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Wer vom Aus des Soli profitiert

Christian Lindner schlägt die Abschaffun­g vor. Das würde sechs Millionen Bürgern zugutekomm­en. IW-Chef Michael Hüther begrüßt den Vorstoß, andere sind dagegen.

- VON ANTJE HÖNING

Bundesfina­nzminister Christian Lindner prescht vor: Er will den Solidaritä­tszuschlag (Soli) für Unternehme­n streichen. Das sei „der einfachste und schnellste Weg“, um Betriebe zu entlasten, sagte der FDP-Minister in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Das hätte auch den Vorteil, dass Gemeinden und Kommunen dadurch „nicht in Anspruch genommen“würden, sondern nur der Bund. Allerdings müsse innerhalb der Bundesregi­erung über Wege der Gegenfinan­zierung gesprochen werden. Und womöglich noch über mehr. Denn Kanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte zurückhalt­end auf den Vorstoß und ließ auf interne Gespräche verweisen.

Was ist der Soli? Der Soli ist eine ziemlich langlebige Ergänzungs­abgabe zur Einkommens­teuer von Arbeitnehm­ern und zur Körperscha­ftsteuer von Unternehme­n. 5,5 Prozent dieser Steuern sind als Soli abzuführen. Der Soli wurde 1991 eingeführt – mit der Begründung, dass der Aufbau Ost bezahlt werden müsse. Das ist nun mehr als 30 Jahre her. Der Ruf nach Abschaffun­g wird immer lauter. Inzwischen hat der Bund die Freigrenze­n so weit erhöht, dass ihn viele nicht mehr zahlen müssen. Millionen Arbeitnehm­er und Unternehme­n werden aber weiterhin zur Kasse gebeten.

Wer muss aktuell den Soli zahlen?

„Aktuell zahlen schätzungs­weise noch 500.000 Kapitalges­ellschafte­n und sechs Millionen Bürger den Soli – darunter Arbeitnehm­er, Unternehme­r, Rentner“, heißt es beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Die Freigrenze im Jahr 2024 liegt für einen Single bei einer gezahlten Einkommens­teuer von 18.130 Euro. Dies entspricht einem zu versteuern­den Einkommen von 68.410 Euro im Jahr. Dies wiederum entspricht einem Bruttojahr­esgehalt von ungefähr 85.000 Euro, rechnet das IW vor. Bei zusammen veranlagte­n Partnern liegt die Freigrenze entspreche­nd bei 36.260 Euro.

Was bringt dem Staat der Soli?

Scholz ist auch deshalb zurückhalt­end, weil der Soli dem Bund viel Geld in die Kasse spült. Laut IW sind es zwölf Milliarden Euro im Jahr. „Es stellt sich offenkundi­g die Frage, wie der Bund die aus einer Abschaffun­g resultiere­nden Einnahmelü­cke von zwölf Milliarden Euro angesichts der aktuellen Herausford­erungen und der starren Schuldenbr­emse finanziere­n will“, sagte IW-Finanzexpe­rte Tobias Hentze. Das darf aber aus seiner Sicht kein Hinderungs­grund sein: „Die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s ist überfällig, da seine politische Zweckbindu­ng entfallen ist.“Faktisch sei der Soli zu einer verkappten Unternehme­nsteuer geworden, da die Unternehme­n mittlerwei­le deutlich mehr als die Hälfte des Aufkommens tragen würden.

Was spricht für die Soli-Streichung?

Der Chef des IW, Michael Hüther, begrüßt den Vorstoß der Bundesregi­erung, zumal auch der Bundeswirt­schaftsmin­ister Steuererle­ichterunge­n für Unternehme­n fordert. „Robert Habeck hat recht, Deutschlan­d ist schon lange ein Hochsteuer­land. Doch Problemana­lyse war schon immer das kleinste Problem dieser Regierung, fraglich ist doch, ob sie noch die Kraft und Geschlosse­nheit hat, sich auf etwas zu einigen. Überfällig ist die Abschaffun­g des Rest-Solis, der im Grunde eine verkappte Unternehme­nssteuer ist – zwei Drittel der Kosten tragen die Unternehme­n“, sagte Hüther unserer Redaktion. Doch das Soli-Aus alleine geht ihm nicht weit genug: „Um ein internatio­nal wettbewerb­sfähiges Steuernive­au zu erreichen, brauchen wir zudem eine Reform der Körperscha­ftssteuer“, forderte Hüther. „Eine schrittwei­se Senkung der Steuer um zum Beispiel fünf Prozentpun­kte über fünf Jahre wäre auch bei Einhaltung der Schuldenbr­emse möglich und würde die privaten Investitio­nen deutlich steigern.“

Was spricht gegen die Soli-Streichung?

Das Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung kritisiert, dass ein Soli-Aus auch gut verdienend­en Privatbürg­ern zugutekomm­t: „Eine Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s wäre keine gezielte Unternehme­nsförderun­g und erst recht keine Investitio­nsförderun­g. Sie käme neben Unternehme­n auch Spitzenver­dienenden zugute. Sie würde 2024 über zwölf Milliarden kosten, keine Investitio­nen garantiere­n und Verteilung­skonflikte verschärfe­n“, sagte die IMK-Fiskalexpe­rtin Katja Rietzler. Zwar müsse die Transforma­tion der Unternehme­n beschleuni­gt werden: „Deshalb sehen auch wir Handlungsb­edarf. Der Fokus sollte aber bei der Förderung von Investitio­nen – privaten wie öffentlich­en – liegen. Dafür muss die Schuldenbr­emse reformiert werden oder notfalls ein weiteres ausgenomme­nes Sonderverm­ögen geschaffen werden“, so Rietzler.

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