Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Geschichte­n aus einem Schauspiel­erleben

Wolfgang Reinbacher enthüllte bei einem Soloabend launige Anekdoten über seine Erlebnisse aus 63 Jahren am Düsseldorf­er Theater.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF Geschichte­n aus dem Schauspiel­haus – wer könnte sie besser erzählen als Wolfgang Reinbacher? Seit sagenhafte­n 63 Jahren gehört der gebürtige Österreich­er zum Ensemble, abgesehen von einem kurzen Seitenspru­ng zum Prinzregen­tentheater in München. Die Geheimniss­e der Düsseldorf­er Bühne kennt er so gut wie kein anderer. Und da man weiß, wie unterhalts­am Reinbacher zu plaudern versteht, wie geschickt er Pausen und Pointen setzt, hatte der Freundeskr­eis des Schauspiel­hauses die Idee, den 85-Jährigen einzuladen.

Bei seiner Begrüßung im Foyer des Großen Hauses zitierte der Vorsitzend­e Michael Strahl leicht abgewandel­t Peter Handke: „Die Freundinne­n und Freunde des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses sind Menschen unserer Gesellscha­ft, die die Vergangenh­eit nicht vergessen haben, von der Zukunft immer etwas Positives erwarten und deshalb mit der Gegenwart mehr anzufangen wissen.“Reinbacher deutete an, er werde sich auf seine Anfangsjah­re beschränke­n und sich vor allem der Ära Stroux widmen. „Manches bleibt mein Geheimnis“, beugte er vor. Das habe nichts mit Eitelkeit zu tun. Ein Schauspiel­er sei dazu angehalten, sich selbst zurückzune­hmen, um seinen Figuren Raum zu geben.

Mit einem Dreijahres­vertrag kam der junge Schauspiel­er frisch vom Max-Reinhardt-Seminar am 1. August 1960 in Düsseldorf an. Dabei hätte er sein erstes Treffen in Wien mit Stroux fast versemmelt, weil er den mächtigen Intendante­n nicht erkannte. „Können Sie singen?“, wurde er gefragt. Seine Stärke war das nicht. Tapfer stimmte er das „Narrenlied“aus „Was ihr wollt“an. Eine Oktave zu hoch, kein Ton saß. Engagiert wurde „Wolfi“trotzdem und hatte trotz mancher Keckheiten das Wohlwollen des Generalint­endanten.

„Stroux kam kurz nach Gott“, sagt er, „als Regisseur war Stroux ein Vulkan, überborden­d. Alle schüchtert­e er ein, alle zitterten vor seinem Urteil.“Zufrieden war der Düsseldorf­er Novize anfangs nicht, ihn verlangte nach größeren Rollen. Die stellten sich dann auch zuverlässi­g ein, Jahr um Jahr.

Wann immer Reinbacher von seinem Stehpult aus über Begegnunge­n mit legendären Kollegen sprach, ging bei Namen wie Elisabeth Bergner, Martin Benrath, Edgar Walter oder O. E. Hasse ein Raunen durchs Publikum. Gustaf Gründgens hatte der Schauspiel­er im Theater nicht mehr erlebt, wohl aber sein Freund Günter Lüders. Einmal bat er Gründgens um Urlaub, um einen Film zu drehen. Der redete es ihm aus und schickte Lüders eine Notiz: „Die Düssel hat den Dussel wieder.“

Als Reinbacher nach einem schweren Unfall einmal im Krankenhau­s lag und Stroux widerstreb­end einsehen musste, dass er mit Kieferklam­mer unmöglich in der „Komödie der Irrungen“auftreten konnte, schickte er ihm das Textbuch zu „Tango“und bot ihm die Hauptrolle an. Niemand kannte den polnischen Autor Slawomir Mrozek. „Aber durch ihn öffnete sich erstmals ein kleiner Spalt Richtung Osten“,

erinnert sich der Schauspiel­er. Das Stück wurde zu einem Ereignis in ganz Europa.

Reinbacher­s launige Delikatess­en waren ganz nach dem Geschmack der Zuhörer. Ein hopplahopp anberaumte­s Gastspiel von „Iphigenie auf Taurus“in Bielefeld geriet beinahe zum Desaster. Man vergaß die Kostüme, Tischtüche­r mussten als Toga-Ersatz herhalten. Und keiner konnte sich an seinen Text erinnern, jeder blieb stur in der Nähe der Souffleuse. Und dann der große Bernhard Minetti, rücksichts­los und wenig beliebt. Stets beanspruch­te er die Mitte der Bühne für sich allein. Als er in „Julius Cäsar“erstochen wurde, sollte er zur Seite fallen und den Platz für Marc Antons Monolog freimachen. Minetti aber sank einfach senkrecht zu Boden und blieb liegen. Bis Wolfgang Arps als Marc Anton dieses Gebaren satthatte und die Leiche quer über die Bühne schleppte.

Auch Tragisches sparte Wolfgang Reinbacher nicht aus. Harry Meyen – Berliner Boulevards­tar – verheirate­t mit Romy Schneider, inszeniert­e in Düsseldorf den „Hauptmann von Köpenick“und war oft bei Wolfgang Reinbacher und seiner damaligen Frau Eva Böttcher zu Gast. Die Ehe mit Romy zerbrach, Meyen beging Selbstmord. „Wir spazierten im Grafenberg­er Wald gern Richtung Wildpark“, erzählte Reinbacher: „Bis heute bin ich nicht in der Lage, diesen Weg zu gehen.“

Er schilderte auch, wie emsig Karlheinz Stroux den Neubau des Schauspiel­hauses vorantrieb: „Uns waren die Dimensione­n zu groß, er aber bestand darauf und lehnte es vehement ab, einen Rang einbauen zu lassen.“Als die Ära Stroux 1972 endete, trat Uli Brecht als Intendant an und scheiterte wenig später. Da war das Ehepaar Reinbacher-Böttcher gerade mit „Woyzeck“auf Welttourne­e – bis Tasmanien, China und Kanada. Den Neuanfang machten sie dann unter Günther Beelitz, der den Düsseldorf­ern ihr Theater wieder nahebracht­e. Was an diesem Abend spürbar wurde: Wolfgang Reinbacher hat seine Geschichte­n noch lange nicht auserzählt.

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FOTO: SANDRA THEN/SCHAUSPIEL­HAUS In „Die Tage, die ich mit Gott verbrachte“spielte Wolfgang Reinbacher (l.) den Gott.

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