Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Als der MSV die Bundesliga kurios anführte
Duisburg blickt dem Gang in die Viertklassigkeit entgegen. Vor 30 Jahren sah die Welt ganz anders aus.
Den MSV Duisburg verbinden heute die Wenigsten mit nationalem Spitzenfußball. Doch vor fast genau 30 Jahren, im Februar 1994, führten die „Zebras“die Tabelle der 1. Bundesliga an – und das mit einem negativen Torverhältnis. Am 18. Februar, dem 22. Spieltag, schlugen die Duisburger in einem Heimspiel Werder Bremen mit 1:0. Die Meidericher übernahmen damit die Tabellenführung von Eintracht Frankfurt. Und das bei einem Torverhältnis von 29:30. Zum Vergleich: Der Tabellenzweite, der FC Bayern, wies zu dem Zeitpunkt ein Torverhältnis von +19 auf, Kaiserslautern (3.) von +13 und Eintracht Frankfurt (4.) von +10.
Möglich machten diese kuriose Konstellation viele Unentschieden des MSV, meist knappe Siege und vergleichsweise mehr hohe Niederlagen. Das reichte am 22. Spieltag für 27 Punkte – und die Tabellenführung. In der Saison 1993/94 wurden für einen Sieg nur zwei Punkte vergeben, die Drei-Punkte-Regel wurde erst zur Saison 1995/96 eingeführt.
Außerdem lagen die Mannschaften der oberen Tabellenhälfte außergewöhnlich nah beieinander.
Dennoch verlor der MSV die Tabellenführung schon am 23. Spieltag wieder an den FC Bayern, mit einer 0:4-Niederlage in München. Der Rekordmeister wurde am Ende der Saison zum 13. Mal Deutscher Meister. Dabei hatten die Münchener nur einen Vorsprung von sechs Punkten auf den Tabellensechsten aus Karlsruhe und einen Punkt mehr als Vizemeister Kaiserslautern. Der MSV beendete die Saison auf dem neunten Platz, mit acht Punkten Rückstand auf die Bayern und einer Tordifferenz von -11.
Kurios wirken aus heutiger Sicht nicht nur ein Tabellenführer mit einer negativen Torbilanz und eine derartig eng zusammenliegende obere Tabellenhälfte. Auch einige Mannschaften haben der ersten Liga mittlerweile lange den Rücken gekehrt. So spielte beispielsweise Dynamo Dresden in dem Jahr seine vorletzte Saison in der obersten Spielklasse. Dynamo wurde 1995 wegen ausstehender Verbindlichkeiten die Lizenz entzogen, der Verein musste in der Regionalliga (damals drittklassig) weitermachen. Derzeit spielen die Dresdener in der 3. Liga und kämpfen um den Aufstieg.
Auch eine Leipziger Mannschaft spielte vor 30 Jahren in der Bundesliga, allerdings war das der VfB Leipzig. Der Verein, der 2004 in die Insolvenz ging und schließlich im 1. FC Lok Leipzig aufging, spielte 1993/94 sein erstes und einziges Jahr in der Beletage. Als Tabellenletzter stiegen sie mit 17 Punkten ab. Damit belegen sie in der ewigen Tabelle der
Bundesliga den vorletzten Platz vor Tasmania Berlin.
Als Tabellenvorletzter stieg in der Saison 93/94 außerdem Wattenscheid 09 ab. Auch für den Ruhrgebiets-Verein war diese Saison die letzte in der Erstklassigkeit. Durch viele interne Streitereien und wirtschaftliche Schwierigkeiten – inklusive einer Insolvenz – spielen die Wattenscheider mittlerweile in der fünftklassigen Oberliga.
Von der Tabellenführung – selbst einer mit negativer Torbilanz – ist der MSV Duisburg mittlerweile weit entfernt. Die „Zebras“sind akut abstiegsgefährdet – und das in der 3. Liga. Acht Punkte Rückstand haben sie auf den rettenden 16. Platz, erst drei Spiele hat der MSV in dieser Saison gewinnen können. Manch einer blickt wehmütig auf die glorreichere Vergangenheit der Meidericher zurück, wie Vereins-Ikone Bernard Dietz gegenüber dem Sport-Informations-Dienst mit einem Blick auf die Zweitliga-Tabelle durchblicken ließ: „SV Elversberg oder so – früher hätten die sich gefreut, wenn wir zum Freundschaftsspiel gekommen wären.“