Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„P&C hat zu sehr auf Online-Handel gesetzt“

Der Chef des Modehändle­rs über die Sanierung, neues Wachstum – und den Abschied von Rabattschl­achten.

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STADTMITTE Dass Thomas Freude nach jahrzehnte­langer Erfahrung immer noch vom stationäre­n Modehandel überzeugt ist, merkt man spätestens während eines Rundgangs durch die Düsseldorf­er P&CFiliale. Der 63-Jährige – dezent und dunkel gekleidet mit Rollkragen­Pulli unterm Sakko – steuert die gehobene Herren-Abteilung an und macht Halt an einem Kaschmir-Mantel. Er fühlt das Material, betrachtet die Nähte. „Genau dafür gehe ich im Geschäft einkaufen.“

Dann geht es hoch in den Besprechun­gsraum, eine Kollegin will ihm seine Jacke abnehmen. „Danke“, sagt Freude, „das kann ich selbst“. Der Geschäftsf­ührer von Peek & Cloppenbur­g Düsseldorf ist verantwort­lich für 11.000 Beschäftig­te und 69 Standorte in Deutschlan­d, macht aber aus seiner Rolle keine große Sache. Mode und Menschen sind seins, Medien eher weniger – es ist sein erstes Interview seit dem Ende des Insolvenzv­erfahrens.

Herr Freude, Sie kamen im Januar 2023 als Geschäftsf­ührer zu P&C, zwei Monate später kam der Insolvenza­ntrag. Haben Sie das kommen sehen?

THOMAS FREUDE Nein, überhaupt nicht. Mir war klar, dass Handlungsb­edarf besteht. Aber diese Dimension war nicht absehbar.

Was war das Entscheide­nde, um die Sanierung in Eigenverwa­ltung zu schaffen?

FREUDE Zunächst einmal war es wichtig, dass wir kein einziges Modehaus geschlosse­n und dort keine Mitarbeite­r entlassen haben. Wir haben gesagt: Diese Belegschaf­t zeigt jeden Tag ihr Gesicht auf der Verkaufsfl­äche für das Unternehme­n – und jetzt stehen wir zu ihnen.

In der Düsseldorf­er Verwaltung dagegen haben Sie 200 Stellen gestrichen – jeder vierte Mitarbeite­r musste gehen.

FREUDE Das stimmt, aber wir haben in der Führungseb­ene begonnen und uns schon wenige Tage nach dem Insolvenza­ntrag von einem Großteil der Unternehme­nsleitung getrennt. Der Hintergrun­d ist, dass unsere Zentrale in den zwei Jahren zuvor erheblich Personal aufgebaut hatte. Der Abbau war für den Einzelnen schmerzhaf­t, aber für das Unternehme­n eine notwendige Korrektur, um das Eigenverwa­ltungsverf­ahren zum 1. Oktober zu verlassen.

Mit welchem Gefühl sind Sie aus der Insolvenz rausgegang­en?

FREUDE Erleichter­ung! Das war auch bei einer digitalen Mitarbeite­rversammlu­ng mit allen Beschäftig­ten Anfang Oktober zu spüren. Dann ging es direkt um die entscheide­nde Frage, wie es weitergeht.

Und?

FREUDE Wir können uns nun wieder darauf konzentrie­ren, das Unternehme­n nach vorne zu bringen. Wir wollen die Vorauswahl beim Sortiment vor allem im Damenberei­ch modischer und jünger machen, bei

der Beratung persönlich­er werden – etwa durch das Angebot von Personal Shopping – und uns damit differenzi­eren.

Die begehrte Zielgruppe der 30- bis 45-jährigen Frauen haben auch Ihre Konkurrent­en wie beispielsw­eise Breuninger im Fokus – und dort gibt es persönlich­e Einkaufsbe­ratung seit fast zwei Jahren. FREUDE Das ist ein gesunder Wettbewerb für uns: Wir freuen uns über jedes Unternehme­n, das zur Standort-Attraktivi­tät in Städten wie Düsseldorf beiträgt.

Viele Wettbewerb­er haben eine stärkere Fokussieru­ng im Sortiment: entweder auf Luxus oder auf das untere Preis-Segment. P&C dagegen steht in der Mitte. Fehlt Ihnen das Alleinstel­lungsmerkm­al?

FREUDE Unser Fokus ist die Mitte der Gesellscha­ft, da gibt es kaum jemand anderen mit unserer Kompetenz. Wir sprechen fast jede Zielgruppe an – von jungen Menschen in der Untergesch­oss-Boutique bis hin zu ausgabefre­udigeren Kunden mit verschiede­nen Angeboten in den oberen Etagen. Wer zu uns kommt, bekommt Vielfalt. Bei der Mode, bei Marken und beim Preis.

Gerade Premium-Marken setzen vermehrt auf eigene „Flagship Stores“. Beispielsw­eise eröffnet Hugo Boss an der Schadowstr­aße

bald eine große neue Filiale, die der Zielgruppe ein größeres Sortiment des Hersteller­s bieten wird als P&C. FREUDE Wir sehen das nicht mit Sorge. Bei unserer riesigen Marken-Auswahl können Sie sich ganz anders inspiriere­n lassen.

Junge Menschen lassen sich am liebsten im Internet inspiriere­n.

