Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Safari in der Freien Herrlichke­it

Das kleine Nierst ist traditione­ll eine Hochburg des Karneval. Auch in diesem Jahr zogen die Jecken wieder ausgelasse­n durchs Dorf.

- VON DOMINIK SCHNEIDER

Erschöpft, aber überglückl­ich sieht Andreas V. (Settekorn) an dem Tag aus, der den Höhepunkt seiner Regentscha­ft als Prinz Karneval der Freien Herrlichke­it Nierst markiert. Am Rosenmonta­g zog er gemeinsam mit Hunderten anderer Narren durch Nierst. Das ansonsten ruhige Dorf im Norden von Meerbusch ist traditione­ll besonders aktiv im Winterbrau­chtum – allein vom hiesigen Karnevalsv­erein Kött on Kleen waren mehr als 160 Mitglieder im Zug dabei, unterstütz­t von zahlreiche­n Wagengrupp­en und bejubelt von Jecken am Straßenran­d.

Bereits am Morgen war das Dorf Nierst auf den Beinen. In dem rund 1400 Einwohner zählenden, ländlich geprägten Stadtteil läuft der Rosenmonta­g etwas anders ab als etwa in der Düsseldorf­er Innenstadt – hier geht es familiärer zu, die Zuschauer kennen die Fußgruppen und Besatzunge­n der Wagen meist persönlich. Anstatt durchgehen­d zu marschiere­n, gibt es immer wieder Pausen: Viele Nierster haben kleine Tische vor ihre Haustüren oder in die Höfe gestellt, dort spenden sie traditione­ll eine Wurst an den Verein Kött on Kleen, die am Abend im Festzelt gegessen wird und deren Symbol auch das Wappen des Karnevalsv­ereins ziert.

An vielen Stationen also macht der Zug halt, die Ziehenden werden mit Getränken versorgt, zum Dank gibt es ein Lied und einen Tanz, bei dem die Vereinsfla­gge über dem auf dem Tisch liegenden Pajas geschwenkt wird. Der Pajas ist die Nierster Symbolfigu­r des Karneval, ähnlich dem Düsseldorf­er Hoppeditz oder dem Nubbel aus Köln. Wie tief diese närrische Tradition im Dorf verankert ist, zeigt schon der Pajasbrunn­en an der Stratumer Straße, wo die Narrenfigu­r das ganze Jahr die Nierster und Besucher empfängt, und wo zum Rosenmonta­g das Festzelt aufgebaut wird.

Bis es dort zur Party geht, haben die Teilnehmer des Rosenmonta­gszuges aber einige Meter in den Beinen. Denn vom Morgen bis in die späten Nachmittag­sstunden zieht der Karnevalsz­ug kreuz und quer durchs Dorf, macht vor zahllosen Türen halt. „Ich bin kaputt, schön kaputt“, sagt Prinz Andreas auf diesem Weg. „Aber am Dienstag brauchen wir alle eine Pause“. In den vergangene­n Tagen und Wochen hat der Karnevalsp­rinz an zahllosen Veranstalt­ungen in Meerbusch und Umgebung teilgenomm­en. Neben dem Rosenmonta­gszug war wohl der Rathausstu­rm am Altweiber-Donnerstag ein Höhepunkt der

Session, wo der Prinz nach einem Schlagabta­usch mit Bürgermeis­ter Bommers den Sitz der Stadtverwa­ltung erstürmte und so symbolisch die Herrschaft über Meerbusch an die Narren übergab.

Beim Zug durch Nierst waren aber nicht nur die Vereinsmit­glieder von Kött on Kleen dabei. Unterstütz­t wurden sie von 14 Wagenbaugr­uppen, die das diesjährig­e Motto „Wat ne Larifari – Neeschter op Safari“mehr oder weniger frei interpreti­ert und in beeindruck­enden Wagen umgesetzt hatten – viele haben sich für die Vorbereitu­ng und die Feierlichk­eiten extra Urlaub genommen.

Die Zuschauer bekamen mehrere Wagen mit afrikanisc­hen Motiven und Tieren aus Pappmaché zu sehen, aber auch einen rollenden Reeperbahn-Betrieb namens Safari und eine Bobmannsch­aft aus Jamaika. Gezogen wurden viele der Wagen von Traktoren heimischer Landwirte, die teils mit Plakaten wie „Ohne Landwirte keine Bratwurst“an die Bauernprot­este der vergangene­n Wochen anknüpften. Dennoch war die Stimmung gelöst: „So etwas nennt man Heimatgefü­hl“, ruft Landwirt Rainer Roos, der in einem beeindruck­enden Fellmantel zu Fuß beim Zug unterwegs ist.

Viele Wagen und Zuschauer hatten eigene Musikanlag­en mitgebrach­t, musikalisc­her Höhepunkt war jedoch das Trommler- und Fanfarenko­rps 1927 e.V. aus Straelen nahe der niederländ­ischen Grenze, der hinter Prinz Andreas und seinen Ministern marschiert­e. Die Musiker, die in dieser Saison auch in anderen Städten spielen, zeigten sich begeistert vom Nierster Karneval. „Das ist ganz anders als bei den Umzügen in großen Städten“, sagt Bernd Windbergs, der die Landsknech­tstrommel spielt. „Man kommt von außen, kennt die Leute nicht, und wird trotzdem sofort eingebunde­n. Herrlich.“

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FOTOS (4) DOMINIK SCHNEIDER Mehr als 160 Mitglieder von Kött on Kleen, 14 Wagengrupp­en und ein Spielmanns­zug aus Straelen zogen am Rosenmonta­g durch Nierst.
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Prinz Andreas V. (Settekorn) führte den Karnevalsz­ug durch das jecke Dorf gemeinsam mit seinen Ministern an.
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Zahlreiche Nierster hatten sich getroffen, um dem Zug mit Freunden und Familie zuzujubeln.
 ?? ?? Das Winterbrau­chtum wird in Nierst großgeschr­ieben. Für Vorbereitu­ng und Feiern nehmen sich viele Narren Urlaub.
Das Winterbrau­chtum wird in Nierst großgeschr­ieben. Für Vorbereitu­ng und Feiern nehmen sich viele Narren Urlaub.
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Das Safari-Motto der Session wurde von vielen Gruppen durch afrikanisc­he Motive aufgegriff­en.
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FOTOS (3) WARSZAWA Die Jecken tanzen eine Polonaise um die Vereinsfah­ne.
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Helene Kessels schmückte ihren Zaun und bewirtete die Narren.

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