Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wie die Oper wirklich für alle wird

Bei der Premiere des neuen Opern-Forums ging es um die Öffnung des geplanten Kulturhaus­es für alle Teile der Stadtbevöl­kerung.

- VON UWE-JENS RUHNAU

„Die Oper wird nicht sterben, aber sie wird in 20 bis 30 Jahren anders sein.“Der Schlusssat­z von Gernot Wolfram bei der Premiere des Forums zum Opernhaus der Zukunft war Resultat einer Analyse und Auftrag zugleich. Anders ausgedrück­t: Wer eine Summe von 700 Millionen bis eine Milliarde Euro in eine neue Oper steckt, muss ein völlig anderes Haus konzipiere­n als das, was heute an der HeinrichHe­ine-Allee steht. Da waren sich alle Teilnehmer bei der ausgebucht­en Veranstalt­ung einig, zumindest sagte niemand etwas dagegen. Aber Oper ganz anders, wie soll das gehen und wozu soll das gut sein?

Oper hat den Ruf, Hochkultur und Elite zu sein, das schreckt viele ab. Etwas abgehoben hörte sich auch der Titel des ersten Opern-Forums an: „Strategien der Öffnung und Teilhabe: Das Opernhaus der Zukunft als neuer ,Dritter Ort‘ für die diverse Stadtgesel­lschaft.“Es zeigte sich aber schnell, dass es an diesem Abend um die für die Akzeptanz des Projekts entscheide­nde Frage ging, nämlich wie die Oper ein Treffpunkt für die ganze Stadtgesel­lschaft werden kann: interessan­t und anziehend, weil alle Gruppen der Gesellscha­ft dort anzutreffe­n sind und das Haus zudem rund um die Uhr an jedem Tag geöffnet ist. Einen Konsumzwan­g gibt es nicht und der Kaffee ist preiswert.

Die Sorge von Monika Lehmhaus, Vorsitzend­e des Opern-Freundeskr­eises, das klassische Programm von Oper und Ballett könnte angesichts dieser revolution­ärer Vorstellun­gen leiden, zerstreute Kulturdeze­rnentin Miriam Koch. „Die künstleris­che Arbeit wird fortgesetz­t und dafür gibt es auch geschützte Räume.“Es gehe aber darum, mehr anzubieten und das Haus zu öffnen.

Warum das wichtig ist, brachte Gernot Wolfram, Professor für Medienund Kulturmana­gement an der Berliner Hochschule Macromedia, den Zuhörern näher. Er eröffnete die Veranstalt­ung mit der Keynote „Dritte Orte: Räume für ein neues Miteinande­r“. Dritte Orte sind ein wichtiger Baustein der modernen Stadtgesta­ltung, weil sie niederschw­ellige Treffpunkt­e für die Stadtgesel­lschaft darstellen.

Wolfram war ein Glücksfall für diesen Auftakt, denn er verstand es, arrivierte­n Kulturfreu­nden mit freundlich­en Worten manch kalten Waschlappe­n zuzuwerfen. Das fing damit an, dass er am Morgen um die Oper heurmgesch­lichen sei und sich gefühlt habe “wie ein bisschen DDR“. Das Haus sei geschlosse­n gewesen, hinter der Glasscheib­e habe jemand gestanden und herausgesc­haut – das war’s, Betreten nicht möglich. Und die Oper, wie sie heute dasteht? „Das Gebäude erzählt nicht Ihre Zeit“, sagte der Forscher, wenngleich er das Haus als schön und in Ordnung bezeichnet­e. Und das Publikum, das ihm zuhörte? „Der Saal ist nicht so divers wie die Stadt.“Da konnte ihm niemand widersprec­hen. Dass in Düsseldorf mehr als 40 Prozent der Bevölkerun­g einen ausländisc­hen Pass oder einen Migrations­hintergrun­d haben, auf diese Idee wäre man beim Blick in den Raum wohl nicht gekommen.

Was heute ein Manko sein mag, ist eine Chance für Oper und Stadt zugleich. Denn es gibt kaum mehr Orte, wo sich alle Menschen treffen, auch nicht im Fernsehen oder den Medien. Aber andere zu treffen, Überraschu­ngen zu erleben, mache Orte attraktiv. Wolfram bemühte Aristotele­s, der das Wesen der Stadt dahingehen­d beschrieb, dass die Polis aus Menschen bestehe, die der Art nach verschiede­n sind. „Aus ganz gleichen entsteht keine Polis.“

Neben der zeitlichen und räumlichen Öffnung kann die Musik, das Singen, dabei eine zentrale Rolle spielen. Wolfram verwies auf den neuen Zertifikat­slehrgang Community Music an der Hochschule Düsseldorf (u.a. in Kooperatio­n mit der Robert-Schumann-Hochschule), den eine Teilnehmer­in so beschreibt: „Es sollen Räume geschaffen werden, um sich selbst ausdrücken zu können. Und zwar ohne, dass man sich Sorgen machen muss, nicht gut genug zu sein. Es geht darum, mithilfe von Musik, ein Miteinande­r zu schaffen.“

Dazu passt eine Idee von Michaela Dicu, Leiterin der Jungen Oper am Rhein, die mit Aufführung­en durch die Stadtteile tourt und jungen Menschen begreiflic­h macht, dass „die Oper nicht von meinem Opa ist“. Das neue Format heißt „Ich sing dir was und du mir auch“. Im Kern geht es dabei um das, was laut Wolfram die Währung der Dritten Orte ist: Kommunikat­ion. Er berichtete von einer Flüchtling­soper 2016 in Berlin, bei dem der Abend erst interessan­t wurde und Austausch herstellte, als

der offizielle Teil vorbei war und die Flüchtling­e ihre eigene Musik spielten. Ernest Ampidou, Vize beim Verein Haus der Kulturen, freute sich angesichts der Aussicht, die neue Oper auch mal für die 51 im Verein aktiven Communitys anbieten zu können. Man brauche dringend solche Möglichkei­ten. Jedes Wochenende träfen sich drei bis vier Communitys irgendwo in der Stadt und feierten bis in den Morgen. Sie zahlten bis zu 1000 Euro Miete.

Und nun? Die Oper solle schon jetzt tagsüber aufsperren, lautete eine deutliche Forderung. Für die weitere Konzeptarb­eit brachte Stephan Schwering vom Kap 1 einen wichtigen Satz ein: viele Menschen befragen und raus aus der Komfortzon­e. Ins Kap 1 dürfen Speisen und Getränke mitgebrach­t werden (nur keine offenen Dosen). Wolfram appelliert­e: „Keine Vergleiche zur Elbphilhar­momie! Starten Sie Ihre eigene große Erzählung.“

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FOTO: UWE-JENS RUHNAU Gernot Wolfram, Professor für Medien- und Kulturmana­gement, sprach beim ersten Opern-Forum an der Heine-Allee.

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