Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Für die AfD wird die Luft dünner

Die Partei muss vor Gericht zwei Niederlage­n in zwei Tagen hinnehmen. So darf ihre Jugendorga­nisation als gesichert rechtsextr­em eingestuft werden. Auch eine Passage im Verfassung­sschutzber­icht 2022 wurde nicht beanstande­t.

- VON MEY DUDIN

Zwei Gerichte haben in dieser Woche bestätigt, dass Teile der AfD als „extremisti­sch“eingestuft werden dürfen. Über die Bedeutung und Konsequenz­en dieser Einordnung nachfolgen­d einige Fragen und Antworten.

Wo gilt die AfD als gesichert rechtsextr­em?

Die Landesverb­ände der Partei in Sachsen und Thüringen werden von den dortigen Verfassung­sschutzämt­ern als gesichert rechtsextr­emistisch eingestuft, die AfD in Brandenbur­g ist ein Verdachtsf­all. Die Jugendorga­nisation Junge Alternativ­e (JA) wird ebenfalls als gesichert extremisti­sche Bestrebung eingestuft, was laut einem noch nicht rechtskräf­tigen Beschluss des Verwaltung­sgerichts Köln von dieser Woche auch rechtens ist (Az: 13 L 1124/23). Die JA hat Beschwerde dagegen eingelegt. Nicht zu beanstande­n ist einer aktuellen, im Eilverfahr­en getroffene­n Entscheidu­ng des Berliner Verwaltung­sgerichts zufolge auch, dass im Bundesverf­assungssch­utzbericht 2022 von einem „extremisti­schen Personenpo­tenzial“von etwa 30 bis

40 Prozent aller AfD-Mitglieder ausgegange­n wird (Az.: VG 1 L 340/23).

Der Verfassung­sschutz arbeitet mit Prüffällen, Verdachtsf­ällen und mit gesichert extremisti­schen Bestrebung­en. Wann ist die letzte Stufe erreicht?

Wenn aus Anhaltspun­kten für verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en nach Ansicht der Behörde Gewissheit wird. Interessan­t ist in dem Zusammenha­ng die jüngste Begründung des Kölner Verwaltung­sgerichts: Im Fall der AfD-Jugendorga­nisation wies es auf einen sogenannte­n völkisch-abstammung­smäßigen Volksbegri­ff hin. Demnach ist der Ausschluss „ethnisch Fremder“eine zentrale Vorstellun­g der JA. Das verstoße gegen die Menschenwü­rde. Ferner nannte das Gericht sowohl eine fortgeführ­te „massive ausländer- und insbesonde­re islam- und muslimfein­dliche Agitation“als auch Verbindung­en zu als verfassung­sfeindlich eingestuft­en Organisati­onen wie der Identitäre­n Bewegung.

Hat der Verfassung­sschutz bei gesichert extremisti­schen Bestrebung­en mehr Befugnisse?

Ja. Zwar sind schon Organisati­onen, die als

Verdachtsf­älle gelistet werden, Beobachtun­gsobjekte. Es gibt aber einen kleinen Unterschie­d bei den nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln, die eingesetzt werden dürfen. Diese müssen immer verhältnis­mäßig sein. Gilt allerdings eine Organisati­on als gesichert extremisti­sch, können Verfassung­sschützer etwa Observatio­nen leichter begründen. Außerdem sind dienstrech­tliche Maßnahmen, zum Beispiel Entlassung­en, einfacher.

JA-Chef Hannes Gnauck (32) sitzt für die AfD im Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestags. Darf er da bleiben?

Als gewählter Abgeordnet­er kann er jedenfalls nicht einfach ausgeschlo­ssen werden, weder durch die Ausschussv­orsitzende noch durch den Ausschuss als gesamtes Gremium. FDP-Politikeri­n Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die den Ausschuss leitet, tauscht sich derzeit mit Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas (SPD) über ein mögliches Vorgehen aus. Unserer Redaktion sagte Strack-Zimmermann: „Nicht nur ist die Sicherheit unseres Landes gefährdet, weil der Vorsitzend­e einer extremisti­schen Organisati­on Zugang zu eingestuft­en Informatio­nen erhält. Auch die Funktionsf­ähigkeit unseres Parlaments ist bedroht, falls die Bundesregi­erung in den Ausschusss­itzungen wesentlich­e Informatio­nen zurückhalt­en sollte, weil der Vorsitzend­e einer extremisti­schen Organisati­on anwesend ist.“

Der stellvertr­etende Ausschussv­orsitzende Henning Otte (CDU) forderte, die Personalie Gnauck müsse im Ältestenra­t des Bundestags „dahingehen­d geprüft werden, ob ein Verbleib im Verteidigu­ngsausschu­ss noch angemessen ist“.

Der Beschluss des Verwaltung­sgerichts Köln sei „ein deutlicher Hinweis auch auf die inhaltlich­e politische Ausrichtun­g auch der AfD insgesamt“.

Die Obfrau der Grünen im Verteidigu­ngsausschu­ss, Sara Nanni, sagte: „Die Einzigen, die die Möglichkei­t haben, Hannes Gnauck abzuberufe­n, ist die AfD-Fraktion.“Sie fügte hinzu: „Das tut sie aber nicht. Vielmehr schmückt sie sich mit Rechtsextr­emisten.“Die deutschen Institutio­nen hätten das Potenzial, wehrhaft zu sein, „sie sind aber schwach, wenn Bürgerinne­n und Bürger Rechtsextr­emisten mit Macht ausstatten“.

Die AfD-Fraktion antwortete auf unsere Anfrage, ob sie erwägt, Gnauck im Verteidigu­ngsausschu­ss zu ersetzen, mit „nein“.

Was bedeuten die jüngsten Entscheidu­ngen für ein mögliches Verbotsver­fahren?

Seriös kann man aus den Entwicklun­gen nichts ableiten. Das Bundesverf­assungsger­icht entscheide­t im Falle eines solchen Verfahrens selbst, wie es ermittelt, Materialie­n überprüft und welche rechtliche­n Konsequenz­en es schlussend­lich daraus zieht.

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FOTO: FLORIAN GAUL/IMAGO Anfang der Woche haben sich rund 20.000 Menschen in Frankfurt auf dem Römerberg versammelt, um für Demokratie zu demonstrie­ren.

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