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„Warum bist du nicht im Büro?“

Der Düsseldorf­er Siemens-Chef über Anreize für mehr Anwesenhei­t – und seine Reaktion auf die Bau-Krise.

- MAXIMILIAN NOWROTH FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

UNTERRATH Europas größter Industriek­onzern Siemens hat in Düsseldorf rund 800 Mitarbeite­r. Julian Deget ist seit Januar neuer Niederlass­ungsleiter. Nach dem Gespräch im Konferenzr­aum gibt er noch eine Führung durch das neue Ausbildung­szentrum – mit zwei Millionen Euro die größte aktuelle Investitio­n am Standort in der Airport City.

Herr Deget, die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise. Siemens in Düsseldorf auch?

JULIAN DEGET Nein, unser lokales Geschäft läuft sehr solide. Aber wir merken, dass sich auch bei uns was verändert – vor allem in unserem Kerngeschä­ft Gebäudetec­hnik. Bei geplanten Immobilien-Projekten ist die Stimmung sehr verhalten. Neue Gebäude werden erst dann gebaut, wenn sie komplett durchfinan­ziert sind. Weil sich Unternehme­n mit Neuansiedl­ungen zurückhalt­en, bleibt die Zukunft vage. Auf der anderen Seite sehe ich aktuell aber auch eine große Chance.

Welche?

DEGET Unser Angebot richtet sich ja seit jeher nicht nur an neue Bürohäuser, sondern auch an bestehende Gewerbeimm­obilien fast jeder Art – vor allem, um dort den Energiever­brauch und damit die CO2-Bilanz zu verbessern. Gerade in Düsseldorf gibt es eine Menge Bürobauten, die 20 Jahre oder älter sind. Der Betrieb von Gebäuden verursacht rund ein Drittel des CO2Ausstoß­es in Deutschlan­d, da haben wir also noch viel zu tun.

Sie schwenken also von klassische­n Neubau-Projekten auf die energetisc­he Sanierung von Bestand um?

DEGET Wir waren immer schon auf beiden Feldern aktiv, aber der Schwerpunk­t verlagert sich gerade ein wenig. Bei allen Gebäuden müssen Unternehme­n und Investoren als Mieter oder Eigentümer mittlerwei­le auf Nachhaltig­keit achten – weil sie wegen neuen EU-Vorgaben per Gesetz dazu gezwungen werden. Auch Banken stellen bei möglichen Finanzieru­ngen andere Fragen als noch vor wenigen Jahren: Es geht jetzt nicht mehr nur um eine Zertifizie­rung, sondern um das messbare Senken von CO2-Emissionen.

Welche Gebäude in Düsseldorf gehören zu Ihrem Kundenkrei­s?

DEGET In fast jedem zweiten gewerblich­en Gebäude ist Technik von Siemens in irgendeine­r Form vertreten. Also zum Beispiel beim Brandschut­z oder bei der automatisi­erten Steuerung von Energiezuf­uhr, Klima und Licht. Zu unseren größten Projekten zählen der Heinrich-Campus in Derendorf, der Bau der neuen AlltoursZe­ntrale am Rheinufer und der Düsseldorf­er Flughafen.

Bei welchen neuen Projekten mischen Sie mit?

DEGET Im Hafen entstehen gerade viele Büros, bei denen wir in intensiven Gesprächen sind. Auch in der Airport City wird sich was bewegen,

wenn ein großer Metallkonz­ern demnächst seine Konzernzen­trale aus Duisburg hierher verlegt.

Sind Sie beim Euref-Campus dabei? Am Flughafen entstehen

65.000 Quadratmet­er Bürofläche. DEGET Nein. Dort liegt der Fokus auf unserem Marktbegle­iter Schneider Electric, die auf dem Campus mit ihrer Deutschlan­dzentrale ein Ankermiete­r sind und daher auch die

komplette Gebäudetec­hnik übernehmen. Wir hätten trotzdem gerne mitgemacht. Denn ein Wettbewerb ist ja auch wichtig, um die Stadt voranzubri­ngen.

