Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ein Ostwestfale singt für Deutschland
Isaak Guderian aus Espelkamp tritt am 11. Mai beim Finale des Eurovision Song Contest in Malmö an.
BERLIN Auf ein Neues: Isaak Guderian, kurz Isaak, vertritt Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) am 11. Mai im schwedischen Malmö. Der 28-Jährige aus Espelkamp setzte sich jetzt mit seinem Song „Always on the Run“beim von der ARD übertragenen deutschen Vorentscheid gegen acht Mitbewerber durch. Der kraftvolle Popsong mit eingängigem Refrain überzeugte sowohl die Jurys als auch die Zuschauer. Isaak gewann knapp vor Max Mutzke, der bereits 2004 beim ESC-Finale in Istanbul den achten Platz belegte. Ob der Westfale in Malmö besser abschneidet, wird sich zeigen. Allerdings würde es wohl schon als Erfolg gewertet, nicht wie alle deutschen Beiträge seit 2019 auf dem letzten oder vorletzten Platz zu landen. Ein schwacher Trost, aber immerhin: Schlechter abschneiden als seine Vorgänger kann Isaak nicht.
Dies offenbart auch gleich die Misere der deutschen ESC-Teilnahme. Egal welcher Künstler zuletzt per Jury-Entscheid oder ZuschauerVoting zum Finale geschickt wurde, er scheiterte grandios auf der europäischen Showbühne. Die Gründe dafür sind vielfältig und letztendlich schwierig eindeutig auszumachen. Kritisiert wird immer wieder das wenig innovative Auswahlverfahren,
das zu schwache Songs nach oben spült, oder dass der Wettbewerb hierzulande als eine Art exotischer Karneval eher beiläufig abgehandelt wird. Fakt ist, dass der Norddeutsche Rundfunk als ausrichtende Sendeanstalt das Zepter nicht aus der Hand gibt, um einen Erneuerungsprozess zuzulassen. Die größten Erfolge erzielten deutsche Sängerinnen in den vergangenen Jahren aber, als Stefan Raab als kreativer Kopf hinzugezogen wurde. Lerneffekt: gleich null.
Eine Rolle spielen mag auch, dass deutsche Interpreten im europäischen Vergleich keine sonderlich großen Sympathien genießen oder es ihnen einfach an internationaler Bekanntheit mangelt. Erfolgreiche Künstler hierzulande scheuen denn auch meistens davor zurück, sich zu bewerben, zu sehr fürchten sie angesichts eines fast erwartbaren Misserfolgs Häme oder Imageschaden. Das bei diesen Debakeln immer wieder beschworene Motto „Hauptsache, dabei gewesen“reicht in der Regel nicht als Anreiz, vor einem
Millionenpublikum als Schlusslicht bemitleidet zu werden.
Entsprechend verkrampft kommt mittlerweile die Suche nach einem geeigneten Kandidaten daher, diesmal mit eigens eingebetteter Castingshow, moderiert von ESCGewinnerin Conchita Wurst und Sänger Rea Garvey. Weil dies beim NDR als Nachweis musikalischer Kompetenz nicht reicht, musste sich der siegreiche Casting-Kandidat Floryan am Freitag in der Liveshow „Das deutsche Finale“mit acht bereits gesetzten Musikerinnen und Musikern messen.
Nicht dass der aktuelle Jahrgang besonders aufregend wäre. Aber auch nicht auffällig schlecht. Allenfalls solide und sympathisch, gewohnt charmant moderiert von Barbara Schöneberger. Unter anderem mit dabei im Teilnehmerfeld: das Duo Galant mit angeblich retrofuturistischem
Elektropop, der sich ungeniert bei der Neuen Deutschen Welle bedient; Marie Reim, Tochter von Michelle und Matthias Reim, mit einem lupenreinen Schlager, und die Niederländerin Bodine Monet mit einer gefühligen Ballade.
Zwischendurch durften Gäste wie Florian Silbereisen, Mary Roos und Riccardo Simonetti begeistert das Vorgetragene kommentieren und darüber sinnieren, warum es nicht reicht im internationalen Vergleich. Das mag auch ein Problem des deutschen Auswahlverfahrens sein: Alle Beteiligten finden sich und jeden anderen toll, was prinzipiell schön ist, unter Wettbewerbsgedanken aber vielleicht nicht zielführend.
Doch was soll’s. Der Siegertitel wurde zu gleichen Teilen von Jurys aus acht Ländern sowie dem Publikum gekürt. Bei den Jurys lagen Isaak, Max Mutzke und Bodine Monet vorne, bei den Zuschauern Isaak, Max Mutzke und Ryk – damit hatte der westfälische Musiker sein Ticket nach Malmö gelöst. Am 11. Mai wird sich zeigen, wie klug die Wahl war. Chancenlos ist Isaaks Song sicher nicht, die Ingredienzien sind auf jeden Fall ESC-tauglich. Schöneberger zumindest hat wie immer, diesmal mit leicht selbstironischem Unterton, ein gutes Gefühl. Na dann.