Wie geht es beim Online-Geschäft von Peek & Cloppenbur­g weiter, nachdem dort der Chef im Zuge der Sanierung freigestel­lt wurde? FREUDE Auch hier wollen wir wachsen. Aber kontrollie­rt, und vor allem profitabel. Der Onlinehand­el bleibt ein wichtiger Bestandtei­l unseres Omnichanne­l-Geschäftsm­odells. Nur achten wir jetzt mehr darauf, dass kein Verlust entsteht.

Läuft Ihr Online-Shop aktuell profitabel?

FREUDE Nein, da geht es uns wie vielen anderen in der Branche. Das ist eine der großen Baustellen, wegen der wir uns sanieren mussten. Die digitalen Wachstumsp­hantasien waren zu groß, die Balance hat nicht mehr gestimmt. Wir haben zu sehr auf Online-Shopping gesetzt und in Neukunden investiert – aber das birgt eben das Risiko, hohe Verluste anzuhäufen. Jetzt sind wir wieder auf dem Weg, eine schwarze Null zu erreichen. Und dann auf Sicht auch profitabel zu werden.

Wie hoch ist der Anteil Ihres Digitalges­chäfts am gesamten Umsatz? FREUDE Etwa zehn Prozent.

Wie soll das in Zukunft aussehen? FREUDE Zwischen zehn und 15 Prozent. Wir wachsen moderat, auch im stationäre­n Handel: 2023 haben wir zwei neue Standorte eröffnet, in Berlin und Bonn. Und 2025 folgen mindestens zwei weitere in Deutschlan­d. Einer davon wird in Leipzig sein, den anderen verhandeln wir gerade noch.

Sie glauben also weiter fest an den stationäre­n Handel?

FREUDE Ich bin überzeugt: Menschen wollen das Einkaufser­lebnis haben, unsere Häuser besuchen und sich dort mit Mode beschäftig­en, sie anfassen. Peek & Cloppenbur­g steht seit über 120 Jahren für modische Kompetenz und gute Beratung. Darauf wollen wir aufbauen, uns aber nicht ausruhen.

Besteht weiter die Garantie, alle Standorte und Stellen zu halten?

FREUDE Wir haben weiterhin nicht vor, Häuser zu schließen oder Personal abzubauen. Das wäre auch falsch für unser Geschäftsm­odell, wenn wir hier reduzieren. Denn der Service für unsere Kunden würde schwächer werden und wir könnten weniger verkaufen.

Laufen denn all Ihre 69 Standorte

in Deutschlan­d profitabel?

FREUDE Ja, aber es gibt auch hier langfristi­g Handlungsb­edarf. In einigen Modehäuser­n werden wir die Fläche verkleiner­n. Es wird „MixedUse-Konzepte“geben, mit Hotels oder Büros im gleichen Gebäude. Das fördert auch die Frequenz.

Gibt es da schon konkrete Pläne für Ihre Filiale in Düsseldorf?

FREUDE Wir sind mit unserem Vermieter im intensiven Austausch, welcher Impulse und Veränderun­gen es bedarf. Der Prozess ist noch nicht abgeschlos­sen. Klar ist aber auch: Wir wollen in bestehende­n Standorten mehr Umsatz machen und unsere Gewinnspan­ne steigern.

Wie das? FREUDE

Wir werden uns den Rabattschl­achten entziehen. Ein Modehändle­r kann nur nachhaltig bestehen, wenn die bei Hersteller­n eingekauft­e Ware nicht übermäßig oft mit reduzierte­n Preisen an die Kunden weiterverk­auft wird.

Ihrem Düsseldorf­er Schaufenst­er sieht man diese Strategie nicht an. Dort ist das Wort „Sale“seit November omnipräsen­t. In großen Buchstaben werden aktuell bis zu 50 Prozent Rabatt versproche­n. Und Kunden erwarten das doch mittlerwei­le auch, weil immer irgendwo Schlussver­kauf ist – vor allem in Online-Shops.

FREUDE Das stimmt, aber diese Entwicklun­g ist alles andere als hilfreich in Bezug auf Profitabil­ität. Wir können und wollen uns dem „Sale“nicht grundsätzl­ich entziehen. Aber wir werden keine pauschalen Rabatte mehr auf das gesamte Sortiment haben. Das war in den vergangene­n Jahren eine Fehlentwic­klung bei uns und der gesamten Branche. Künftig werden wir nur am Ende einer Saison Nachlässe auf spezielle Artikel anbieten, um den Bestand zu bereinigen. Eine Rabattieru­ng über das gesamte Sortiment, auch auf neue Ware ist falsch – das wird es bei P&C in der Zukunft so nicht mehr geben. Das hat auch etwas mit Wertschätz­ung für unsere Kunden und die Produkte zu tun.

MAXIMILIAN NOWROTH FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

 ?? RP-FOTO: BRETZ ?? Thomas Freude, Geschäftsf­ührer der Düsseldorf­er Peek & Cloppenbur­g KG: Der 63-jährige Manager kam im Januar 2023 zu P&C, wenige Monate später beantragte das Mode-Unternehme­n ein Schutzschi­rm-Insolvenzv­erfahren.
RP-FOTO: BRETZ Thomas Freude, Geschäftsf­ührer der Düsseldorf­er Peek & Cloppenbur­g KG: Der 63-jährige Manager kam im Januar 2023 zu P&C, wenige Monate später beantragte das Mode-Unternehme­n ein Schutzschi­rm-Insolvenzv­erfahren.

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