Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wo Meerbusch beim Insektenschutz steht
Die Stadt hat schon vor Jahren begonnen, den Lebensraum von Insekten zu schützen und ist damit manch anderer Kommune voraus.
Aktuell ist es recht still in den Gärten, das große Schwirren der Insekten wird erst wieder im Frühjahr Fahrt aufnehmen. Bienen, Fliegen und anderen Insekten überwintern derzeit – im Totholz, im Boden oder in menschgemachten Vorrichtungen. Doch ihre Zahl hat in den vergangenen Jahren stark nachgelassen – seit einer international anerkannten Studie von Forschern aus Krefeld im Jahr 2017 ist das Thema Insektensterben in aller Munde. Auch in Meerbusch wird viel dafür getan, die Lebensräume für diese Tiere zu erhalten – und damit langfristig auch die Lebensgrundlage der Menschen.
Kreisweit ist das Aktionsbündnis Insektenschutz aktiv. Unterstützung kommt vom Büro Kessler und Co. sowie dessen Geschäftsführer Helmut Kessler. Dieser gab vor dem Ausschuss für Klima, Umwelt und Bau jetzt eine Übersicht über die Maßnahmen, die in Meerbusch bereits getroffen wurden.
Tatsächlich war die Stadt schon sehr früh – noch vor der aufsehenerregenden Krefeld-Studie – aktiv geworden. Bereits 2015 wurde ein Wildwiesenprogramm begonnen. Seit 2019 werden die Bemühungen im Aktionsbündnis mit anderen Kommunen gebündelt.
Gründe für das Insektensterben sind unter anderem der landschaftliche Strukturwandel, der Nährstoffeintrag in die Landschaft, etwa durch die früher kaum gebremste Nutzung bestimmter Pflanzenschutz- und Düngemittel, die heute nicht mehr angewendet werden. „Die Faktoren sind menschengemacht“, betont Kessler. Die moderne Landschaft mit Agrarflächen und Städten mit hohen Versiegelungsanteilen lasse wenig Lebensraum übrig für Arten, die keine Kulturfolger seien. Auch Dürresommer in Folge des Klimawandels würde die Populationen vieler Insekten gefährden.
Der richtige Ansatz, so Helmut Kessler, sei ein integrativer: Klimaschutz, Biodiversität und Bauen und Wohnen für Menschen müsse zusammen gedacht und umgesetzt werden. „Naturschutz findet nicht nur in den Schutzgebieten statt“, so der Fachmann. Auf Nachfrage betonte er, dass es sich nicht um einen Wettbewerb zwischen den Kommunen des Rhein-Kreis Neuss handle, wer mehr Quadratmeter
für den Insektenschutz umwidmen können. Stattdessen sollten die einzelnen Mitglieder des Aktionsbündnisses gemeinsam nach Methoden suchen.
„Dabei kommen aus Meerbusch einige positive Beispiele, an denen sich andere Kommunen ein Vorbild nehmen können“, so Kessler. So wurde im vergangenen Jahr beschlossen und begonnen, nicht mehr genutzte Wirtschaftswege Stück für Stück zu renaturieren, damit sich dort wieder ein gesundes Ökosystem entwickeln kann. „Hier ist die Gemeinde Rommerskirchen dem Meerbuscher Vorbild gefolgt“, berichtet Kessler.
Ebenfalls das Lob des Experten finden die Schaugärten, die Meerbusch auch in den urbanen Stadtteilen eingerichtet hat. Hier werden mitten in der Stadt kleine Biotope mit einer Vielzahl von Lebensräumen – Erdhöhlen, Totholz und verschiedene Pflanzengemeinschaften – geschaffen. Diese sind bewusst
auch als Inspiration für die Bürger gedacht, die sich ein Beispiel für eine artenreiche und insektenfreundliche Gestaltung des eigenen Gartens nehmen können. Dabei sind die Schaugärten jedoch mehr als purer Wildwuchs, sondern bewusst strukturreich angelegt und gärtnerisch gestaltet. „Der Öffentlichkeit zu vermitteln, wie Lebensraum für Insekten auch auf kleiner Fläche geschaffen werden kann, ist ein wichtiger Schritt“, so Kessler.
