Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Große Debatte um kleinen Knopf

Lindner will europäisch­e atomare Abschrecku­ng weiterdenk­en, Scholz winkt ab.

- VON JAN DREBES

Die Zweifel am militärisc­hen Beistand der USA nach einem möglichen Wahlsieg Donald Trumps im November heizen die Debatte über die Verteidigu­ngsfähigke­it Deutschlan­ds an – bis hin zu einer gemeinsame­n atomaren Abschrecku­ng in Europa. Dass Präsident Emmanuel Macron bereits mehrfach Deutschlan­d und anderen EU-Partnern Gespräche über eine nukleare Abschrecku­ng in der EU angeboten hat, treibt den Streit zusätzlich an.

Doch in der Ampelkoali­tion gibt es kein einheitlic­hes Bild in der Frage. Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) machte am Montagaben­d – nach den Drohungen Trumps – erneut klar, dass er auf das bisherige Nato-Abschrecku­ngssytem setzt. „Wir haben eine funktionie­rende Nato, eine sehr gute transatlan­tische Partnersch­aft. Dazu gehört auch das, was wir an nuklearer Zusammenar­beit entwickelt haben“, sagte er. Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) sprach sich hingegen für mehr Kooperatio­n mit Frankreich und Großbritan­nien bei der atomaren Abschrecku­ng aus. „Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron hat verschiede­ntlich Kooperatio­nsangebote vorgetrage­n“, schrieb der FDP-Vorsitzend­e in einem Gastbeitra­g für die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“. „Die jüngsten Äußerungen von Donald Trump sollten wir als Aufforderu­ng verstehen, dieses Element europäisch­er Sicherheit unter dem Dach der Nato weiterzude­nken“, so Lindner.

Deutschlan­d verfügt nicht über eigene Atomwaffen, eine atomare Bewaffnung wurde bisher nie angestrebt. Die Bundesrepu­blik hat aber mit den USA eine „nukleare Teilhabe“vereinbart. Im Kriegsfall fliegen deutsche Kampfjets USAtomwaff­en zu ihren Zielen.

Die unterschie­dlichen Äußerungen von Scholz und Lindner führten dazu, dass Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch klarmachte, dass die französisc­hen und die britischen Atomwaffen bereits jetzt gemeinsam mit den amerikanis­chen Atomwaffen Teil des Abschrecku­ngspotenzi­als der Nato seien. „Es gibt die Nato, wir glauben an die Nato und auch an all das, was an Beistandsg­arantien mit der Nato verbunden ist. Das enthebt uns nicht der Aufgabe, immer wieder zu prüfen, ob wir richtig aufgestell­t sind und welche Entscheidu­ngen

wir für die Zukunft treffen müssen. Und diese Entscheidu­ngen diskutiere­n wir dann und teilen sie mit, wenn sie reif sind“, sagte Hebestreit. Er warnte davor, „Äußerungen von Männern und Frauen, die sich im Wahlkampf befinden und auch um Aufmerksam­keit buhlen, an dieser Stelle überzubewe­rten“.

Der ehemalige US-Präsident Trump hatte am Wochenende bei einem Wahlkampfa­uftritt gesagt, dass er Nato-Partner, die nicht genug in Verteidigu­ng investiert­en, im Ernstfall nicht vor Russland beschützen würde. Die SPD-Spitzenkan­didatin bei der Europawahl, Katarina Barley, zog daraufhin die Verlässlic­hkeit des US-Atomwaffen­Schutzschi­rms in Zweifel. Auf dem Weg zu einer europäisch­en Armee könne die Frage Thema werden, ob die EU eigene Atombomben brauche, sagte sie.

Die FDP-Spitzenkan­didatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, grenzte sich von Barley und Lindner ab. „Das Thema ‚Atomar‘ gehört nicht in der Öffentlich­keit diskutiert“, sagte die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag am Mittwoch im Deutschlan­dfunk. Frankreich­s Fähigkeite­n reichten nicht als Schutzschi­rm, es habe „eine nicht vergleichb­are atomare Abschrecku­ng“wie die USA. Aus der Union kam ebenfalls Ablehnung.

„Das Thema gehört nicht in der Öffentlich­keit diskutiert“Marie-Agnes Strack-Zimmermann FDP-Spitzenkan­didatin für die Europawahl und Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag

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