Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Das prägende Kunstwerk
Es gibt diese Objekte, ohne die ein Museum nicht funktioniert, die nicht wegzudenken sind. In den vielfältigen Düsseldorfer Häusern sind das ein Wassily Kandinsky und ein August Macke, ein Schiff und eine Ziege. Warum sich eine Betrachtung lohnt.
FFilmmuseum Nirgends verweilen die Besucher der Ausstellung so lange, können so viel entdecken und wiedererkennen wie bei den Kostümen. Da ist etwa das massige Kostüm – heute sagt man „Fatsuit“– von Räuber Hotzenplotz aus dem Jahr 1974, verkörpert von Gerd Fröbe. Da ist der blutrote Anzug eines Kellners, den Designer JeanPaul Gaultier für den Film „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“schuf. Und da liegen die Ohren, die Klaus Kinski als Nosferatu trug. Wohl weniger bekannt, aber besonders wertvoll sind die Originalkostüme aus dem Film Yume von dem großen japanischen Regisseur Akira Kurosawa. In acht Teilen verfilmte er 1990 seine Träume, die mal in einem Gebirge im Schneesturm, mal in einer panischen Menschenmenge in Tokio spielen. Die Episode „Pfirsichblütentraum“hat die wohl imposantesten Kostüme hervorgebracht, alle entworfen von der Kostümbildnerin Emi Wada: Ein Prinz und eine Prinzessin tanzen durch einen Garten. Sie tragen traditionell sieben bis acht Kimonos aus reiner Seide übereinander, 17 Kilo schwer. Viele Objekte werden am Ende einer Filmproduktion entsorgt, diese blieben erhalten – auch wegen ihrer gewissen Aura. Sie zeugen von den Tricks und Illusionen des Filmgeschäfts, aber auch von dem Wunsch nach authentischer Darstellung.
Glassammlung Ihre Ohren sind gespitzt, der Kopf aufmerksam zur Seite gedreht – und doch schlummert die Ziege noch im Archiv. In hohen Regalen, zwischen etwa 13.000 anderen Objekten, wartet sie auf die Wiedereröffnung der Glassammlung im Kunstpalast. Die „Ziege“ist ein Symbol dieser Spezialsammlung, die sich dem künstlerischen Umgang mit Glas widmet. Die lebensgroße Glasskulptur stammt von der polnischen Künstlerin und Düsseldorfer Akademieschülerin Marta Klonowska – und sie ist sozusagen aus einem Bild gesprungen. Die Ziege ist ganz klein auf einem Landschaftsgemälde von Alexander Keirincz und Cornelis van Poelenburch zu sehen, das in der Museumssammlung hängt. Klonowska hat das Tier aus seinem Rahmen geholt und als Skulptur zum Leben erweckt. Streicheln kann man es aber nicht – das Glas ist spröde und spitz, die Ziege wirkt messerscharf, zerbrechlich und sanft zugleich. Bevor sie das Regal verlässt und wieder in der Sammlung zu sehen sein wird, muss die Ziege noch einmal vom Archivstaub befreit werden. Den pustet die Künstlerin mit Druckluft weg. Wenn die Glassammlung in diesem Frühsommer wieder öffnet, wird die Ziege dort einen neuen Platz finden.
Hetjens-Museum Liebhaber feinen Porzellans und der Keramik kommen aus aller Herren Länder, um die Sammlung des Hetjens-Museums zu sehen. Sie umfasst 20.000 Objekte aus 8000 Jahren von allen Kontinenten. Dass hier über den Tellerrand geschaut wird, zeigt schon der Blick von der Straße ins Museum. Zu sehen ist von dort die große Fliesenkuppel aus Multan in Pakistan, errichtet in der Ära des legendären Großmoguls von Indien, Aurangzeb (1618 bis 1707). Sie diente als Bekrönung einer Empfangshalle für ein Grabmal. Die Dekoration der Fayencefliesen umfasst die klassische islamische Ornamentik Lebensbaum, Zypresse, Granatapfel und Arabeske. An der Wand ist der Islam erklärt, was in diesen Zeiten sicher besonders vorteilhaft ist, denn kulturelles Verständnis kann allseits Toleranz schaffen. Im gleichen Raum steht eine zeitgenössische Terrakotta-Skulptur von Rainer Kurka: eine junge Frau, die mit fast mädchenhafter Schönheit die Ideale unserer Zeit verkörpert. Vielfalt kennzeichnet dieses Museum und die Abwechslung zwischen schönen und fein gearbeiteten Stücken. Zu entdecken sind etwa die einzig bekannten Porträtvasen des jungen Königspaares Ludwig XVI. und seiner Gattin Marie-Antoinette, oder elegante Wiener Marktfiguren der Rokokozeit von der Burghofschauspielerin Katharina Schratt, einer Freundin Kaiserin Elisabeths
von Österreich und ihres Mannes Franz Josef I., bis hin zur Kakiemon-Sammlung aus der Zeit Augusts des Starken.
