Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Suche nach einer Vision für Haus Meer
Der Geschichtsverein Meerbusch hatte zur Diskussion über das historische Gelände Haus Meer eingeladen. Verschiedene Experten schilderten die Besonderheit des Orts aus ihrer Sicht.
„Die Stadt hat eine starke Position, was auf dem Gelände Haus Meer passiert. Hat sie aber auch eine Vision?“Diese Frage stellte ein Bürger am Ende einer spannenden Vortragsveranstaltung des Geschichtsvereins Meerbusch über die Zukunft des historischen Geländes. „Juwel oder Trümmerhaufen?“lautete die provokante Frage, die viele Bürger an diesem Abend in die Nussschale in Osterath lockte. Bereits zehn Minuten vor Beginn waren alle Stühle besetzt, als weitere Interessierte in den Raum drängten und auf Fensterbänken oder im Vorraum Platz nehmen mussten.
Doch es lohnte sich. Die Referenten machten sehr anschaulich klar, dass es sich bei dem Gelände am Rande der Ilvericher Altrheinschlinge um ein geschichtliches Juwel handele, wie es Meerbusch kein zweites habe und das zudem regional bedeutsam sei. Zunächst referierte der promovierte Historiker Mike Kunze, Vorsitzender des Vereins, über die bedeutsamste Zeit von Haus Meer, als sich die verwitwete Hildegundis von Meer nach dem Tod des erbberechtigten Sohnes gegen viele Begehrlichkeiten umliegender Fürsten durchsetzte und mit der Gründung des Klosters 1166 ihre Herrschafts- und Gebietsansprüche wahren konnte. „Das war eine herausragende Leistung“, so Kunze. Immerhin 600 Jahre hatte das Kloster Bestand und war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region. Erst mit der Säkularisierung unter Napoleon 1804 sei das Ende gekommen, als die Familie des Krefelder Seidenbarons von der Leyen „für einen Spottpreis“das Gelände kaufte und Kloster samt Kirche beseitigte, so Reinhard Lutum vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege. Da die Familie mennonitischen Glaubens war, hatten sie kein Interesse am Kloster. Dafür baute sie das Gästehaus zum Schloss um und beauftragte den Gartenarchitekten
Joseph Clemens Weyhe mit der Gestaltung eines englischen Landschaftsgartens, der heute als Gartendenkmal unter Schutz steht. Auch die noch erhaltenen Reste des Klosters, besonders die Remise, sind unter Denkmalschutz gestellt worden. Doch damit nicht genug. Neben Bau- und Gartendenkmal gibt es etliche schützenswerte Bodendenkmäler auf dem Gelände.
Dazu referierte der Archäologe Patrick Jülich. Schon zur Bronzezeit habe es hier eine Siedlung gegeben. Später hätten die Römer Fuß gefasst, da mit der damals noch wasserführenden Altrheinschlinge die Möglichkeit der Verschiffung von Gütern gegeben war. „Das kostete nur ein Zehntel des Transports über den Landweg“, machte er deutlich. Bei Grabungen 1963 hätte man Reste eines römischen Ziegelkanals gefunden. Scherbenfunde deuteten auf eine römische Villa Rustica.
„Dort gäbe es noch viel mehr zu entdecken“, ist sich Jülich sicher. Ihm jucke es in den Fingern, weitere Grabungen zu unternehmen.
Norbert Schöndeling von der FH Köln spannte dann den Bogen zur Jetztzeit. In der Landesverfassung sei der Denkmalschutz verankert, weil die Gesellschaft ihr historisches Erbe bewahren wolle. Das gelte
auch für Haus Meer. Dafür müsse man Opfer bringen. Er regte an, ein Konzept zu erstellen, wie man die Originalsubstanz erhalten und eine passende Nutzung damit verbinden könne. Dabei müsse die Maßstäblichkeit gewahrt bleiben. „Der Park ist kein Vorgarten für drei Hochhaustürme“, verdeutlichte er und bezog sich damit auf die Pläne der
Augustinum-Gruppe, auf dem Gelände ein Seniorenheim zu bauen, das einen Teil des Gartendenkmals in Anspruch nehmen würde. Dabei ist ihm klar, dass es mit einer rein privaten Finanzierung nicht funktionieren werde. „Wir brauchen ein tragfähiges Konzept von Stadt und privatem Eigentümer. Dann können wir Fördertöpfe anzapfen“, schlug er vor. Seine Vision, aus Remise und dem Grundstück des ehemaligen Schlosses ein denkmalverträgliches Ensemble zu entwickeln, wurde mit viel Beifall aufgenommen. Das wären immerhin rund 8000 Quadratmeter Nutzfläche. Auch der angrenzende Gutshof sei erfolgreich einer neuen Nutzung zugeführt worden. „Wir können es nicht dem Eigentümer überlassen, eine Lösung zu finden“, sagte Wolf Mache. Die Stadt müsse eine eigene Vision entwickeln. Das schien an diesem Abend einhelliger Konsens zu sein.