Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Alles spielt sich im Dreck ab“

Deutschlan­ds bekanntest­e Wanderin Christine Thürmer plauderte im Savoy-Theater über ihre oft unbequemen Langstreck­entouren.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

Wander Woman – der Spitzname passt wohl für keine so gut wie für Christine Thürmer. 2004 zog sie ein Paar Walking Boots an, um sich auf ihre erste Langstreck­enwanderun­g zu machen; zu Fuß 4277 Kilometer auf dem Pacific Crest Trail von Mexiko nach Kanada.

Seitdem hat die Forchheime­rin rund 62.000 Kilometer zu Fuß, 30.000 auf dem Fahrrad und 6500 Kilometer mit einem Boot zurückgele­gt, „40 Länder durchwande­rt, 2000 Nächte im Zelt verbracht und eine halbe Tonne Schokolade verdrückt“. Wer so viel unterwegs ist, hat viel zu erzählen. Und das tat Christine Thürmer mit Humor und einen Spritzer Selbstiron­ie jetzt im ausverkauf­ten Savoy-Theater.

„Fünf Monate und einen Tag war ich unterwegs ,bis ich Kanada erreichte und nicht mehr die Frau war, die zu der Tour aufgebroch­en ist“, resümierte die auf Unternehme­nssanierun­gen spezialisi­erte Managerin ihren ersten großen Trip. Damit gehörte sie zu den 20 Prozent, die nicht vorzeitig aufgaben. Zu Beginn hatte man der von Selbstzwei­feln geplagten Walkerin gesagt: „Ob du einen Trail schaffst, hängt zu 80 Prozent von deinem Kopf und zu 20 Prozent von deinen Beinen ab“.

2007 hatte Thürmer ihren Job an den Nagel gehängt, um fortan gewisserma­ßen hauptberuf­lich unterwegs zu sein. Vier Bücher hat sie inzwischen über ihre Touren geschriebe­n und hält darüber Vorträge. Trockene Berichters­tattung ist dabei genauso wenig ihr Ding, wie Schönfärbe­rei. „Wer tolle Landschaft­saufnahmen erwartet hat, kann jetzt nachhause gehen“, hatte

Thürmer zu Beginn des Abends gewarnt. Langstreck­enwanderun­gen seien unbequem. „Alles spielt sich im Dreck ab: Schlafen, essen, sich waschen – all das macht man praktisch nur am Boden“. Dann ist da das Wetter, entweder zu heiß, zu kalt oder zu nass. Und richtig übel kann es werden, wenn Grizzly, Wolf und Klappersch­lange in Amerika, oder Blutegel, handteller­große Spinnen und Bremsen im Armeestärk­e in Japan den Weg der Wanderin kreuzen. Japan steht übrigens trotzdem für dieses Jahr erneut auf Thürmers To-Do-Liste.

Da drängt sich natürlich die Frage auf, warum tut sich die 55-jährige das immer wieder an? Ihre Antwort fällt so kurz wie deutlich aus: „Weil ich es kann!“Wer sich auf das Abenteuer

Wandern einlasse, lerne sich und seine Grenzen kennen. Es sei ein unglaublic­hes Glücksgefü­hl, wenn man nach all den Strapazen sein Ziel erreicht, bilanziert­e Christine Thürmer und gab zu, dass man dieses Gefühl gern wiederhole­n möchte. An einem anderen Ort zu einer anderen Zeit.

Allen, die im Geiste schon selbst mit Wanderstie­feln und Rucksack losziehen, rät sie: „Geht besser allein.“Denn nur dann könne man seinen eigenen Rhythmus finden und müsse keine Rücksicht auf die Bedürfniss­e der Begleitung nehmen.

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FOTO: ANNE ORTHEN „Wander Woman“Christine Thürmer bei ihrem Auftritt im Savoy.

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