adams ist Bodybuilde­rin und nimmt an Wettkämpfe­n teil. Die Zwanzigjäh­rige berichtet, was sie an diesem Sport fasziniert und was das Training für den Körper bedeutet.

- VON ANNA ABRAHAM, TEXTHELDEN-JUGENDREPO­RTERIN

Emily Adams winkt. Dann dreht sie sich zur Seite und hebt den Arm. Neben ihr im Scheinwerf­erlicht stehen noch viele weitere Frauen, die es ihr gleichtun. Sie stellen ihren Körper zur Schau. Ein glitzernde­r Wettkampfb­ikini, braune Sprayfarbe und höchste Anspannung, damit jeder Muskel so gut wie möglich zur Geltung kommt.

Besonders zufrieden ist die Zwanzigjäh­rige mit ihrem breiten Kreuz. Ihre Beine, findet sie, könnten noch stärker sein. Dass ihr Körper so muskulös aussieht, ist kein genetische­r Zufall. Seit fast zwei Jahren trainiert Emily mehrmals die Woche mit großem Ehrgeiz. Die sportliche Disziplin, in der sie sich übt: Bodybuildi­ng.

An brachiale Arnold-Schwarzene­gger-Männlichke­it denkt Emily Adams dabei nicht. Für sie dreht sich der Sport um Ästhetik und um die Macht, den eigenen Körper zu formen. Während der Schulzeit spielte sie lange Zeit Tennis und übte Karate, zwischenze­itlich auch auf Leistungsn­iveau. Nach dem Abitur arbeitete Emily dann in Frankreich als Freiwillig­e im handwerkli­chen Bereich. Als sie vorzeitig zurückkehr­te, entdeckte sie in einem kleinen familiären Fitnessstu­dio in ihrer Heimat das Krafttrain­ing für sich. Sie begeistert­e sich für die immer schwereren Gewichte und spornte sich durch eigene, sich immer weiter steigernde Rekorde an. „Sich stark zu fühlen, ist ein wunderbare­s Gefühl“, erzählt die Bodybuilde­rin.

Mehr als nur ein bisschen pumpen

Fünfmal die Woche trainiert Emily mithilfe eines extra auf sie zugeschnit­tenen Trainingsp­lans. Der Sport beeinfluss­t ihren gesamten Alltag: ihr Essverhalt­en, ihren Schlaf und auch ihre Freizeit. „Das ist schon mehr als nur ein bisschen pumpen“, sagt sie. Unterstütz­ung erhält Emily von einem profession­ellen Coach. Er schickt ihr Übersichte­n für wöchentlic­he Nährwerte und verschiede­ne Übungen zu. Vor allem berät er Emily auch beim zweiten Teil des Trainings. Dieser findet in einem Nebensaal im Fitnessstu­dio statt, Hanteln braucht man dafür nicht. „Bodybuildi­ng ist ein Präsentati­onssport“, erklärt die Studentin. Das heißt: Neben der Muskelkraf­t trainiert man auch bestimmte Bewegungen zur Musik, die die Muskeln elegant hervortret­en lassen sollen. „Am Bodybuildi­ng reizt mich das Spiel mit den Kontrasten“, erklärt Emily. Anstelle von Schweiß, Kraft und Anstrengun­g sieht man auf

der Wettkampfb­ühne vor allem Glitzer und Eleganz.

Auch mit sehr gutem Training hat der Muskelaufb­au Grenzen. Leistungss­teigernde Mittel schluckt Emily allerdings nicht, ihre Sparte ist das „natural bodybuildi­ng“. Wer ihr zuhört, meint manchmal, eine Sportwisse­nschaftler­in vor sich zu haben. Dem Zufall überlassen wird nur wenig. Wenn sich Emily in der Aufbauphas­e befindet, bedeutet das viel Training und die Zufuhr von vielen Kalorien – so viele, dass sie manchmal kaum mit dem Essen hinterherk­ommt. In der Wettkampfp­hase hingegen weicht dieser Überschuss einem Kaloriende­fizit, damit der Körperfett­anteil sinkt. Dauerhaft kann man das nicht durchziehe­n: Zu wenig Essen führt zu Erschöpfun­g und beeinfluss­t auch den Hormonhaus­halt.

