Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Superhelden in der Tonhalle
Auf der Suche nach Alt: Die Blechbläser der Düsseldorfer Symphoniker traten bei ihrem Karnevalskonzert als heitere Brassengers auf.
Nur ein paar Meter von der längsten Theke der Welt nach einem Gläschen Alt suchen, geht’s noch? Zumindest nicht gedankenschwer – oder bierernst – sollte die Suche sein, das hatten sich die Brassengers vorgenommen. Das blecherne Dutzend der Düsseldorfer Symphoniker wollte in der Tonhalle zwei Stunden lang so tun, als ob der begehrte braune Gerstensaft nur in einer anderen Welt zu finden sei. Im Universum beispielsweise, oder in einer Zauberschule. Also nahm die famose Bläsergruppe ihre auf Party gebürsteten Gäste in der krachend vollen Tonhalle mit auf ihr diesjähriges Karnevalskonzert.
Zur Einstimmung gab’s das „Düsseldorf-Lied“und den tausendfach verstärkten Wunsch „Möge das Alt mit euch sein!“Doch dann passierte es: Darth Vader hatte sein Navi falsch eingenordet und war auf der Suche nach dem besten Bier in Köln gelandet. Hellblondes Gesöff in Stangen, welche Schande. Eine Nachfrage bei Mister Spock brachte keine neue Erkenntnis. Selbst mit gespitzten Riesenohren drohte die Gefahr, aus den unendlichen Weiten des Universums mit leeren Gläsern zurückzukehren. Es kam noch schlimmer: Pippi Langstrumpf bot der Bläser-Band und deren Schlagzeuger einige Flaschen aus ihrem Limonadenbaum an. Sie könne, hieß es von ihr, sogar Kästen stemmen. Prompt demonstrierte sie ihre übermenschliche Stärke mit einer Riesenhantel.
Die bestens gestimmten Blechbläser hatten sich für ihr Karnevalskonzert mit aufwendiger Kostümierung eingedeckt. Und nicht wenigen von ihnen ein schönes Action-Solo gegönnt. Von „Heidi“war per Kurier ein „Alt-Horn“geschickt worden, wenn auch in Stücken. Aus Dankbarkeit richtete man der JohannaSpyri-Jungfrau ein Willy-Tell-Apfelschießen aus und postete es in die Schweizer Berge. Im Laufe des Abends kam es dann noch zu weiteren Schießereien, Duellen und anderen virtuosen blasrohrfreien Kämpfen. Das Ganze völlig ohne theoretischen Überbau, dafür aber mit schönen Bildern der kostümierten Blechtruppe. Zu Darth Vader und Mister Spock stießen altbiersuchend noch Spiderman und Superman, später sogar auch Harry Potters Lehrer aus Hogwarts’ Schule für Hexerei und Zauberei.
Zur karnevalesken Theorie hätte gehören können, den „Blas“als
Einzahl von „Bläser“zu nennen. Immerhin ist der Luftstrahl, mit dem Wale unter hohem Druck ihr Auftauchen im Ozean ankündigen, ähnlich feuchtigkeitsgesättigt wie ein Trompetermund. Eine dicke Lippe riskierte immerhin einer aus der fidelen Truppe als aufgeblasener
Muskelprotz. Und „mundgeblasen“war einfach alles, was man hörte. Die kleinen Wort- und Bildspielereien waren indes genau orchestrierte Bestandteile eines Programms, das nur durch die Düsseldorfer Tollitäten selbst aus dem Takt gebracht werden durfte.
Tatsächlich hieß es noch vor der Pause: „Wir unterbrechen unser Programm aus wichtigem Grund“. Auftritt der Majestäten Prinz Uwe I. und Venetia Melanie, nebst ihren Garden Rot- und Blau-Weiss. Es war wohl ihre letzte öffentliche Runde an diesem Tag, doch beim Anblick der Kostümierung unter den „Brassengers“stellte der aufmerksame Prinz „eine gewisse Anomalie im Raum-Zeit-Kontinuum“fest. Freimütig gab er zu, als Oberkasseler schon so oft an der Tonhalle vorbeigefahren zu sein, ohne über deren Funktion weiter nachzudenken. Nun aber, in Gesellschaft von über 1000 launigen Jecken, zeigte er sich gehörig beeindruckt. Gemeinsam schmetterte man das „Biene Maja“-Lied, auch weil, wie Uwe I. festzustellen glaubte, „die meisten im Saal eine 19 vor ihrem Geburtsjahr haben“.
Ein ziemlich sicherer Treffer, denn unter den vom Publikum beklatschten Westernstücken wie „Bonanza“und „Spiel mir das Lied vom Tod“war auch „Rawhide“, eine CowboyBallade aus dem Beginn der 60erJahre. Im US-Fernsehen lief die Serie mit dem Titelsong von Frankie Laine eine gefühlte Ewigkeit. In Deutschland waren der Version „Tausend Meilen Staub“weit weniger Folgen gegönnt.
Nach der Pause hatte der Schlagzeuger als Perücke tragender Bote des Musicals „Rock Me Amadeus“seinen Solo-Auftritt. Und den ganz großen Emotionsrausch gab es mit zauberhaft blechmäßig gecoverten Beatles-Songs. Da brauchte es keinen Warm-upper, da rockte der Bär unter dem Sternenhimmel der Kuppel des Mendelssohn-Saals. Für den großartigen Abschluss des Konzerts hatte man kurzfristig die Adresse geändert: In der „Penny Lane“gab es dann auch endlich Altbier.