K20 Es ist ein Zeitungsbild, das Andy Warhol im Siebdruck vielfach reproduzierte und kombinierte: Eine Frau stürzt an einer Hochhausfassade vorbei in den Tod. Ein paar Meter davon entfernt hängt ein riesiges Bild der schwarzen Farbkleckse und Linien an einer Wand, es ist Jackson Pollocks weltbekanntes sogenanntes Drip-Painting „Number 32“von 1950. Wenn man im K20 nach typischen Werken des Hauses fragt, fällt gleich der Name Wassily Kandinsky. „Komposition IV“(1911) und „Komposition X“(1939) zählen zu seinen bedeutendsten Bildern. Beiden sei eine intensive konzeptuelle Phase vorausgegangen, sagt Vivien Trommer als Leiterin der Sammlung, und sie bewegten sich auf ganz unterschiedlichen Weisen in die Abstraktion. „Die abstrakte Kunst schafft neben der ,realen Welt’ eine neue Welt, die von außen betrachtet nichts mit der ,Wirklichkeit’ zu tun hat.“Dieser Satz Kandinskys steht daneben an der Wand und macht klar: Kunst ist ein Abenteuer der Wahrnehmung, Reflexion und der Fantasie. Am 16. März eröffnet im K20 eine große Ausstellung mit Werken von Hilma af Klint und Wassily Kandinsky.
Düsseldorf hat das große Glück, Landeshauptstadt zu sein. Das hat der Stadt zwei Spitzenmuseen beschert: das K 20 für die Kunst des 20. und das K 21 für die zeitgenössische Kunst. Das K 20 hieß, als es den jungen Ableger noch nicht gab, Kunstsammlung NRW. Es ist das Flaggschiff unter allen Museen, die es in der Stadt gibt, denn es zeigt weltweit geschätzte Werke der klassischen Moderne. In dem schwarzen Bau am Grabbeplatz kann man Bilder von Picasso, Matisse, Paul Klee, Salvador Dalí, René Magritte und Joan Miró bewundern. Ausgestellt sind rund 250 Werke, ihr Gesamtwert geht in die Milliarden. Ein Beispiel des Kunstmarkts: Voriges Jahr wurde ein Kandinsky für 45 Millionen Dollar versteigert. Spannend sind die Ankäufe und die neue Hängung: Viele Werke von Frauen sind hinzugekommen und werden gezeigt, die Kunst ist heute intensiver im Dialog und diverser.
