Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Die Bundesregierung hat eine neue Migrationspartnerschaft mit Marokko vereinbart. Allerdings nur mündlich, denn die bilaterale Zusammenarbeit bei der Zuwanderung gestaltet sich schwierig.
Auf Augenhöhe, vertrauensvoll, mit Rücksicht auf beiderseitige Interessen – das ist das Vokabular, das die Bundesregierung gerne wählt, wenn es um das schwierige Geschäft neuer Migrationsabkommen geht. Die Bundesregierung will abgelehnte Asylbewerber ohne Bleiberecht wieder in ihre Herkunftsländer zurückschicken, umgekehrt will sie gut ausgebildete Fach- und Arbeitskräfte nach Deutschland locken. Was aus deutscher Perspektive erstrebenswert sein mag, kann in den Herkunftsstaaten als westliche Überheblichkeit wahrgenommen werden. Das weiß man in der Bundesregierung genau. Es mündet oft in übervorsichtige Kommunikation.
Beobachten ließ sich das jüngst am Beispiel Marokkos. In der vergangen Woche ist die Bundesregierung eine Migrationspartnerschaft mit dem nordafrikanischen Land eingegangen. Nichts Schriftliches, nur eine mündliche Übereinkunft. Man habe vereinbaren können, „dass wir in gemeinsamen Arbeitsstrukturen irreguläre Migration reduzieren und legale Arbeitsmigration stärken“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Warum nur eine mündliche Vereinbarung? Man sei gemeinsam der Auffassung, „dass zum jetzigen Zeitpunkt Schriftlichkeit entbehrlich ist“, sagte der Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), am Montag. Entscheidend sei, dass es ein dauerhaftes Vertrauen und eine gute Arbeitsstruktur
gebe. Worin die besteht, lässt die Bundesregierung offen.
Es ist die Krux des Sonderbevollmächtigten: Unter Verweis auf diplomatische Vertraulichkeit gibt er kaum Details über Verhandlungen auch mit anderen Ländern bekannt, um sich mögliche Durchbrüche nicht zu verbauen. Dadurch wird Stamps Arbeit nach außen aber schwer greifbar, seine Verhandlungserfolge kaum nachvollziehbar. Dabei hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) selbst Druck aufgebaut, indem er eine Offensive mit Abschiebungen im großen Stil ankündigte. Zugleich ist der Bedarf an Fach- und Arbeitskräften in vielen Branchen eklatant. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den Sonderbevollmächtigten. Am 1. Februar ist Stamp ein Jahr im Amt. Er selbst zieht ein „durchaus positives Zwischenfazit“.
Mit Georgien hat die Bundesregierung Mitte Dezember ein Migrationsabkommen
geschlossen – das zweite dieser Art nach einer Vereinbarung mit Indien aus dem Dezember 2022, die bisher allerdings kaum Früchte trägt. Ein Abkommen mit Moldau werde „demnächst sicherlich folgen“, so Stamp. Mit Usbekistan und Kirgisien sei man in „sehr sehr guten Gesprächen“– zwei zentralasiatische Länder mit „großer geopolitischer Relevanz“, so der FDP-Politiker. Gespräche fänden auch mit Kenia und Kolumbien statt. Im Fall Kolumbiens nehmen die Asylanträge deutlich zu, die Anerkennungsquote ist allerdings gering. Nun will man dafür sorgen, dass mehr Kolumbianer durch reguläre Migration den Weg in den deutschen Arbeitsmarkt finden. Mehr Einblicke in den Stand seiner Verhandlungen gibt Stamp nicht.
Für die Opposition ist das ein gefundenes Fressen. „Der Beauftragte der Bundesregierung steht auf verlorenem Posten“, sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Man könne so eine Aufgabe nicht an einen Beamten mit einer Handvoll Mitarbeiter delegieren. „Bei diesem großen Thema ist die Außenministerin und bei bestimmten Ländern auch der Kanzler gefragt“, so Frei.
Rückendeckung bekommt Stamp dagegen von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Er spricht von einem „Paradigmenwechsel“, den die Bundesregierung mit der Anpassung der Asylbewerberleistungen, dem Rückführungsverbesserungsgesetz und der Aushandlung von Migrationsabkommen eingeleitet habe. Und der SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese teilte gegen die Union aus: „Leider mussten wir nach 16 Jahren unionsgeführtem Innenministerium beim Thema Migrationsabkommen fast bei null beginnen.“Doch die „Verhandlungen auf Augenhöhe“tragen Früchte, so der SPD-Fraktionsvize: Die Innenministerin und der Sonderbevollmächtigte würden „mit Hochdruck und sichtbaren Ergebnissen“daran arbeiten, bilaterale Migrationsabkommen in „beiderseitigem Interesse“abzuschließen. Augenhöhe, beiderseitiges Interesse – das Vokabular dürfte Faeser und Stamp bekannt vorkommen.