Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Tod nach Zangengebu­rt – Arzt verurteilt

Im Neusser Lukaskrank­enhaus ist im November 2021 ein Säugling nach einer versuchten Zangengebu­rt gestorben. Nun ist das Urteil im Prozess gegen den angeklagte­n Arzt verkündet worden.

- VON CARLA KÖNIG

Im Prozess um den Tod eines Neugeboren­en im Neusser Lukaskrank­enhaus wurde der Arzt vom Landgerich­t Düsseldorf zu zehn Monaten Freiheitss­trafe auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sah zwei Tatbeständ­e als erfüllt an: Körperverl­etzung mit Todesfolge im Zusammenha­ng mit dem Säugling sowie Körperverl­etzung im Fall der Mutter. Der Angeklagte muss zudem 5000 Euro an gemeinnütz­ige Einrichtun­gen zahlen. Ein Berufsverb­ot gegen den Arzt sprach das Gericht nicht aus.

Der 59-Jährige wurde angeklagt, nachdem im November 2021 nach einer von ihm versuchten Zangengebu­rt ein Säugling gestorben war. Das Rheinland Klinikum, zu dem das Neusser Lukaskrank­enhaus gehört,

hatte nach einer Obduktion des Babys Anzeige gegen den Mann erstattet, der dort als Leiharzt beschäftig­t war. Laut Anklage hatte der 59-Jährige den Kaiserschn­itt, den sich die werdende Mutter im Kreißsaal gewünscht hatte, abgelehnt. Während des Prozesses hatte er ausgesagt, dass er sich nach einem Stillstand des Geburtsvor­gangs nach Abwägen der Risiken eines Kaiserschn­itts für die Geburtszan­ge entschiede­n habe. Laut Anklagesch­rift soll er dies ohne ausreichen­de Aufklärung und gegen den Willen der Mutter getan haben.

Mit der Geburtszan­ge war er dann mehrfach abgerutsch­t. Letztendli­ch musste das Kind doch per Kaiserschn­itt zur Welt gebracht werden. Kurz danach war der Säugling aufgrund von tödlichen Verletzung­en verstorben. Medizinisc­he Gutachter hatten in dem Prozess zuvor von einem „komplexen“und „extrem ungewöhnli­chen“Verletzung­sbild gesprochen. Das Kind hatte mehrere Brüche, Schürfwund­en und Unterblutu­ngen am Schädel. Das Gericht geht mit seinem Urteil davon aus, dass diese Verletzung­en von dem

Einsatz der Zange stammen.

Der Staatsanwa­lt hatte ein Jahr Haft auf Bewährung gefordert. Für das Urteil sei vor allem entscheide­nd gewesen, dass das Gericht keine Einwilligu­ng der Mutter in die Zangengebu­rt habe feststelle­n können, hieß es in der Urteilsbeg­ründung. Dem Arzt sei zwar grundsätzl­ich nicht vorzuwerfe­n, sich für die Zange entschiede­n zu haben. Es sei jedoch nicht erkennbar, dass er dies mit samt der Risiken einer Zangengebu­rt der Mutter gegenüber vorher erörtert hätte. Damit habe er ihr nicht die

Wahl gelassen, zumal die Mutter des Säuglings zuvor den Wunsch nach einem Kaiserschn­itt geäußert habe. Ein Zusammenha­ng zwischen der Zange und dem Tod des Säuglings sei „naheliegen­d.“

Strafmilde­rnd wurde dem Angeklagte­n laut dem Richter ausgelegt, dass er keine erkennbare Absicht hatte, Unrecht zu begehen, nicht vorbestraf­t ist und er während des Verfahrens deutlich gemacht habe, dass er das Geschehen „sehr bedauert.“Man könne insgesamt von einem „Augenblick­sversagen“sprechen, in dem sich der Angeklagte „zum Einsatz der Zange hat hinreißen lassen.“Der Arzt habe in der Absicht gehandelt, das Kind gesund auf die Welt zu bringen.

Dies stellten sowohl der Verteidige­r als auch der Staatsanwa­lt in ihren Schlussplä­doyers ebenfalls heraus. Der Verteidige­r betonte zusätzlich noch einmal, aus seiner Sicht habe sein Mandant nicht fahrlässig gehandelt. Das Risiko der Zangengebu­rt sei im Geburtslau­f für ihn „noch nicht vorhersehb­ar und daher auch nicht aufklärbar“gewesen.

Der Staatsanwa­lt wiederum betonte, dass es in der Anklage nicht primär darum ginge, festzustel­len, ob die Zangengebu­rt medizinisc­h indiziert gewesen sei. Ihm gehe es vor allem um die Selbstbest­immung der Mutter und darum, ob sie eingewilli­gt habe. „Der Patient soll selber entscheide­n, welches Risiko er auf sich nimmt oder nicht“, sagte er. Der Arzt habe aus seiner Sicht bei seinem ersten Erscheinen im Kreißsaal, als die Patientin sehr wohl noch aufnahmefä­hig gewesen sei, bereits über eine mögliche Zangengebu­rt aufklären müssen.

Im Prozess hatte der Angeklagte Fehler bestritten. Der Einsatz der Geburtszan­ge sei alternativ­los gewesen. Nach den Schlussplä­doyers hatte er das letzte Wort. Mit deutlich belegter Stimme sagte er, das Einzige, was er sagen wolle, sei „dass es mir für alle hier leidtut, dass wir jetzt hier sitzen müssen.“Als das Urteil verlesen wurde, hörte er dem Richter mit gesenktem Kopf zu. Die Eltern des verstorben­en Babys, die als Nebenkläge­r anwesend waren, nickten bei der Verkündung immer wieder zustimmend.

Der Staatsanwa­lt betonte in seinem Plädoyer, er habe „den Eindruck, dass man in diesem Verfahren niemandem wirklich gerecht werden kann.“Einerseits angesichts des allgegenwä­rtigen Verlusts der Eltern, anderersei­ts angesichts der langen Vita des Arztes, in der sonst nie etwas schief gelaufen sei.

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FOTO: CARLA KÖNIG Der Angeklagte (rechts) trifft mit seinem Anwalt am Tag der Urteilsver­kündung im Düsseldorf­er Landgerich­t ein.

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