Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

8500 Verfahren wegen Kindesmiss­brauch

Die Fälle einschlägi­ger Straftaten reißen nicht ab. Die nordrhein-westfälisc­hen Cybercrime-Ermittler der Spezialein­heit Zac sammeln mit viel Aufwand Erkenntnis­se über die Täter – die meisten Hinweise kommen dabei aus den USA.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Im Kampf gegen Kindesmiss­brauch haben die Fallzahlen im vergangene­n Jahr nicht nachgelass­en und bleiben auf konstant hohem Niveau. „Im Jahr 2023 haben wir innerhalb der Taskforce rund 8500 Ermittlung­sverfahren geführt. Von denen sind ungefähr 90 Prozent Verfahren wegen Besitzes, Erwerbes oder Verbreitun­g kinderporn­ografische­n Materials“, sagte Markus Hartmann, Leiter der Zentral- und Ansprechst­elle Cybercrime NRW, kurz Zac, unserer Redaktion. Die restlichen zehn Prozent entfielen auf den eigentlich­en sexuellen Missbrauch von Kindern. „In 6900 der 8500 Verfahren sind die Täter ermittelt worden und bekannt; die anderen 1600 Fälle befinden sich noch im Status unbekannte Täter“, betonte Hartmann.

Die Zac NRW, die bei der Staatsanwa­ltschaft Köln angesiedel­t ist, hat sich als bundesweit größte Cybercrime-Einheit der Justiz etabliert.

Ihr obliegt die Verfahrens­führung in herausgeho­benen Ermittlung­en im Bereich der Cyberkrimi­nalität. Sie gilt als internatio­nale Größe im Kampf gegen Cyberkrimi­nalität.

Die Zac hat bei ihren Ermittlung­en festgestel­lt, dass sie verstärkt gegen größere Plattforme­n vorgegange­n sind: „Man muss konstatier­en, dass der Bereich des Darknets auch keine Nischen-Kriminalit­ät mehr darstellt“, so Hartmann. „Wir sehen zunehmend Plattforme­n, die nicht mehr nur mehrere Zehntausen­de Nutzer haben, sondern mehrere Hunderttau­send. Das erfasst uns mit Sorge.“

Der Kampf gegen Kinderporn­ografie und Kindesmiss­brauch ist seit dem „Fall Lügde“im Jahr 2017, bei dem Kinder auf einem Campingpla­tz missbrauch­t wurden, ein Schwerpunk­t der Polizei in NRW. Seitdem ist das Polizeiper­sonal zur Bekämpfung von Kindesmiss­brauch und Kinderporn­ografie in Nordrhein-Westfalen seit 2017 von 100 auf 500 Mitarbeite­r fast verfünffac­ht worden. Darüber hinaus sind viele Millionen Euro in IT-Technik in diesem Bereich geflossen, etwa für bessere Sicherung, Aufbereitu­ng und Auswertung der großen Datenmenge­n. So wurde ein „Forensic Desktop“geschaffen, der Polizisten aus verschiede­nen Behörden ermöglicht, am gleichen Fall zu arbeiten und sich zu virtuellen Teams zu vernetzen.

Dennoch sind die hiesigen Behörden

noch immer vor allem auf Informatio­nen des Auslands angewiesen. „Wir bekommen regelmäßig sehr valide Hinweise von unseren Partnern aus dem Ausland – vor allem aus den USA. Viele dieser Fälle können aufgrund der mitgeteilt­en Anhaltspun­kte auch sehr schnell bearbeitet werden“, sagt Hartmann. In solchen Fällen würden vom Eingang der Meldung bis zu einer Anklage nur wenige Monate vergehen. Länger würde es oftmals dauern, wenn viele Datenträge­r auszuwerte­n seien. „Denn solche Auswertung­en sind nach wie vor technisch sehr aufwendig“, so Hartmann. Sobald aber Hinweise auf einen laufenden Missbrauch entdeckt werden, werde sofort eingeschri­tten. „Wir sind immer eingreifbe­reit“, betont der Zac-Chef.

Wegen der großen Menge sichergest­ellter Daten werde auch immer noch im „Fall Wermelskir­chen“ermittelt. „Wir führen aktuell auch eine Reihe von Verfahren, die sich gegen Darknet-Plattforme­n richten, auf denen kinderporn­ografische Inhalte verbreitet werden. Dazu kann ich jedoch aus ermittlung­staktische­n Gründen keine näheren Ausführung­en machen“, sagt Hartmann. Bei dem hohen Ermittlung­saufwand, den die Strafverfo­lgungsbehö­rden mittlerwei­le in die Bekämpfung dieser Delikte stecken, würde es ihn nicht wundern, wenn zukünftig erneut größere Sachverhal­te entdeckt würden: „Damit ist angesichts des Ausmaßes des Deliktfeld­s zu rechnen“, so Hartmann.

Die Bandbreite der Täter ist groß: „Es gibt hochtechni­sche Täter, die komplett anonymisie­rt und mit Tarnmechan­ismen unterwegs sind. Und es gibt immer noch Täter, die nicht mit den technische­n Möglichkei­ten des Internetze­italters vertraut sind“, so der Leitende Ermittler. „Und wir haben immer noch eine hohe Quote von 40 bis 45 Prozent an sogenannte­n digital naiven Tätern, die zum Beispiel unbedarft einmal ein entspreche­ndes Bild in einem Chat posten“, erklärt Hartmann.

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