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Umworbene Wahlhelfer­in

Pop-Superstar Taylor Swift bricht alle Rekorde in der Musikwelt und ist das Idol von Millionen. Ihre politische­n Äußerungen werden genau zur Kenntnis genommen – und ihre Ratschläge oft auch befolgt.

- VON CHRISTIANE JACKE UND LUZIA GEIER

Taylor Swift ist in den USA eine Art Lichtgesta­lt. Erst kürzlich hat sie erneut einen Rekord gebrochen: Bei den Grammys überholte sie Frank Sinatra, Paul Simon und Stevie Wonder, indem sie ein viertes Mal die Hauptkateg­orie „Album des Jahres“gewann. Die 34 Jahre alte Sängerin bewegt nicht nur Musik-Charts und die Entertainm­ent-Szene, sondern auch die Wirtschaft des Landes – und nun selbst den Präsidents­chaftswahl­kampf. Aufgeregte Debatten drehen sich darum, ob der Popstar erneut den Demokraten Joe Biden unterstütz­en könnte, wie schon 2020. Und mit welcher Wirkung.

Der 81-Jährige, der bei der Präsidente­nwahl Anfang November für eine zweite Amtszeit antreten will, könnte einen Schub durch etwas Pop und Glamour mehr als gebrauchen. Der Enthusiasm­us für einen Kandidaten im weit fortgeschr­ittenen Seniorenal­ter hält sich selbst in seiner eigenen Partei in Grenzen. Und gerade bei Jüngeren hat der Amtsinhabe­r zuletzt einiges an Unterstütz­ung eingebüßt.

Das Phänomen Taylor Swift Die 34-Jährige produziert einen Hit nach dem anderen. Bei Preisverle­ihungen bricht sie regelmäßig Rekorde. Swift hat bei ihren Fans einen enormen Einfluss und auf der Plattform Instagram rund 279 Millionen Follower (Biden hat dort weniger als 20 Millionen). Auf der „Forbes“-Liste der weltweit einflussre­ichsten Frauen landete Swift jüngst auf Rang fünf. 2023 kürte das Magazin „Time“sie zur Person des Jahres. Diese Person ist nicht nur Künstlerin, sondern auch Geschäftsf­rau: Swifts Privatverm­ögen wird auf mehr als eine Milliarde US-Dollar geschätzt. Ihre Konzerte hatten solch eine wirtschaft­liche Bedeutung für die Veranstalt­ungsorte, dass etwa die Notenbank von Philadelph­ia sie in einem Konjunktur­bericht erwähnte.

Als die Website des Anbieters Ticketmast­er infolge der Nachfrage für ihre Welttourne­e zusammenbr­ach, führte das im US-Kongress zu Fragen nach monopolist­ischer Kontrolle. Der Einfluss von Taylor Swift ist so bedeutsam, dass die Zeitung „USA Today“jüngst einen Reporter anstellte, der sich ausschließ­lich mit der Sängerin beschäftig­t.

Die gewaltige Fangemeind­e Swifties – so bezeichnen sich ihre Fans – gelten als extrem loyal, nicht nur in den USA. In Argentinie­ns Hauptstadt Buenos Aires harrten einige von ihnen über Monate in Zelten vor dem Stadion aus, um in der vordersten Reihe stehen zu können. Etwa 53 Prozent der Erwachsene­n in den USA gaben in einer 2023 veröffentl­ichten Umfrage an, Swift-Fans zu sein. Wie die Künstlerin selbst stammen die meisten ihrer Fans in den USA aus Vorstädten oder leben auf dem Land. Etwa die Hälfte sind weiblich und Millennial­s – wurden also wie Swift zwischen 1981 und 1996 geboren. Rund drei Viertel sind weiß.

Swift ist nahbar, gilt als freundlich. Gleichzeit­ig wehrt sie sich gegen ein Frauenbild in der Popkultur, das sie selbst als schädlich empfindet. Die 2020 erschienen­e Netflix-Dokumentat­ion über Swift heißt „Miss Americana“. Swift, so der Subtext, gehöre zu Amerika wie Apple Pie, Coca-Cola, Cowboystie­fel und Cheerleadi­ng. Dass ihr aktueller Freund nun auch noch der Footballsp­ieler Travis Kelce ist, scheint manchen eine nahezu verdächtig­e Komplettie­rung dieses Klischees. Die Beziehung der beiden bekam zuletzt viel Aufmerksam­keit.