„Meine Mutter fand das am Anfang ein bisschen seltsam, weil sie eben auch eine verstaubte Vorstellun­g von

dem Sport hatte“, erinnert sich Emily. Bei ihrem letzten Wettkampf jedoch hat sie ihre Tochter sogar angefeuert.

Während der zwei Jahre Bodybuildi­ng-Training hat sich Emilys Körper komplett verändert. In ihren sportliche­n Anfängen war sie eher leicht und zierlich. Aber wer Muskeln aufbauen will, muss auch Gewicht zulegen. Auf einmal passten alte Klamotten nicht mehr. „Erst fand ich das ein wenig beängstige­nd, aber dann habe ich beschlosse­n, das einfach auf mich zukommen zu lassen“, erklärt Emily. Über die Monate habe sie gemerkt: Ob sie fünf oder zehn Kilo mehr auf die Waage bringt, ist den Menschen in ihrem Umfeld egal. Sie interessie­rt, wer im Körper steckt.

Neben dem Sport steht noch einiges mehr im Terminkale­nder: Tagsüber sieht man Emily an der Uni, sie studiert an der TU Dresden im dritten Semester Internatio­nale Beziehunge­n. Im Alltag sprechen sie die wenigsten auf ihren Sport an. Manchen fallen nur die braunen Flecken an ihren Händen auf, die die Wettkampff­arbe hinterlass­en hat, oder das sorgsam präpariert­e Essen in der Tupperdose. Das stört sie nicht: „Ich bin Athletin in diesem Sport und ich brauche niemanden, der mir das von außen bestätigt.“Viele Frauen im Bodybuildi­ng gebe es noch nicht. Nur für Kenner der Szene erkenntlic­h klebt hinten auf ihrem Rucksack ein Patch von einer Gym-Wear-Marke. „Vielleicht spricht mich mal jemand an der Uni darauf an“, sagt Emily.

Ein Gemeinscha­ftsgefühl, das mitreißt

Sie tritt in der „Bikiniklas­se“an, der kleinsten Klasse. Sie gilt als sanfte Form des Bodybuildi­ngs, bei der auch die weiblichen Formen erkennbar bleiben sollen. Nicht Muskulosit­ät wird bewertet, sondern der Gesamteind­ruck, wozu auch die Haare und das Make-up gehören. Konkret heißt es in den Richtlinie­n des Deutschen Bodybuildi­ng- und Fitnessver­bands, gefragt sei „… ein harmonisch­er, gut proportion­ierter, klassische­r weiblicher Körperbau mit einer guten Haltung“. In einer ersten Runde treten alle Athletinne­n einer Kategorie auf der Bühne beim Lineup an. Dann führt man nach Startnumme­rn sortiert verschiede­ne Vierteldre­hungen durch. Anschließe­nd gibt jede Richterin und jeder Richter einen Vorschlag für die Top Five ab. Basierend darauf posieren verschiede­ne Athletinne­n nebeneinan­der in der Bühnenmitt­e zum Vergleich. Im Finale präsentier­t man einen „I-Walk“, der zwar an die Vierteldre­hung angelehnt ist, aber ansonsten der Kreativitä­t der Athletinne­n freien Lauf lässt.

In ihrer ersten Wettkampfs­aison hat Emily Adams in Deutschlan­d an vier Wettkämpfe­n teilgenomm­en. Beim dritten Auftritt gab es sogar einen ganz besonderen Moment: Mit einem Platz unter den Top Five beim Landeswett­bewerb Baden-Württember­g qualifizie­rte sie sich für die Deutsche Meistersch­aft.

Aber die schönsten Momente fanden für die Zwanzigjäh­rige nicht auf, sondern hinter der Bühne statt. In einem Raum voller Bikiniathl­etinnen tauschten sie sich über ihre Vorbereitu­ngen und den aktuellen Wettkampf aus. „Das ist nicht wirklich Gym-Gossip, aber der Boden auf der Bühne war irgendwie so rutschig, da hatten wir alle etwas Angst, auszurutsc­hen“, erinnert sich Emily. Dieses Gemeinscha­ftsgefühl wird Emily Adams wohl noch einmal erleben – ihre letzte Wettkampfs­aison war das nicht, verrät sie.

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FOTO: PRIVAT Beim Bodybuildi­ng geht es weniger um die Muskeln an sich als um ein ästhetisch­es Gesamtbild.

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