Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Neues Leben für Altbau in Unterbilk
Das Architekturbüro Küssdenfrosch restauriert das Haus an der Martinstraße 9. Es wurde von der Union-Brauerei ab 1895 errichtet.
Wohnungen sind in Düsseldorf knapp. Aber eine schöne Altbauwohnung? So etwas empfinden viele Menschen wie einen Sechser im Lotto. Wenn man so will, kommen dazu in diesem Frühjahr wieder ein paar Lose in die Trommel. Genauer gesagt, sind es fünf Wohnungen von etwas mehr als 100 Quadratmetern. Das Haus an der Martinstraße 9 ist dabei etwas Besonderes, denn es gehörte einst zu einer Brauerei und wird derzeit aufwendig restauriert. Die Firma Küssdenfrosch, in Düsseldorf durch den Betrieb der Stadtstrände bekannt geworden, hat das Denkmal erworben. Architekt Andreas Knapp geht dort der Leidenschaft nach, etwas Schönes mit den Spuren, die die Zeit ihm beigebracht hat, zu erhalten und einem neuen Leben zuzuführen.
„Hinter dem Haus war ich zwölf Jahre her“, sagt der Architekt beim Rundgang durch die Baustelle. Beim dritten Entwickler, der das große Areal nördlich der Liesegang-Gebäude bebauen wollte – und dies mit mehr als 200 Wohnungen jetzt auch tut –, hatte Knapp Erfolg. Da die BPD Immobilienentwicklung GmbH im Innenbereich des Areals an der Volmerswerther Straße/Martinstraße Neubauten errichtet, aber mit Altbausanierungen wenig zu tun hat, war das Unternehmen zum Verkauf bereit.
Der Eintrag in der Denkmalliste hebt bei dem viergeschossigen Gebäude in rotem Backstein die Stuckarchitekturgliederung in der Formensprache der Neorenaissance hervor, die kunstvolle Fassadengestaltung – und den Umstand, dass vieles in und an dem Haus noch im Originalzustand erhalten ist. Das gilt für das Treppenhaus, viele der Holztüren inklusive der Wohnungseingangstüren, die Zementfliesen im Hausflur etc.
Das Haus entstand, als die „Unionbrauerei Actiengesellschaft Düsseldorf“, die sich zwischen 1850 bis 1890 von einer Hofbrauerei zu einer
Aktiengesellschaft entwickelte, sich an der Martinstraße ausbreitete. „Das Haus mit der reich verzierten Fassade ist ein gutes Beispiel für den im Bürgertum aufkommenden ,Gründerzeitstil’, der sich aufgrund des wachsenden Wohnbedarfs im Zuge der Industrialisierung entwickelte und das Stadtbild Düsseldorfs einst geprägt hat beziehungsweise noch prägt“, heißt es im Denkmaleintrag. Architekt war Heinrich Gagelmann, Bauherr Heinrich Boes. Die Bauerlaubnis ist von 1895, zwei Jahre später soll der Bau mit Hofdurchfahrt fertig gewesen sein. Auf einem Briefpapier der Brauerei aus dem Jahr 1900 ist das Gebäude zu sehen.
Erhalten ist viel, der Zustand des Gebäudes aber war mäßig, sagen die Experten. „Ich habe selten ein Haus in einem solch schlechten Zustand gesehen“, sagt Heike Uellendahl, die leitende Architektin von Sanierung und Umbau. Jahrelang stand das Haus leer, viel Feuchtigkeit drang ein, die Trägerbalken waren teils marode, so dass einige neue Stahlträger eingebracht werden mussten. Die künftigen Mieter werden davon nicht viel bemerken, denn Küssdenfrosch hat dann eine neue Decke eingezogen und diese sogar mit Stuck versehen.
So weit es ging, sind alle Holztüren erhalten geblieben. Sie wurden und werden gereinigt, vielleicht etwas aufgearbeitet. „Aber nicht zu viel“, sagt Knapp, „wir wollen, so weit es geht, viel vom Charakter erhalten.“Ist dennoch ein Ersatz vonnöten, wird der in drei Hallen verborgene Fundus aus Altbau-Teilen durchsucht, bis ein passendes Stück gefunden ist. Im Fall einer zu breiten Tür, die für ein Badezimmer benötigt wird, hat der Schreiner zwei Stücke herausgeschnitten, damit sie passt. Die Bäder erhalten Waschtische im alten Stil, die Einbauschränke sind mit Shuttern (Lamellentüren) versehen.
Viele prägende Wände in den Wohnungen sind vom Putz befreit und die Fugen erneuert worden.
Die Böden sind angeschliffen, aber nicht von Gebrauchsspuren befreit. Wer die Dachwohnung mietet, wird Raumhöhe genießen und dauerhaft die Holzbalkenkonstruktion vor Augen haben. Sie ist nicht durch die Dämmung und aufgesetzte Platten unsichtbar geworden, weil die Dämmung außen aufgebracht wurde. Ein kostentreibender Aufwand, was auch für die Aufzuganlage im Hof gilt. Sie ist ebenso neu angebaut worden wie die Balkone, über die man die Einkäufe in die Küche bringen kann.
Solch ein Lift ist für die Bewohner in den oberen Etagen natürlich ein Segen. Die Balkone mit dem Geländer im Gründerzeitstil wiederum erreichen das stolze Maß von 2,50 mal sieben Metern. Kfz-Stellplätze musste Knapp nicht nachweisen, dafür aber 14 Fahrradstellplätze im Hinterhof. Die Wärme für das Heizen wird aus dem Grundwasser gewonnen, es sind eigens zwei Brunnen gebohrt worden. Besonders ist auch die Hinzuziehung des Künstlers Ben Mathis. Er hat eine Giebelwand des Haus mit Hopfen bemalt, was zur Geschichte des Ortes passt. Im Stil von Banksy ist ein Junge zu sehen, der den Pinsel in die Höhe streckt. Mathis wird auch noch die Hofdurchfahrt mit den Dolden gestalten.