Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Hilfe für kuschelige und stachelige Tiere

600 Igel hat der Tierschutz­verein Meerbusch im vergangene­n Jahr aufgepäppe­lt. Die Vorsitzend­e, Jessica Mertens, versorgt zurzeit 18.

- VON SUSANNE GENATH

Zutraulich lässt sich der kleine Igel von Jessica Mertens aus seiner Box auf den Arm nehmen. „Das ist Olaf“, sagt die Vorsitzend­e des Meerbusche­r Tierschutz­vereins. „Er ist etwa zwei Jahre alt und hat leider eine Lungenentz­ündung.“Die Behandlung erfolge wie bei Menschen, mit Antibiotik­um, Schleimlös­er und Inhalation. „Seit zwei Wochen ist er auf dem Weg der Besserung.“

Olaf ist einer von 18 Igeln, die zurzeit bei der 26-Jährigen in Osterath leben. „Die Tiere kommen verhungert und erschöpft zu uns“, berichtet sie. „Die meisten sind schwer verletzt durch Hundebisse oder Mähroboter – oder durch zu schmale Gitterzäun­e, durch die sie hindurch wollten.“Teilweise müssten die Hinterbein­e amputiert werden.

Auf dem Speiseplan von Igeln stehen vor allem Spinnen, Asseln und Raupen. „Weil es aber immer weniger Insekten gibt, essen sie mittlerwei­le auch Obst und Schnecken“, berichtet Mertens. Die Folge: Die Tiere bekämen Darm- und Lungenwürm­er. „Schnecken sind Überträger von Parasiten.“

Um 600 Igel habe sich der Verein im vergangene­n Jahr gekümmert. „Sie werden uns aus Meerbusch, aber auch aus Dormagen und sogar Leverkusen gebracht. Die Leute finden Igelnester mit Babys zum Teil unter Europalett­en im Garten.“Wenn die Igelmutter nicht mehr auftauche, kämen die Jungen zum Tierschutz­verein. „Wir müssen sie dann rund um die Uhr füttern und nachts alle zwei Stunden aufstehen, um Fläschchen zu geben. Das ist die Zeit, wo wir tiefe Augenrände­r haben.“Wenn die Tiere aufgepäppe­lt seien, gehe es an die Wiederausw­ilderung. „Es gibt zum Glück

noch Leute mit naturnahen Gärten in Meerbusch, die bereit sind, die Tiere aufzunehme­n.“

Normalerwe­ise könnten Igel bis zu zehn Jahre alt werden. „Durch die schlechten Umweltbedi­ngungen werden sie aber nur noch höchstens ein bis zwei Jahre alt“, berichtet Mertens. „Die meisten sterben schon im Säuglingsa­lter.“

Der Verein kümmert sich allerdings nicht nur um Igel. Bei Jessica Mertens leben auch noch drei Katzen und vier Hunde. Drei der Vierbeiner

seien eigentlich nur Pflegetier­e. „Wir suchen händeringe­nd Pflegestel­len“, sagt die 26-Jährige. „Für Hunde bekommt man fast immer jemanden, aber Katzen unterzubri­ngen, ist schwierig.“

Den Aufenthalt in einem Tierheim versuche man zu vermeiden. Aber der Verein arbeite mit der Tierschutz­station in der Nähe des Johanna-Etienne-Krankenhau­ses in Neuss zusammen. „Das ist eine Schreberga­rtenanlage, in die wir schon Hühner, Tauben und Kaninchen

vermittelt haben.“

Immer wieder würden dem Verein erschöpfte Biertauben gemeldet. „Manche Züchter holen sie wieder ab, anderen ist es egal.“Manchen sei auch einfach der Weg aus Frankreich, Belgien oder den Niederland­en zu weit, um ihr Tier zurückzuho­len.

175 Mitglieder zählt der Verein. Jessica Mertens, die als Sachbearbe­iterin bei der Post tätig ist, kam zufällig hinzu. „Meine Eltern haben einen eigenen Verein, über

den sie sich um Kröten in Osterath und Kaarst kümmern.“Sie habe bei verschiede­nen Sammelakti­onen geholfen und dabei eine Helferin kennengele­rnt, die Igel rettete. „Vor vier Jahren habe ich dann mit Igel gesammelt und bin nun offizielle Igelpflege­stelle.“

Finanziell muss sich der Verein oft strecken. „Wir finanziere­n uns über Spenden und Erbschafte­n“, berichtet die Vorsitzend­e. Doch die Spendenber­eitschaft gehe zurück. „Und die Tierarztko­sten werden immer teurer.“Darüber hinaus stelle der Verein den Personen, die Tiere zur Pflege aufnehmen, Medikament­e, Futter und Verbrauchs­material. „Wir sind immer auf der Suche nach alten Zeitungen, weil wir damit die Igelkisten auslegen.“

Manchmal kommen auch ungewöhnli­che Einsätze hinzu. „Letztes Jahr wurde eine Entenmama mit ihren Küken vom Schützenfe­st aufgeschre­ckt.“Die Tiere wurden eingefange­n und an einem ruhigeren Ort wieder ausgesetzt. Auch Kanadagäns­en habe man schon geholfen. „Sie waren in Büderich mit ihren Babys gestrandet.“Die Jungtiere seien noch nicht groß genug gewesen. „Kein Notfall ist wie der andere“, sagt Mertens.

 ?? Foto: Susanne Genath ?? Jessica Mertens vom Tierschutz­verein Meerbusch mit den Mischlings­hunden Nico (17, klein) und Benny (ca. 12) sowie Igel Olaf (2 Jahre).
Foto: Susanne Genath Jessica Mertens vom Tierschutz­verein Meerbusch mit den Mischlings­hunden Nico (17, klein) und Benny (ca. 12) sowie Igel Olaf (2 Jahre).

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