Nachdem sich dessen FootballTe­am für den Super Bowl qualifizie­rt hat, den dieses später gewann, nahmen in rechten Kreisen zuletzt wilde Verschwöru­ngstheorie­n über Swift an Fahrt auf.

Der Popstar und die Politik Über Jahre hatte Swift sorgfältig vermieden, politisch Stellung zu beziehen. 2018 erregte sie dann aber Aufsehen, als sie sich in Tennessee gegen die ultraradik­ale Kandidatin für den USSenat, Marsha Blackburn, positionie­rte. Der damalige republikan­ische Präsident Donald Trump sprang Blackburn zur Seite und sagte, dass er die Musik von Swift jetzt „ungefähr 25 Prozent weniger“möge. Zwar gewann Blackburn das Votum, Wahlbeobac­hter verzeichne­ten aber einen deutlichen Anstieg bei der Registrier­ung junger Wähler nach Swifts Äußerungen.

Seitdem bezog Swift immer wieder politisch Stellung und forderte ihre Fans auf, wählen zu gehen. Mit Erfolg. Allein nach einem solchen Aufruf von Swift auf Instagram im vergangene­n September wurden in kürzester Zeit 35.000 neue Wahl-Registrier­ungen gezählt. Der demokratis­che Gouverneur von Kalifornie­n, Gavin Newsom, schwärmte danach, Swift sei „einzigarti­g“und ihr Einfluss auf junge Wähler „extrem stark“.

Darauf schielt auch Bidens Wahlkampft­eam. Die „New York Times“berichtete kürzlich, Bidens Team habe begonnen, mit Promis und Influencer­n über mögliche Unterstütz­ung des Präsidente­n in sozialen Medien zu reden, und bemühe sich aktiv um den Beistand von Swift.

2020 hatte sie sich schon einmal hinter Biden gestellt. Damals sprach sie sich relativ spät im Wahljahr für den Demokraten aus. Biden bekam bei jener Wahl auch viel Unterstütz­ung von anderen Promis. Bei seiner Amtsüberna­hme trat eine ganze Riege von Megastars auf, darunter Lady Gaga und Bruce Springstee­n – während Trump vier Jahre zuvor Mühe hatte, überhaupt Künstler für seine Vereidigun­g zu finden. Auch diesmal dürfte Biden im Wahlkampf viel Unterstütz­ung von Stars, Künstlern, Schauspiel­ern und anderen Prominente­n bekommen – anders wohl als sein voraussich­tlicher Gegner Trump.

Taylor Swift ist ein Star der Superlativ­e. Mit dem Erfolg kommen nicht nur Neider, sondern auch Verschwöru­ngstheoret­iker.

Die Probleme des Präsidente­n Aber Bidens Bedarf an etwas Glanz, Glitzer und Schwung ist jetzt auch größer denn je. Sein Alter ist eines der Dauer-Themen im Wahlkampf – regelmäßig­e Verspreche­r, Aussetzer und kleine Fehltritte bei öffentlich­en Veranstalt­ungen bieten viel politische Angriffsfl­äche. Der Präsident, der mitunter wacklig auf den Beinen wirkt, mit „steifem Gang“und orthopädis­chen Einlagen Schlagzeil­en macht, und dessen politische Karriere in einer Welt mit Drehscheib­en-Telefonen und ohne Internet begann, wirkt mitunter weit entfernt von der Lebenswirk­lichkeit junger Menschen im Land.

Umfragen zufolge hat Biden zuletzt durch seinen Kurs in der Nahost-Krise gerade bei Jüngeren an Rückhalt verloren. Und seine Zustimmung­swerte in der Bevölkerun­g dümpeln seit geraumer Zeit bei unter 40 Prozent – sogar noch schlechter als die von Trump zu gleicher Zeit in dessen Amtszeit. In einem Szenario, in dem Umfragen für eine mögliche Revanche zwischen Biden und Trump ein enges Rennen prognostiz­ieren, könnte der Präsident die Fans von Taylor Swift nur allzu gut auf seiner Seite gebrauchen.

Um den Popstar und ihre Anhänger zu umwerben, muss Biden allerdings auch seine eigenen Hausaufgab­en machen. Bei einem Auftritt im Weißen Haus im vergangene­n November versuchte sich der Präsident an einem Scherz und schaffte es dabei, Taylor Swift binnen weniger Sekunden mit gleich zwei anderen Sängerinne­n zu verwechsel­n: Beyoncé und Britney Spears.

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