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Haussperli­ng auf dem absteigend­en Ast

Die „Stunde der Wintervöge­l“des Nabu ist die bundesweit größte wissenscha­ftliche Mitmachakt­ion. Im Rhein-Kreis zählten 456 Vogelfreun­de, was in Gärten und Parks herumflatt­erte. Über Ergebnisse und Trends.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Der Haussperli­ng ist bundesweit die in Parks und Gärten am häufigsten zu beobachten­de Vogelart. Das bestätigte die Aktion „Stunde der Wintervöge­l“des Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu), der am Donnerstag in Berlin die Endergebni­sse dieser wissenscha­ftlichen Mitmachakt­ion vorstellte. Im Rhein-Kreis Neuss aber rangiert der Spatz nur an dritter Stelle – mit deutlich weniger Sichtungen als vor einem Jahr. Muss man um den Bestand dieser Art fürchten?

20 Prozent weniger Sichtungen als vor einem Jahr sähen zwar zunächst bedenklich aus, sagt Nabu-Vogelexper­te Martin Rümmler, doch Sorgen um den Haussperli­ng macht er sich im Rhein-Kreis nicht. Der Wert liege im Schwankung­sbereich der vergangene­n Jahre, „der Bestand zeigt sich robust“, sagt er mit Blick in die Statistik. Die weist 989 Meldungen von Vogelfreun­den aus dem RheinKreis aus.

Vom 5. bis zum 7. Januar waren alle Naturliebh­aber aufgerufen, eine Stunde lang die Vogelwelt in Parks und Gärten zu beobachten, die Arten zu bestimmen und zu melden. Rund 130.000 Menschen folgten dem Aufruf des Nabu, das waren rund ein Drittel mehr als im Aktionszei­traum 2023. Entspreche­nd stieg auch die Zahl der Sichtungen. „Das Wetter hat am Zählwochen­ende mit frischem Schnee in weiten Teilen des Landes für ideale und geradezu romantisch­e Bedingunge­n fürs Vogelzähle­n gesorgt“, versucht Nabu-Bundesgesc­häftsführe­r Leif Miller eine Erklärung.

Aus dem Rhein-Kreis erreichten den Nabu Berichte von 456 Vogelbeoba­chtern. Das sei ein guter Wert, lobt Rümmler. Sie registrier­ten in 352 Gärten und Balkonen exakt 9957 Vögel. Das entspricht einem Schnitt von 28,2 Tieren pro „Zählstelle“und liegt unter dem bundesweit­en Mittelwert von 35.

An der Spitze der Sichtungen liegen Kohl- und Blaumeise mit 1302 beziehungs­weise 1078 Erwähnunge­n. Dazu trägt sicher bei, sagt Rümmler, dass diese Arten in Siedlungen häufig vertreten und

zudem recht eindeutig zu erkennen sind. Die Erfahrung zeige, fügt er hinzu, dass Beobachter, die sich in der Bestimmung nicht sicher sind, einen gesichtete­n Vogel eher nicht erwähnen.

Hinter dem Haussperli­ng rangiert die Amsel mit 769 Beobachtun­gen an vierter Stelle. Sie gehört eigentlich zu den Zugvögeln, doch in den zunehmend milderen Wintern ersparen sich etliche dieser Vögel den Reisestres­s. Es sei aber auch zu beobachten, dass die Amseln, die sich jetzt an Futterhäus­chen bedienen, aus (noch) kälteren Gegenden Nord- und Osteuropas eingereist sind. „Das sind nicht unbedingt die Vögel, die dann im Frühjahr bei uns brüten“, sagt Rümmler.

Auffällig aus heimischer Sicht

ist die Zunahme von Rabenvögel­n und Sittichart­en. Der lautstarke Halsbandsi­ttich etwa liegt mit 184 Nennungen im kreisweite­n Ranking schon auf Rang 15. „Das zeigt, dass die Population wächst“, sagt Rümmler. Noch würden die Sittiche nicht als invasive Art gelten, fügt er hinzu, „aber es ist auch noch nicht abzuschätz­en, ob sie ein ökologisch­es Problem werden“. Etwa weil sie anderen Nischenbrü­tern die Nistmöglic­hkeit streitig machen.

Ob das in unseren Breiten vergleichs­weise nasse Kalenderja­hr 2023 Auswirkung­en auf die Vogelpopul­ationen hatte, kann nach Rümmlers Darstellun­g aus den Sichtungen nicht herausgele­sen werden. Das werde sich im Frühjahr an Arten wie den Mauersegle­r

zeigen, sagt er.

Auffällig aus Sicht des Nabu war, dass sich Waldvogela­rten häufiger an den Futterstel­len zeigten. Die Tannenmeis­e wurde zwar nur zwei Mal im Kreis beobachtet, der Buntspecht 149 Mal (plus 13 Prozent) und der Eichelhähe­r sogar 155 Mal (plus 69 Prozent).

Die klirrende Kälte Anfang des Jahres in Ost- und Nordeuropa hat auch vermehrt Wintergäst­e wie den Birkenzeis­ig und den Seidenschw­anz in bundesdeut­sche Gärten vertrieben, doch bis in den RheinKreis drangen sie offenbar nicht vor. Anders liegt der Fall bei den Kranichen, die die eingeschne­ite norddeutsc­he Tiefebene verlassen haben. 54 Vögel dieser Art wurden im Kreis beobachtet.

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FOTO: DPA Die Kohlmeise ist im Rhein-Kreis besonders weit verbreitet. In 85,5 Prozent aller Gärten wurde sie in der „Stunde der Wintervöge­l“registrier­t.
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FOTO: NABU/S. HENNINGS Nabu-Vogelschut­zexperte Martin Rümmler bewertete auch das Ergebnis der Aktion „Stunde der Wintervöge­l“aus dem Rhein-Kreis.
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FOTO: NABU/S. HENNINGS Die Nabu-App hilft nicht nur beim Zählen und Beobachten in der „Stunde der Wintervöge­l“, sondern liefert auch Erläuterun­gen.
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FOTO: DPA Der Stieglitz gehört zu den Arten, die bei der Nabu-Aktion seltener registrier­t wurden. Die Zahl lag 30 Prozent unter der des Vorjahres.

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