K21 Es gibt Werke, die kann man nicht vergessen. Katharina Fritsch hat eine riesige schwarze Maus auf die Brust eines Mannes gestellt, der im Bett liegt. Es wirkt wie die Skulptur eines Albtraumes, aus dem es kein Erwachen gibt. Dieses im Wortsinne große Werk gehört zum K21, das einen Reigen von Künstlerinnen und Künstlern zeigt, die nach Aussage des Museums „Einsamkeit in der digitalen Welt, Erfahrung von Ausgrenzung und Diskriminierung und Fragen der individuellen Identitätssuche“thematisieren. Das Museum zeigt die aktuellen Entwicklungen im Bereich der zeitgenössischen Kunst. Zu sehen sind raumgreifende Installationen, Videoarbeiten und multidisziplinäre Ansätze von internationalen Künstlern wie
Ed Atkins, Cao Fei, Isa Genzken, Henrike Naumann, Senzeni Marasela, Hito Steyerl und Ai Weiwei. Zu den Highlights gehören, so das Haus, die multimediale Installation „SocialSim“(2020) der Videokünstlerin Hito Steyerl. Die immersive Arbeit setzt sich kritisch mit der Informationsflut des Internets auseinander. Ebenso besonders: die Textilarbeiten der Künstlerin Senzeni Marasela, die 2023 im Rahmen des ersten K21 Global Art Award erworben wurden. Der Preis ist mit 100.000 Euro dotiert und eine Initiative der Freunde der Kunstsammlung. Ziel: Die Sammlung soll vielstimmiger, pluraler und globaler werden. Achtung: Das K 21 schließt vom 19. Februar bis zum 21. März für den Abbau der Netzinstallation „In Orbit“und den Aufbau der Mike-Killey-Ausstellung.
Kunstpalast Es besticht schon allein durch
seine Größe und die Platzierung: 5,10 mal 5,30 Meter misst das „Erdtuch“, bestehend aus abertausenden Kronkorken. Und es hängt direkt neben der berühmten Himmelfahrt von Peter Paul Rubens im Rubens-Saal, eine ungewöhnliche und doch harmonische Kombination, denn allein farblich passen die beiden Werke zusammen. Das „Earth Cloth“des ghanaischen Künstlers El Anatsui steht buchstäblich für eine verwobene Weltgeschichte, die sich auch in der Sammlung des Kunstpalastes wiederfindet. Der Kunstpalast besitzt und verwahrt mehr als 130.000 Objekte, Miniatur- und Monumentalwerke, Alltagsgegenstände und Schmuckstücke, Plastik und Porzellan, Zeichnungen und VRInstallationen – von der Kunst des Mittelalters über die Sammlungsschwerpunkte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwartskunst. Mit dem Erdtuch macht El Anatsui auf die Verstrickungen zwischen Afrika, Europa und Amerika aufmerksam. Seit dem 16. Jahrhundert betrieben Machthabende dieser Kontinente Sklavenhandel und die afrikanischen Beteiligten wurden oft mit Alkohol bezahlt. Durch die Tausenden Flaschenverschlüsse verknüpft Anatsui diese Geschichte mit Fragen der modernen Gesellschaft: Verbrauch, Handel und Umwelt. Das Erdtuch gilt als frühes Hauptwerk des aufsteigenden Künstlers – es habe seinen damaligen Ankaufspreis bereits vielfach potenziert. Heute könnte der Kunstpalast dieses Kunstwerk nicht mehr erwerben.
Schifffahrtmuseum An einem einzigartigen Ort residiert das Schifffahrtmuseum: im Schlossturm am Rhein. Der Ort ist Düsseldorfer Geschichte pur – die Stadtgründung fand im zwölften Jahrhundert statt und der Bau des Schlossturms begann im dreizehnten. Er beherbergt sozusagen Düsseldorfs Vertikalmuseum. Auf recht kleinen Etagen ist viel über die Geschichte der Rheinschifffahrt zu erfahren. Zur Sammlung gehören 150 Schiffsmodelle. Darüber hinaus lassen sich anhand der umfangreichen grafischen Sammlung rund 500 Jahre Schifffahrt auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen nachvollziehen, auch über das Leben der Rheinschiffer
ist einiges zu erfahren. Herzstück der Sammlung ist das zwei Meter große Modell der Staatsjacht des Kurfürsten Jan Wellem, das 1936 Teil der ersten Ausstellung des Museums war. Da es sich um eines der ersten und wichtigsten Modelle der Sammlung handelt, ist es unersetzbar und damit auch unbezahlbar. Das Museum ist nun 40 Jahre im Schlossturm. Im Verlauf des Jubiläumsjahres ist ab dem 21. Juli eine Ausstellung über den Rheintourismus zu sehen. Vom 3. bis 10. September macht das historische Segelschiff „Helena“mit seinen 400 Quadratmetern Segeln am Düsseldorfer Ufer fest.