In der Praxis sehe es teilweise anders aus: „Manchmal werden Wildwiesen von Bürgern kritisiert: ‚Soll hier ein Dschungel wachsen?`“Auch gegenüber solchen Aussagen ist es wichtig, dass die Stadt an ihren Entschlüssen, sich für die urbane Artenvielfalt einzusetzen, festhält und für Verständnis in der Bevölkerung wirbt“, sagt Kessler.
Gute Beispiele in Meerbusch seien etwa der Ökomarkt oder die Aktion „Vorgarten des Jahres“, bei dem struktur- und artenreichen Gärten gegenüber fein-säuberlichen vorgezogen werden.
Kritisch sieht der Fachmann die Blühstreifen-Aktion, in der Meerbuscher Landwirte seit Jahren Teile ihrer Felder gegen einen Kostenbeitrag nicht bewirtschaften, um dort Wildwiesen anpflanzen zu lassen. „So etwas ergibt nur nachhaltig Sinn, wenn diese Strukturen über mehrere Jahre hinweg an der selben Stelle angeboten werden. Wenn im Winter alles wieder untergegraben wird, ist es nicht mehr als eine Sommershow“, so Kessler. Zwar wären im Sommer Insekten in den Blühstreifen unterwegs, sinnvolle Lebensräume müssen jedoch über mehrere Jahre Bestand haben.
In den vergangenen fünf Jahren, in denen das Aktionsbündnis Insektenschutz arbeitet, wurden in Meerbusch 64.000 Quadratmeter Fläche umgestaltet – kreisweit sind es mehr als 1,8 Millionen Quadratmeter. Wichtig sei laut Kesser jetzt auch das Monitoring – es müsse geschaut werden, ob die Insekten die ihnen angebotenen Lebensräume auch annehmen. Zugleich werde nicht im Detail untersucht, was auf den einzelnen Flächen passiere, auf denen in den Insektenschutz investiert wurde. „Es ist auch schwierig, eine Biene oder einer Florfliege einen monetären Wert zuzuweisen, also zu berechnen, wie viele Insekten wir für pro in den Artenschutz investierten Euro bekommen.
Als Anregung für Meerbusch nannte der Experte Benjeshecken. Dabei handelt es sich um Hecken beziehungsweise Zäune, die aus aufgeschüttetem und von Pfählen an Ort und Stelle gehaltenem Totholz bestehen. So ginge nicht nur das
Holz im natürlichen Kreislauf auf, diese Hecken seien auch ein sehr wertvoller Lebensraum. Die Stadt hat solche Benjeshecken bereits teilweise in die Schaugärten integriert.
Helmut Kessler betont, wie wichtig diese Anstrengungen für mehr Lebensraum für Insekten sind. Denn die Gattung der Arthropoden oder Gliederfüßer, von denen die Insekten ein wesentlicher Bestandteil sind, macht weltweit rund die Hälfte der tierischen Biomasse aus. Von zwei Gigatonnen Kohlenstoff, die das tierische Leben auf der Erde bilden, entfällt eine auf die Arthropoden. Zum Vergleich: Die Menschen nehmen 0,06 Gigatonnen ein, Nutztiere 0,1 und wildlebende Säugetiere nur 0,007 Gigatonnen.
Zudem sind Insekten als Bestäuber ganz entscheidend an der Ausbreitung und dem Wachstum von Pflanzen beteiligt. Das gilt auch für viele Nutzpflanzen, von denen der Mensch abhängig ist. „Insekten sind systemrelevant, und wir erleben mit dem Insektensterben gerade, wie uns der Boden wegbricht“, so die mahnenden Worte von Helmut Kessler an die Meerbuscher Verwaltung und Politik. Der Experte hofft, dass auch hier die Bemühungen, Lebensraum für Insekten zu schaffen, in Zukunft fortgesetzt und ausgebaut werden.
„Wenn Blühstreifen im Winter umgegraben werden, ist es nur eine Sommershow“Helmut Kessler, Ökologe