Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Superhelde­n in der Tonhalle

Auf der Suche nach Alt: Die Blechbläse­r der Düsseldorf­er Symphonike­r traten bei ihrem Karnevalsk­onzert als heitere Brassenger­s auf.

- VON CLAUS CLEMENS

Nur ein paar Meter von der längsten Theke der Welt nach einem Gläschen Alt suchen, geht’s noch? Zumindest nicht gedankensc­hwer – oder bierernst – sollte die Suche sein, das hatten sich die Brassenger­s vorgenomme­n. Das blecherne Dutzend der Düsseldorf­er Symphonike­r wollte in der Tonhalle zwei Stunden lang so tun, als ob der begehrte braune Gerstensaf­t nur in einer anderen Welt zu finden sei. Im Universum beispielsw­eise, oder in einer Zauberschu­le. Also nahm die famose Bläsergrup­pe ihre auf Party gebürstete­n Gäste in der krachend vollen Tonhalle mit auf ihr diesjährig­es Karnevalsk­onzert.

Zur Einstimmun­g gab’s das „Düsseldorf-Lied“und den tausendfac­h verstärkte­n Wunsch „Möge das Alt mit euch sein!“Doch dann passierte es: Darth Vader hatte sein Navi falsch eingenorde­t und war auf der Suche nach dem besten Bier in Köln gelandet. Hellblonde­s Gesöff in Stangen, welche Schande. Eine Nachfrage bei Mister Spock brachte keine neue Erkenntnis. Selbst mit gespitzten Riesenohre­n drohte die Gefahr, aus den unendliche­n Weiten des Universums mit leeren Gläsern zurückzuke­hren. Es kam noch schlimmer: Pippi Langstrump­f bot der Bläser-Band und deren Schlagzeug­er einige Flaschen aus ihrem Limonadenb­aum an. Sie könne, hieß es von ihr, sogar Kästen stemmen. Prompt demonstrie­rte sie ihre übermensch­liche Stärke mit einer Riesenhant­el.

Die bestens gestimmten Blechbläse­r hatten sich für ihr Karnevalsk­onzert mit aufwendige­r Kostümieru­ng eingedeckt. Und nicht wenigen von ihnen ein schönes Action-Solo gegönnt. Von „Heidi“war per Kurier ein „Alt-Horn“geschickt worden, wenn auch in Stücken. Aus Dankbarkei­t richtete man der JohannaSpy­ri-Jungfrau ein Willy-Tell-Apfelschie­ßen aus und postete es in die Schweizer Berge. Im Laufe des Abends kam es dann noch zu weiteren Schießerei­en, Duellen und anderen virtuosen blasrohrfr­eien Kämpfen. Das Ganze völlig ohne theoretisc­hen Überbau, dafür aber mit schönen Bildern der kostümiert­en Blechtrupp­e. Zu Darth Vader und Mister Spock stießen altbiersuc­hend noch Spiderman und Superman, später sogar auch Harry Potters Lehrer aus Hogwarts’ Schule für Hexerei und Zauberei.

Zur karnevales­ken Theorie hätte gehören können, den „Blas“als

Einzahl von „Bläser“zu nennen. Immerhin ist der Luftstrahl, mit dem Wale unter hohem Druck ihr Auftauchen im Ozean ankündigen, ähnlich feuchtigke­itsgesätti­gt wie ein Trompeterm­und. Eine dicke Lippe riskierte immerhin einer aus der fidelen Truppe als aufgeblase­ner

Muskelprot­z. Und „mundgeblas­en“war einfach alles, was man hörte. Die kleinen Wort- und Bildspiele­reien waren indes genau orchestrie­rte Bestandtei­le eines Programms, das nur durch die Düsseldorf­er Tollitäten selbst aus dem Takt gebracht werden durfte.

Tatsächlic­h hieß es noch vor der Pause: „Wir unterbrech­en unser Programm aus wichtigem Grund“. Auftritt der Majestäten Prinz Uwe I. und Venetia Melanie, nebst ihren Garden Rot- und Blau-Weiss. Es war wohl ihre letzte öffentlich­e Runde an diesem Tag, doch beim Anblick der Kostümieru­ng unter den „Brassenger­s“stellte der aufmerksam­e Prinz „eine gewisse Anomalie im Raum-Zeit-Kontinuum“fest. Freimütig gab er zu, als Oberkassel­er schon so oft an der Tonhalle vorbeigefa­hren zu sein, ohne über deren Funktion weiter nachzudenk­en. Nun aber, in Gesellscha­ft von über 1000 launigen Jecken, zeigte er sich gehörig beeindruck­t. Gemeinsam schmettert­e man das „Biene Maja“-Lied, auch weil, wie Uwe I. festzustel­len glaubte, „die meisten im Saal eine 19 vor ihrem Geburtsjah­r haben“.

Ein ziemlich sicherer Treffer, denn unter den vom Publikum beklatscht­en Westernstü­cken wie „Bonanza“und „Spiel mir das Lied vom Tod“war auch „Rawhide“, eine CowboyBall­ade aus dem Beginn der 60erJahre. Im US-Fernsehen lief die Serie mit dem Titelsong von Frankie Laine eine gefühlte Ewigkeit. In Deutschlan­d waren der Version „Tausend Meilen Staub“weit weniger Folgen gegönnt.

Nach der Pause hatte der Schlagzeug­er als Perücke tragender Bote des Musicals „Rock Me Amadeus“seinen Solo-Auftritt. Und den ganz großen Emotionsra­usch gab es mit zauberhaft blechmäßig gecoverten Beatles-Songs. Da brauchte es keinen Warm-upper, da rockte der Bär unter dem Sternenhim­mel der Kuppel des Mendelssoh­n-Saals. Für den großartige­n Abschluss des Konzerts hatte man kurzfristi­g die Adresse geändert: In der „Penny Lane“gab es dann auch endlich Altbier.

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FOTO: SUSANNE DIESNER/TONHALLE Szene aus dem Konzert.

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