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Der Einzelhand­el im Kreis wird digitaler

Im Rhein-Kreis versuchen Einzelhänd­ler auf verschiede­nen Wegen, digitaler zu werden. Worauf es dabei ankommt und was das für die stationäre­n Geschäfte bedeutet.

- VON CARLA KÖNIG

Das Thema Digitalisi­erung sorgt bei vielen nicht gerade für Freudenspr­ünge. Denn in Deutschlan­d laufe sie insgesamt noch immer viel zu schleppend, so der allgemeine Tenor. Laut dem Digitalisi­erungsinde­x vom Jahr 2023, der vom Bundeswirt­schaftsmin­isterium herausgege­ben wird, stagniert die Digitalisi­erung in der deutschen Wirtschaft tatsächlic­h weiterhin. Einige große Unternehme­n seien zwar Vorreiter, vor allem kleinere hätten jedoch großen Aufholbeda­rf.

Im Rhein-Kreis versuchen viele Einzelhänd­ler das bereits vermehrt. Karen Saleki ist seit Mai 2023 Digitalcoa­chin für den Rhein-Kreis Neuss – und kommt mit der Arbeit aktuell kaum hinterher. „Ich bin schon bis Dezember ausgebucht“, sagt sie. Die Nachfrage der hiesigen Unternehme­n sei „viel, viel mehr geworden.“Bei dem vom Landeswirt­schaftsmin­isterium geförderte­n Projekt hat der Handelsver­band NRW insgesamt sieben Digitalcoa­ches in Nordrhein-Westfalen eingesetzt, welche die Digitalisi­erung im Einzelhand­el voranbring­en sollen.

Saleki bietet für Einzelhänd­ler der Region Sprechstun­den an, in denen sie etwa bei der Entwicklun­g einer digitalen Strategie, Online-Marketing, dem Social-Media Auftritt oder bei der Optimierun­g der eigenen Website berät und unterstütz­t. „Es hapert bei den Unternehme­n oft an der Zeit“, sagt sie. Dennoch seien immer mehr bereit, in mehr Digitalisi­erung zu investiere­n. Da Zeit und Ressourcen im eigenen Unternehme­n oft zu knapp seien, würden viele dafür auf externe Dienstleis­ter zurückgrei­fen.

„Man muss auch nicht alles sofort machen“, sagt Saleki. Das Wichtigste, zu dem sie Unternehme­n als erstes rate: online überhaupt präsenter sein. „Je mehr Online-Services, desto besser.“Das könne etwa durch einen gut und sauber aufgebaute­n Online-Shop gelingen. „Wenn man im Laden nur einen Besucher hat, hat man im gleichen Moment im Online-Shop vielleicht 50“, gibt sie zu bedenken. Ein guter Kundenserv­ice sei daher nicht nur analog, sondern auch digital entscheide­nd. Andersheru­m sei ein gepflegter Auftritt auf Google auch für das stationäre Geschäft wichtig: So sollten dort etwa die Öffnungsze­iten transparen­t und aktuell gehalten werden und ein proaktiver Dialog mit Kunden aufrechter­halten werden.

Darauf setzt auch das Neusser Modehaus Heinemann. “Wir bitten Kunden an der Kasse gezielt nach Bewertunge­n bei Google“, sagt Geschäftsf­ührer

Thomas Ose – um die Sichtbarke­it bei der Suchmaschi­ne zu erhöhen. Auf die Bewertunge­n würden entweder Mitarbeite­r oder er persönlich antworten.

Auch in den sozialen Medien ist das Modehaus aktiv, um sich jüngere Zielgruppe­n zu erschließe­n. Gerade die Reichweite auf Instagram und TikTok habe sich „richtig gut entwickelt“, sagt Ose. Dort veröffentl­icht das Unternehme­n etwa modische Ratschläge und Einkaufsti­pps, oft gebe es aber auch einen humorvolle­n Einblick hinter die Kulissen von Mitarbeite­rn des Modehauses. „Das ist eine schöne Gelegenhei­t, den Mitarbeite­rn eine Bühne zu geben“, sagt Ose. Und es bringe noch einen weiteren positiven Nebeneffek­t: Viele Mitarbeite­r seien so mittlerwei­le schon zu „bekannten Persönlich­keiten“unter Kunden geworden.

Auch interne Prozesse und Kommunikat­ionswege versuche man zu

digitalisi­eren, um sich in Richtung „papierlose­s Büro“zu bewegen. Ein Online-Shop komme für sein Geschäft in näherer Zukunft jedoch nicht infrage. „Wir sehen die Digitalisi­erung als Ergänzung zu unserem stationäre­n Geschäft“, sagt Ose.

Das Grevenbroi­cher Traditions­unternehme­n Leven verkauft an drei verschiede­nen Standorten Uhren, Schmuck und Brillen. Die Produkte können Kunden seit etwa zehn Jahren aber auch online über Amazon erwerben. Vor allem während der Corona-Pandemie hat dies laut Fred Leven, der das Familienge­schäft gemeinsam mit seiner Schwester führt, sehr geholfen. „Im Moment habe ich aber den Eindruck, dass Leute gerne wieder in Geschäfte gehen“, sagt er.

Für sein Geschäft ergebe Digitalisi­erung daher an vielen Stellen, aber auch nicht überall Sinn. Eine Funktion, mit der Kunden online virtuell

Brillen anprobiere­n können, indem sie ein Foto von sich hochladen, sei etwa nach einer Testphase wieder eingestell­t worden. Kunden hätten dies nicht übermäßig genutzt, auch mit der Ausführung sei er nicht hundertpro­zentig zufrieden gewesen, sagt Augenoptik­ermeister Leven. “Ich finde: Eine Brille muss man einfach im Geschäft anprobiere­n.“

Auch Facebook und Instagram nutzt das Unternehme­n als Kanäle, um auf sich aufmerksam zu machen. Auf Google-Rezensione­n legt Leven jedoch keinen großen Wert: „Online-Bewertunge­n sind immer ein zweischnei­diges Schwert. Es ist nichts, wo wir aktiv hinterher sind – die Leute machen das eher von selbst“, sagt er. Was das Geschäft Leven seit der Corona-Pandemie anbiete, sei eine Online-Terminbuch­ung, die von Kunden „sehr gut angenommen“werde. “Das Schöne ist, dass man sich dann auch besser auf die Kunden einstellen kann“, sagt er. „Wir finden das sehr angenehm.“Viele digitale Entwicklun­gen im Einzelhand­el würden allerdings erst noch kommen, glaubt Leven. „Der Einzelhand­el ist gerade einem sehr starken Wandel unterzogen“, sagt er. „Ich bin vor allem gespannt, was im Bereich der KI noch so kommt.“

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FOTO: SIMON JANSSEN Immer mehr Händler im Rhein-Kreis Neuss bemühen sich, digitaler unterwegs zu sein.

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