Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Fehlende Lust auf Ausbildung hat laut Studie viele Gründe

- VON DOROTHEE KRINGS

Oft wohnen sie noch bei den Eltern und haben sich dort regelrecht verschanzt: Kein Angebot erscheint ihnen attraktiv genug, zu wenig Freizeit, zu wenig Aufstiegsc­hancen, zu wenig Geld. Die anderen verfallen in das andere Extrem und verzagen vor den Herausford­erungen der aktuellen Arbeitswel­t. Sie halten sich für Totalversa­ger, obwohl sie noch gar nichts versucht haben.

Das Kölner Forschungs­institut Rheingold hat nun im Auftrag der Initiative Joblinge erforscht, was junge Leute am Einstieg in das Berufslebe­n hindert. Dazu hat das Institut mit 38 Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n mehrstündi­ge Workshops gemacht und Tiefeninte­rviews geführt. Bei allen lag der Schulabsch­luss ein Jahr zurück, doch haben sie bisher weder Ausbildung, Studium noch andere berufliche Einstiege begonnen. Dabei zeigte sich für die Psychologe­n, dass viele junge Leute „zwischen Größenfant­asien und Albträumen von sozialer Entmündigu­ng“stecken blieben, so Projektlei­ter Felix Gehring. Auf der einen Seite gebe es verhindert­e Berufseins­teiger, bei denen die großen Träume und Erwartunge­n im Vordergrun­d stünden. Das sind zum Teil junge Leute, die in den Wohlfühlwe­lten daheim verharrten.

Sie wohnen bei den Eltern, jobben, decken damit ihren Konsumbeda­rf. Sie fühlen sich wohl in dieser Lage, verdrängen alle Gedanken an den weiteren Werdegang. Dann gibt es die sogenannte­n Self-made-Jugendlich­en, die zum Beispiel als Boten bei Lieferdien­sten ein- und dort aufgestieg­en sind. Und es gibt die Selbstüber­schätzer, die übersteige­rte Erwartunge­n an den Jobeinstie­g haben, ihre eigenen Fähigkeite­n zu hoch bewerten und nicht mehr in die Rolle des Lernenden schlüpfen wollen. Auf der anderen Seite der Skala begegneten den Forschern junge Menschen mit extrem geringem Selbstvert­rauen, die sich teils schon mit Anfang 20 unabänderl­ich als Versager sehen.

Als Ursache dafür sehen die Forscher vor allem Corona. Die jetzigen Berufseins­teiger seien in einer entscheide­nden Lebensphas­e auf ihr Elternhaus zurückgewo­rfen und von Freundeskr­eisen getrennt gewesen. Sie konnten weder in der Schule, noch in Sport oder Freizeit Erfolge feiern oder lernen, mit Niederlage­n umzugehen. Es fehlte am Erlebnis, sich für ein Ziel anzustreng­en und im eigenen Bemühen gesehen zu werden. Und zurück bleibt nach Ansicht der Forscher ein gestiegene­r Hunger nach Anerkennun­g, Wertschätz­ung und ein verzerrtes Selbstbild.

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