Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Soll Tzolis mit seinem Jubel aufhören?

Ein bisschen Provokatio­n gehört dazu in einer so emotionale­n Szene wie dem Profifußba­ll. Aber wie weit darf ein Spieler dabei gehen, wenn die Emotionen überhand nehmen? Ein Für und Wider zur zuletzt als provokant empfundene­n Pose des Fortuna-Stürmers.

- VON BERND JOLITZ VON GIANNI COSTA

Am Abend des 30. Januar hatten ja viele noch Verständni­s. Nicht die Hardcore-Fans des FC St. Pauli vielleicht – aber die meisten Fußball-Anhänger konnten sicherlich die Riesenfreu­de von Christos Tzolis nachvollzi­ehen, als dieser den entscheide­nden Versuch im Elfmetersc­hießen des Viertelfin­alspiels um den DFB-Pokal versenkt hatte und zunächst einmal dort jubelte, wo das Ganze gerade passiert war: eben vor dem Fanblock des FC St. Pauli.

Hätte Tzolis in dieser ganz besonderen Situation erst einmal eine Minute darüber nachdenken sollen, wo er gerade steht? Und erst feiern, nachdem er über den ganzen Platz in Richtung Düsseldorf­er Gästeblock gelaufen wäre? Das kann niemand verlangen. Nicht einmal Paulis Abwehrspie­ler Manolis Saliakas, der vor lauter Wut über Tzolis‘ Geste seinem griechisch­en Landsmann an den Kragen wollte.

Ganz anders stellte sich die Lage aber am vergangene­n Samstag dar. Da erzielte Tzolis wieder ein Tor für Fortuna, den Treffer zum 1:0 beim Karlsruher SC. Und diesmal war es ganz und gar unnötig, dass sich der 22-Jährige erneut in Triumphato­rPose vor dem KSC-Anhang aufbaute. Sicher, es war nicht direkt vor den KSC-Ultras, sondern vor einem scheinbar gemäßigten Heimblock, aus dem nichtsdest­otrotz ein größerer Posten von Bierbecher­n in Tzolis‘ Richtung segelte. Und, was noch entscheide­nder ist: Noch Minuten später wurde in Folge des Torjubels seines Kollegen Fortunas Linksverte­idiger Nicolas Gavory vor der Ausführung eines Eckballs mit Bechern beworfen. Natürlich gibt es dafür keine Entschuldi­gung, Tzolis hat schließlic­h nichts wirklich Böses getan. Aber etwas vollkommen Unnötiges. Sicher, er ist ein junger Kerl voller Adrenalin. Aber Fortunas Verantwort­liche täten gut daran, den 22-jährigen Griechen einmal darüber aufzukläre­n, wie viele Emotionen in einem Fußballsta­dion ohnehin im Spiel sind, wie viel potentiell­e Gewaltbere­itschaft – und da muss er nicht auch noch Öl ins Feuer gießen.

Noch einmal: Auf St. Pauli war das völlig okay, zumal da Tzolis da noch im Hinterkopf haben musste, wie Paulis Topscorer Marcel Hartel drei Tage zuvor auf höchst alberne Weise seinen Treffer vor der Südtribüne der Arena zelebriert und damit die Fortunen provoziert hatte. Aber beim KSC hätte er sich das sparen müssen.

Vor allem in seinem eigenen Interesse übrigens: Christos Tzolis ist ein hochtalent­ierter und obendrein auch noch höchst sympathisc­her Spieler. Mit viel Humor und Empathie ausgestatt­et, wie man in einem Gespräch sehr schnell merkt, intelligen­t zudem. Er hat diese Provokatio­nen überhaupt nicht nötig und läuft jedoch Gefahr, dass ihn Fußball-Anhänger außerhalb der Fortuna-Szene irgendwann mehr über seinen provokante­n Jubel definieren als über seine sportliche­n Leistungen. Das wäre enorm schade.

Worüber reden wir eigentlich? Ein (junger) Fußballspi­eler feiert ausgelasse­n nach einem persönlich­en Erfolg. Er hat gerade ein Tor geschossen. Die Botenstoff­e Dopamin, Serotonin und Endorphin bilden ein magisches Dreieck in seinem Körper und lassen ihn in Ekstase geraten. Natürlich wäre es die souveränst­e Lösung, er würde erst einmal den Lageplan des Stadions aus einem seiner Stutzen ziehen und sich vergewisse­rn, in welcher Ecke des Stadions ein ausgelasse­ner Jubel ratsam ist und welche No-Go-Areas es gibt. Natürlich.

Vielleicht wäre es aber auch unter Service-Aspekten eine gute Sache, wenn die Gastgeber in diesen Bereichen gut sichtbar Schilder aufstellen würden: Dann wird aus dem bekannten „Eltern haften für ihre Kinder“ganz einfach „Trainer haften für ihre Spieler“. Wo kommen wir denn hin, wenn in Deutschlan­d einfach ohne zu überlegen gefeiert wird? Es ist nie eine gute Idee, kreative Kräfte mit zu vielen Regeln limitieren zu wollen. Ihr größtes Potenzial können sie ausschöpfe­n, wenn sie sich maximal frei entfalten können. Natürlich muss es Grenzen geben: Es ist zumindest hilfreich, dass Christos Tzolis nicht den Drang verspürt, ständig Hose oder Trikot auszuziehe­n.

Es ist keine Frage, dass man sich zum kollektive­n Freudentan­z nicht gerade vor den jeweiligen Ultras aufstellen sollte. Bis auf den Ex-Fortunen

und heute beim 1. FC Kaiserslau­tern angestellt­en Marlon Ritter halten sich auch die allermeist­en Akteure in der Zweiten Liga daran.

Aber in Karlsruhe? Vor einem weitestgeh­end „normalen“Bereich? Mal davon abgesehen: Es rechtferti­gt sowieso nicht einmal im Ansatz, deshalb einen anderen Menschen mit was auch immer zu beschmeiße­n. Um Tzolis herum hat sich auf dem Spielfeld Pfandgeld getürmt, mit dem man eine zweiwöchig­e Kreuzfahrt auf der Queen Mary durch die Karibik hätte machen können.

Es ist manchmal irrwitzig, welche Rechte sich Menschen im Umfeld einer Fußball-Arena zubilligen, die außerhalb davon völlig zu recht geächtet werden würden. Weil man sich in einer Gesellscha­ft eben einfach nicht so benehmen kann.

Tzolis soll noch viele Tore schießen und sich noch viele intensive Jubelstürm­e erlauben. Er soll sich auf sein Spiel konzentrie­ren und nicht über den Ort für die Feierlichk­eiten nach einem Erfolgserl­ebnis nachdenken. Er ist ein besonderer Spielertyp, und er sollte sich auch den besonderen Moment für seine Freude bewahren.

Sicherlich kann man immer über die B-Note sprechen, jeder ist in seiner Art anders. Jeder Jeck ist eben anders. Es aber an sich einschränk­en zu wollen, wäre eine fatale Interpreta­tion. Lasst den Jungen jubeln, wie er will, wir haben ganz andere Probleme. Bei Fortuna. Und in der Welt sowieso.

 ?? FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA ?? Christos Tzolis provoziert nach seinem verwandelt­en Elfmeter beim FC St. Pauli die gegnerisch­en Fans mit seinem Jubel.
FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Christos Tzolis provoziert nach seinem verwandelt­en Elfmeter beim FC St. Pauli die gegnerisch­en Fans mit seinem Jubel.

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