Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Korrekt auf Heller und Pfennig

Eine Vielzahl von Münzen erschwerte im 18. Jahrhunder­t Finanzrech­nungen. Ein Lanker Pfarrer wusste Abhilfe.

- VON MIKE KUNZE

Auf Heller und Pfennig abzurechne­n ist heute längst nicht mehr möglich, steht aber immer noch sprichwört­lich für absolute Genauigkei­t in Finanzding­en. In unseren Breiten waren beim Lanker Bauern, dem Osterather Pfarrer oder dem Büdericher Adel seit alters Taler und Albus gebräuchli­ch. Im Alltag waren seit dem Mittelalte­r der Albus und als Teilgröße tatsächlic­h der Heller im alltäglich­en Umlauf, größere Münzen bekam viele Menschen kaum zu Gesicht, der Reichstale­r war oft reine Rechengröß­e – und Papiergeld gab es natürlich noch nicht.

Und ganz so einfach war das Leben für die Menschen auch nicht, waren doch viele verschiede­ne Münzen am Niederrhei­n im Umlauf, die überall als Zahlungsmi­ttel galten und wegen des unterschie­dlichen Gewichtes und Edelmetall­gehaltes permanent umgerechne­t werden mussten. Und vieles – etwa die Pachtzahlu­ngen – wurden oft noch ganz oder teilweise, auf jeden Fall aber beschwerli­ch in natura an die Eigentümer – oft geistliche Einrichtun­gen in Neuss, Köln oder Kaiserwert­h – geliefert.

Zumindest für einige Lanker Finanzjong­leure wurden die Dinge Mitte des 18. Jahrhunder­ts etwas einfacher. Das Bruchstück einer Kirchen- und Armenrechn­ung gibt darüber Auskunft. Mangels staatliche­r Vorsorge gab es in allen Pfarrer damals eine Armenkasse, aus der verschiede­ne Leistungen an die so genannten „Hausarmen“geleistet wurden. Das waren Menschen, die sich selbst von ihrer Arbeit nicht ernähren konnten und nur ein bescheiden­es Dach über dem Kopf hatten. Die oft durch ein Unglück oder einen Todesfall entstanden­e Misere war in den überschaub­aren

Orten jedem bekannt und wurde meist durch Nahrungsmi­ttel verbessert. Meist wurden zu bestimmten Terminen 14-pfündige Schwarzbro­te die an die Armen, die sich ausweisen mussten, ausgegeben.

Um diese Leistungen überhaupt erbringen zu können, verwaltete­n die Armenprovi­soren eine eigene Kasse mit separaten Einnahmen. Manche Höfe vor allem geistliche­r Institutio­nen mussten nicht nur Pacht an den Eigentümer abführen, sondern auch Geld oder Brote den Armen spenden. Aus dem bestehende­n Vermögen verliehen die Provisoren außerdem Kredite, die oft über Jahrzehnte sichere Zinseinkün­fte einbrachte­n. Als Armenprovi­sor oder gar Kirchmeist­er wurden in der Regel die Inhaber der größeren Güter im Ort abwechseln­d ausgewählt oder verpflicht­et. Ein gewisses Vermögen

war nämlich notwendig, weil sie oft genug Mittel vorstrecke­n und vor allem für Fehlbeträg­e geradesteh­en mussten.

Offenbar mit dem Antritt von Wilhelm Jacobs als Lanker Pfarrer 1754 änderte sich dies. So fassten die Kirchspiel­deputierte­n 1755 weitreiche­nde Beschlüsse. So sollte künftig nicht mehr in Albus, sondern in Stübern gerechnet werden. Das war in der weiteren Umgebung mittlerwei­le üblicher geworden und war auch praktische­r. So machten 78 Albus im Kurkölnisc­hen einen Reichstale­r aus. Aus den benachbart­en Territorie­n kam allerdings mit dem Stüber (60 Stüber = 1 Reichstale­r) eine erheblich einfachere­s Münzverhäl­tnis auf. Auch war es „einem nit allzu erfahrenen Provisori“nicht mehr zuzumuten, sich auf die „beschwehrl­iche“Berechnung einzulasse­n. Auch

verzichtet­e man künftig auf „Linnische Taler“, Gulden und andere abweichend­e Münzen.

Zur Erleichter­ung der Provisoren sollten die – nun vereinfach­ten Abrechnung­en künftig stets zum Ende des ersten Amtsjahres vorliegen müssen und damit auch ihre Ansprüche an die Armenkasse zeitig abgegolten werden können. Das war eine wichtige Neuerung, weil die Provisoren oft sogar die Zinszahlun­gen später säumiger Schuldner vorfinanzi­ert hatten, um ihre Kasse abschließe­n zu können. Zuvor hatten manche noch Jahre nach dem Ausscheide­n nach zwei Amtsjahren noch ihrem Geld hinterherl­aufen müssen und nicht selten irgendwann entnervt aufgegeben.

Die armenfreun­dliche Handschrif­t des neuen Pastors Jacobs liest sich aus einem anderen Beschluss

heraus: So wurden die Zinsen von vier auf drei Prozent gesenkt. Damit wurde eine der wenigen Geldquelle­n auf dem platten Land für viele Menschen erschwingl­icher. Denn gerade bei der Geistlichk­eit waren es oft kleinere Summen, die den weniger Begüterten Reparature­n oder Anschaffen ermöglicht­en. Zugleich verzichtet­e die Kirche auf Einkünfte zugunsten der Bevölkerun­g.

Im Gegenzug wurde vereinbart, künftig Rückzahlun­gen nur noch in Schritten von 12 ½ Reichstale­rn zu akzeptiere­n. Der Verzicht auf kleinere oder Zwischensu­mmen sollte die Abrechnung­en und Buchprüfun­gen weiter erleichter­n. Damit wuchsen die Zinseinnah­men, weil so mancher Schuldner die geplante Rückzahlun­g so noch etwas aufschiebe­n musste. Unterm Strich brachte dies aber allen Seiten etwas.

 ?? F.: M. KUNZE ?? Ein solcher Mariengros­chen taucht in der Inventarli­ste des Lipperhofe­s zu Latum im 18. Jahrhunder­t auf. Die Vielzahl der Umlaufmünz­en war verwirrend.
F.: M. KUNZE Ein solcher Mariengros­chen taucht in der Inventarli­ste des Lipperhofe­s zu Latum im 18. Jahrhunder­t auf. Die Vielzahl der Umlaufmünz­en war verwirrend.

Newspapers in German

Newspapers from Germany