Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Machtdemon­stration im Meisterkam­pf

Das 3:0 gegen den FC Bayern ist ein Statement von Bayer Leverkusen. Eine Titelansag­e lässt sich aber niemand beim Werksklub entlocken.

- VON DORIAN AUDERSCH

Wenn sich Manuel Neuer im gegnerisch­en Strafraum rumtreibt, ist das immer ein Zeichen dafür, dass beim FC Bayern alles schiefläuf­t. So auch dieses Mal. Kurz vor dem Abpfiff in Leverkusen eilte der Schlussman­n bei einer Ecke nach vorne. Doch statt irgendwie zum Anschlusst­reffer beitragen zu können, erlebte Neuer, wie Jonathan Tah das Kopfballdu­ell gegen ihn gewann und damit einen Konter einleitete. Der Ball landete über Edmond Tapsoba bei Jeremie Frimpong, der seinen durchaus anspruchsv­ollen Schuss aus der Ferne im verwaisten Tor versenkte – 3:0 (1:0) für Bayer 04. Es folgte eine Eskalation der Freude, auf und neben dem Rasen.

Während vor der Nordkurve die Werkself, Xabi Alonso und der gesamte Stab des Trainers ausgiebigs­t gefeiert wurden, standen die Profis des FC Bayern vor dem Gästeblock, stemmten die Hände in die Hüften und schauten bedröppelt zu Boden. Auch ihnen war klar: Verlauf und Ergebnis des Gipfeltref­fens kamen einer Demütigung gleich. Vor allem das Wie des Leverkusen­er Erfolgs war ein Statement.

Der Rekordmeis­ter blieb 90 Minuten lang ohne relevanten Torschuss, präsentier­te sich anfällig, teils fahrig, ließ es an Griffigkei­t vermissen und war vor allem auch taktisch klar unterlegen. Es spricht immer mehr dafür, dass Bayer den Dauermeist­er nach elf Titeln in Serie vom Thron stoßen könnte. Es wäre nicht weniger als eine Zeitenwend­e für die Bundesliga.

Frimpong stimmte in das Mantra ein, das Alonso, Sportgesch­äftsführer Simon Rolfes und jeder Spieler, der vor ein Mikrofon tritt, seit Wochen wiederhole­n, wenn die M-Frage aufkommt: Es war ein wichtiger Sieg, ja, aber die Saison ist noch lang und es kann viel passieren. Wir schauen von Spiel zu Spiel, eins nach dem anderen, Schritt für Schritt. „Wir können es uns nicht erlauben, zu weit vorauszusc­hauen“, betonte der erst nach rund einer Stunde eingewechs­elte

Torschütze. Für Selbstgefä­lligkeit bleibe kein Raum. „Versteht mich nicht falsch: Es ist sehr schön, aber wir müssen konzentrie­rt bleiben und am Ende werden wir sehen, wofür es reicht.“Was wie ein Zusammensc­hnitt aus der Phrasenhöl­le wirkt, ist in diesem Fall tatsächlic­h Teil der Erfolgsfor­mel.

Egal, ob in Darmstadt, Augsburg, Leipzig gegen Stuttgart oder die Bayern: Leverkusen geht fokussiert, zielstrebi­g sowie gut vorbereite­t auf den Rasen und erledigt die sich stellenden Aufgaben mit bemerkensw­erter Souveränit­ät. Unbeeindru­ckt von Rückstände­n, Gegentoren, mauernden oder betont aggressive­n Gegnern, wälzt sich die Werkself beharrlich durch die Saison. Wenn es notwendig

ist, fallen die entscheide­nden Tore eben erst in der Nachspielz­eit.

Das Duell gegen die Bayern hat zudem gezeigt, dass Bayer auch mit weniger Ballbesitz als der Gegner und vergleichs­weise bescheiden­er

Passquote Spiele dominieren kann. Das ist vor allem Alonsos Verdienst, der sich immer wieder etwas Neues einfallen lässt. Gegen München verzichtet­e er zum Beispiel auf einen klassische­n Mittelstür­mer und stellte auf die inzwischen ungewohnte Viererkett­e um. Das tat der Leistungsf­ähigkeit seiner Mannschaft keinen Abbruch – im Gegenteil. Es waren exakt die richtigen taktischen Ideen gegen die Bayern, die kein Gegenmitte­l fanden.

„Wir sind mit dem Selbstvert­rauen ins Spiel gegangen, den Bayern wehzutun“, sagte Rolfes. „Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass wir Chancen kreieren werden. Es war aber wichtig, dass wir das 1:0 in der Phase gemacht haben, wo das Tor für uns in der Luft lag.“Gemeint ist das 1:0 durch die insgesamt stark aufspielen­e Bayern-Leihgabe Josip Stanisic (18.). Der einmal mehr überragend­e Alejandro Grimaldo legte kurz nach der Pause das 2:0 nach (50.).

Eine Titelansag­e ließ sich der 42-Jährige auch nach dem 31. Saisonspie­l ohne Niederlage nicht entlocken. Stattdesse­n griff er einmal mehr auf das Mantra zurück: „Wir konzentrie­ren uns auf uns, darauf, dass wir immer eine Topleistun­g abliefern und neben der spielerisc­hen Qualität auch den Biss haben, in Duelle reinzugehe­n und Zweikämpfe zu gewinnen. Damit versuchen wir, möglichst viele Punkte zu machen.“

Wohin das führt, sieht man dann – na klar – am Ende der Saison.

 ?? FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA ?? Münchner Leihgabe: Leverkusen­s Josip Stanisic (2.v.r) jubelt mit Teamkamera­den über sein Tor zum 1:0.
FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Münchner Leihgabe: Leverkusen­s Josip Stanisic (2.v.r) jubelt mit Teamkamera­den über sein Tor zum 1:0.

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