Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wiederholung, aus der wir Kraft schöpfen
An diesem Freitag ist Murmeltiertag! Was der Schattenwurf eines Pelztiers über das Wetter sagt und warum die ewige Wiederkehr des Gleichen nichts Schreckliches sein muss.
Jedes Jahr das Gleiche! Was für ein müder Auftakt, zugegeben. Aber wahr ist er trotzdem. Jedes Jahr Geburtstag, jedes Jahr Bahnstreik, (fast) jedes Jahr Bayern Deutscher Meister – und vor allem: jedes Jahr Murmeltiertag. Und aus diesem Grund werde ich weiterschreiben – wie jedes Jahr zum Murmeltiertag am 2. Februar, zum Fest dieses dicken Eichhörnchens, das weit früher als Jürgen Klinsmann aus dem Schwabenland in die USA importiert wurde, seit dem 19. Jahrhundert im Land der unbegrenzten Möglichkeiten als Wetterfrosch missbraucht wird und eigentlich der heidnische Ableger von Mariä Lichtmess ist.
So ungefähr geht die Geschichte im halsbrecherischen Schnelldurchlauf, die mit dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“an ihr vorläufiges Ende gekommen ist, genauer: in Punxsutawney, einem Nest in Pennsylvania. Dorthin verschlägt es im besagten Film den tollen Bill Murray als Reporter Phil (und leider auch Andie MacDowell als TV-Produzentin Rita), um wie jedes Jahr übers Murmeltierfest zu berichten. Dort nämlich soll der Nager Gewissheit darüber geben, ob es weitere sechs Wochen winterlich bleibt oder nicht. Das ist ein beschämend simples Schattenspiel,
ein analoger Blick ins Künftige: Wenn das fette Murmeltier nämlich einen Schatten wirft, bleibt’s vorerst kalt, streng nach der vom gemeinen Landvolk mutig gereimten Regel: „Ist‘s zu Lichtmess klar und hell, kommt der Frühling nicht so schnell.“
Wer nun den Film aus dem vergangenen Jahrhundert (tatsächlich 1993) nicht gesehen hat, nur dies als Pointe: Phil wird in einer endlos scheinenden Zeitschleife als Einziger diesen Tag immer und immer wieder erleben, durchstehen, meistern, und diesen 2. Februar gegen Ende sogar genießen. Das ist erst witzig, dann bedenklich, schließlich lehrreich.
Denn: In der Wiederholung liegt die Kraft. Klar, wir alle optimieren uns praktisch sekündlich, leben dynamisch, offensiv, zukunftsorientiert. Jeder Stillstand ist für uns in Wahrheit Rückschritt. Und doch ist es am Ende auch die Wiederholung, aus der wir Kraft schöpfen, in der wir zur Besinnung kommen. Beim dänischen Philosophen Sören Kierkegaard kann man sich dazu eine feine Idee klauen. Dass in der Wiederholung auch ein Moment der Erlösung steckt und sie wesentlich für die menschliche Existenz ist: als ein bewusstes menschliches Handeln.
Und jetzt wieder ohne Kierkegaard: Aus der Wiederholung schöpfen wir die Gewissheit, dass etwas so ist, weil es immer schon so war. Wiederholung gewährt Sicherheit. Ohne Wiederholung lernen wir nicht lesen, nicht schreiben, nicht musizieren. Ohne Wiederholung lernen wir nichts für die Zukunft. Auch das ist eine Botschaft von Phil, dem Reporter, und Phil, dem Murmeltier. Und wer bis hierhin durchgehalten hat: Danke fürs Wiederlesen!
Lothar Schröder