Schloss Benrath Selbst alltägliche Gegenstände sind in einem adeligen Lustschloss alles andere als gewöhnlich. 1755 ließ Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz das Schloss Benrath von seinem Garten- und Baudirektor, dem Franzosen Nicolas Pigage, errichten. Es sollte als Sommer- und Jagdschloss nahe der Nebenresidenz Düsseldorf und später als Witwensitz für seine Frau, Elisabeth Augusta, dienen. Der Wohnbau – das Corps de Logis – ist der architektonische Höhepunkt und heute ein Museum, das neben den prunkvollen Räumen ebenso noble Möbel, Gemälde, Porzellan und Uhren enthält. Insgesamt sind es 1400 Objekte. Das wohl prägendste Stück: Eine Pendeluhr des Uhrmachers Guillaume Cornille. Die goldene Uhr wurde speziell für den Kurfürsten und sein Schloss angefertigt ist stilistisch eng mit der Ornamentik der Schlossräume verwandt. Zudem war Cornille ein in Düsseldorf ansässigen Uhrmacher, der auch die Wanduhr im Kuppelsaal anfertigte. Wer das Schloss Benrath besucht, kann aber noch zwei weitere Museen berichtigen: Zu der Stiftung gehören auch das Naturkundemuseum und das Museum für Gartenkunst.
Stadtmuseum Vom Fischerdorf zur Rheinmetropole: Der Wandel der Stadt ist im Stadtmuseum, das 2024 sein 150-jähriges Bestehen feiert, detailreich nachzuvollziehen. Der Bestand ist riesig, er umfasst 500.000 Objekte von der Ur- und Frühgeschichte bis ins 21. Jahrhundert. Einen
Schwerpunkt bildet die große Anzahl an Porträts. Sie gehören zu den Publikumslieblingen, darunter die Gemälde des Malers Jan Frans van Douven, der Hofmaler des Kurfürsten Jan Wellem war und ihn natürlich mehrfach gemalt hat. Wo der Kurfürst lebte, kann man auch entdecken. Modelle und Bilder des Düsseldorfer Schlosses, das Ende des 19. Jahrhunderts abbrannte, gehören ebenso zur Sammlung. Für die Identität des Hauses steht aber das Gemälde „Die Zeitgenossen“von Arthur Kaufmann aus dem Jahr 1925. Der Maler gründete mit Herbert Eulenberg und Adolf Uzarski in Düsseldorf die berühmte Künstlervereinigung „Das Junge Rheinland“. Das Bild zeigt Protagonisten der Düsseldorfer Kunstszene, in der Mitte die legendäre Johanna Ey, Kunsthändlerin und Sammlerin. Die Versicherungssumme liegt bei 250.000 Euro.
Theatermuseum Man kennt August Macke als berühmten Expressionisten, als Mitglied der Kunstbewegung „Der Blaue Reiter“, man kennt ihn für seine Gemälde mit ausdrucksstarken Farben und kubistischen Techniken, die fast immer den Menschen in alltäglichen Situationen zum Mittelpunkt machen. Doch Macke, geboren im Jahr 1887, war anfangs auch als Bühnenbildner am Düsseldorfer Schauspielhaus tätig. Nach Lehrjahren an der Düsseldorfer Kunstakademie und der Kunstgewerbeschule heuerte er beim Theater an – und schuf in dieser Zeit unter anderem einen Bühnenbildentwurf für „Das Rotkäppchen“. Dieser ist heute im Besitz des Theatermuseums. 1906 war das eine Seltenheit. Bühnenbilder wurden meist als ganzes Set gekauft, nicht extra für ein Stück entworfen und hergestellt. Das Düsseldorfer Schauspielhaus aber, damals noch ein Privattheater, hatte bereits eine eigene Werkstatt. Der Entwurf, sagt Museumsleiter Sascha Förster, ist bemerkenswert, weil er räumlich und flächig zugleich ist – eine sinnliche Herausforderung für das Theaterpublikum Anfang des 20. Jahrhunderts. Wie der Entwurf von Macke damals umgesetzt wurde, weiß man allerdings nicht. Vom Bühnenbild gibt es keine Aufnahmen oder Gemälde.