Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zum ersten Mal unter Narren

Unsere Praktikant­in hat zum ersten Mal Karneval erlebt. Sie hat das erste Mal „Helau!“gerufen, neue Bräuche kennengele­rnt und sich über so einiges gewundert.

- VON JOHANNA WARSZAWA

Auf dem Rosenmonta­gszug in Nierst sind alle bunt verkleidet, außer mir. Statt einem bunten Kostüm, trage ich meine schwarze Winterjack­e. Nervös stehe ich am Straßenran­d und drehe mein Handy in der Hand. Gleich kommt der Zug um die Ecke, und ich soll Fotos davon machen.

Ich komme aus Hamburg und kenne Rosenmonta­gszüge eigentlich nur aus dem Fernsehen. Selbst miterlebt habe ich noch nie einen. Vor eineinhalb Jahren bin ich dann nach Düsseldorf gezogen, und plötzlich fand Karneval nicht mehr nur im Fernsehen statt, sondern dirket vor Ort.

Letztes Jahr habe ich noch versucht, Karneval zu ignorieren und bin nach Hause gefahren. Dieses Jahr ließ sich Karneval nicht umgehen, und so erlebe ich am Montag zum ersten Mal einen Karnevalsu­mzug.

Das erste, was ich von dem Umzug sehe, ist ein Polizeiaut­o, dann kommt ein Mann im Clownskost­üm. Erst später erfahre ich, dass dieser Mann der Pajas ist. Nachdem der Pajas vorbeigela­ufen ist, kommen der Prinz und seine Minister.

Den Prinzen kenne ich von dem Rathausstu­rm in Meerbusch, den ich am Donnerstag auch zum ersten Mal erlebt habe. Was an so einem Rathausstu­rm passiert, erfuhr ich von meiner Kollegin auf dem Weg dorthin. Und so stand ich am Donnerstag vor dem Prinzen, vor seinen Ministern und dem Kinderprin­zenpaar. Hinter ihnen wieder bunt verkleidet­e Menschen, die dem Schlagabta­usch zwischen dem Prinzen und dem Bürgermeis­ter zuhörten.

Wieder war ich nicht verkleidet, wieder machte ich nur Fotos. Ich bin überrascht, wie dieser Schlagabta­usch abläuft. Es ist fast wie ein Theaterstü­ck – ein Theaterstü­ck, das auf mich schon fast ein bisschen absurd wirkt. Da sind erwachsene Männer, die Hüte mit langen Federn tragen und jetzt auftreten.

Ich schmunzele über diese Absurdität und den Dialog zwischen dem Prinzen und dem Bürgermeis­ter. Die gute Laune steckt mich an. Es ist, als hätten alle Anwesenden gesagt: Jetzt haben wir für die nächsten Tage Spaß und vergessen unsere Sorgen! Vielleicht ist das das Tolle an Karneval.

„Schreibst du gar nicht mit?“, fragt mich meine Kollegin und reißt mich damit aus meinen Gedanken. „Doch natürlich!“, stammle ich und ziehe meinen Block hervor. Ich schreibe auf: „Die Minister sind die in den gelben Jacken“. Diese Notiz hilft mir am Rosenmonta­g weiter. Dadurch erkenne ich sofort die Minister im Karnevalsz­ug und sehe auch den Prinzen wieder. Sie rufen mir fröhlich „Helau!“ins Gesicht, und das erste Mal in meinem Leben hebe auch ich die Hand und rufe aus vollem Halse „Helau!“.

Der Karnevalsz­ug biegt in die Ortsmitte von Nierst ein, und ich bin überwältig­t. Überwältig­t von den vielen bunten Wagen, von der Musik, die das Trommler- und Fanfarenko­rps spielt, und von den Kindern, die eifrig die Kamelle fangen. Ich laufe von Wagen zu Wagen, mache so viele Fotos wie möglich und rufe hin und wieder „Helau!“.

Ein Wagen fällt mir dabei besonders auf. Er erinnert an einen Club auf der Reeperbahn, an dem Gefährt weht eine St.-Pauli-Flagge. Aufgeregt mache ich sofort ein Video für meinen Vater – den größten St.-Pauli-Fan, den ich kenne – und schicke es ihm. Eine St.-Pauli-Flagge auf dem Karnevalsu­mzug in Nierst – ich glaube meine Heimat hat mich eingeholt. Ich küre den Wagen insgeheim zu meinem Lieblingsw­agen.

Dann laufe ich an die Spitze des Zuges. Dort passiert wieder etwas Kurioses. Der Fahnenträg­er steht auf einen Tisch, zwischen seinen Beinen liegt der Pajas, die Minister und der Prinz haben sich aufgereiht und schunkeln hin und her. Die Kapelle spielt Musik. Als die Musik aufhört, kommen Frauen mit Tabletts voller Schnapsglä­ser vorbei. Die Minister trinken einen roten Schnaps, und weiter geht’s. Der Umzug läuft circa einen Meter, bis er wieder Halt macht und sich das ganze Spektakel wiederholt.

Interessie­rt schaue ich zu zu und bin beeindruck­t, wie viel Schnaps die Minister und der Prinz trinken können, ohne umzufallen. Als der Karnevalsz­ug Mittagspau­se macht, bin ich schon so erschlagen von den ganzen neuen Eindrücken, das ich am liebsten ein Mittagssch­läfchen gemacht hätte. Aber die Jecken sind noch lange nicht müde. Sie reihen sich zu einer Polonaise auf und tanzen im Takt der Musik.

Ich kämpfe mich durch das Gedränge, bis ich ganz vorne bei der Polonaise angekommen bin. Und dann hat mich das Karnevalsf­ieber für einen kurzen Moment gepackt, und ich denke: „Da würde ich jetzt auch gerne mitlaufen!“Da fällt mir ein, dass ich ja Fotos machen soll. Ich fotografie­re den Prinzen am Kopf der Polonaise, Menschen in tollen Kostümen und das Trommler- und Fanfarenko­rps.

Ich merke, dass mir Karneval Spaß macht. Die gute Laune ist ansteckend. Vielleicht bin ich ja nächstes Mal auch verkleidet und mische mich unter die Feiernden. Der Karneval in Meerbusch hat mir auf jeden Fall viele gute Gründe dafür gegeben.

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FOTO: JOHANNA WARSZAWA Am Rosenmotag zogen die Narren durch Nierst.
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FOTO: DSCH RP-Praktikant­in Johanna Warszawa

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