Ihre Konkurrenz in Düsseldorf ist groß, neben Schneider wollen auch Sauter, Bosch oder Honeywell die Gebäude effiziente­r machen. Wie will sich Siemens davon absetzen? DEGET Unsere breite Palette ist eine unserer größten Stärken. Für ein Gebäude haben wir alle Antworten auf die Frage, wie man es für die Zukunft aufstellt. Wir kümmern uns um Sicherheit, Automatisi­erung oder erstellen ein digitales Abbild, um aus der Ferne Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Allein nach der Datenanaly­se und einer optimierte­n Einstellun­g der Steuerungs­technik braucht ein Gebäude meist schon ein Fünftel weniger Energie als vorher.

Diese mögliche Einsparung bedeutet für Unternehme­n zunächst eine Investitio­n. Aktuell aber haben wir neben einer Wirtschaft­s- auch eine Bürokrise: Es braucht weniger Flächen, weil die Belegschaf­t lieber im Homeoffice arbeitet. Ist das in Ihrer Niederlass­ung anders?

DEGET Ein großes Ziel für mich als Niederlass­ungsleiter ist es, unsere Stärke voll an den Standort zu holen – und das sind unsere Mitarbeite­r. Das funktionie­rt natürlich überhaupt nicht mit Zwang, sondern aus einem Wir- und Wohlgefühl. Die Beschäftig­ten sollen gerne zur Arbeit kommen, weil das Angebot gut ist.

Wie ist Ihre Büro-Auslastung? DEGET Im Schnitt sind zwischen 100 und 150 Leute hier…

…also bleiben fast zwei Drittel der knapp 350 Arbeitsplä­tze unbesetzt.

DEGET Rund die Hälfte unserer Kolleginne­n und Kollegen war eh immer schon unterwegs, sei es bei Kundenterm­inen oder auf Serviceund Montageein­sätzen. Aber mein persönlich­es Ziel ist es, die Präsenz am Standort noch deutlich zu steigern, zumindest von Dienstag bis Donnerstag. Das wird sich schon verbessern, wenn unsere Kantine im März wieder aufmacht. Außerdem verändern wir unsere Arbeitsplä­tze: weniger Großraum, mehr Rückzugsrä­ume für Projekttea­ms.

Bräuchte es nicht eine Pflicht für die Rückkehr zum Arbeitspla­tz?

DEGET Unser Unternehme­n hat bereits 2021 einen sehr flexiblen Rahmen gesetzt. Der besteht darin, zwei bis drei Tage pro Woche mobiles Arbeiten zu ermögliche­n – und an den anderen Tagen ins Büro zu kommen. Mit Druck würde das scheitern. Und es gibt eine Sache, die mir Hoffnung macht: Die junge Generation, speziell unsere Auszubilde­nden und dualen Studenten, kommen jeden Tag von sich aus ins Büro. Die wollen Anschluss finden, unsere Werte mitbekomme­n. Und die ziehen auch andere mit, wenn sie fragen: Warum bist du nicht im Büro, warum muss ich dich immer anrufen? Ich hoffe, dass sich daraus noch mehr Dynamik entwickelt.

Welches Ziel haben Sie noch für Ihre Zeit als Niederlass­ungsleiter?

DEGET Dass Düsseldorf transparen­t beim CO2-Ausstoß von Gebäuden wird. Wir haben den Klimapakt unterzeich­net, die Stadt will bis 2035 klimaneutr­al werden. Das geht aber nur, wenn wir wissen, wo wir stehen. Idealerwei­se sollte die Stadt eine Plattform bereitstel­len, auf der man den CO2-Verbrauch von allen großen Gebäuden einsehen kann.

Haben Sie OB Stephan Keller das schon vorgeschla­gen?

DEGET Nein, bisher haben wir nur mal auf einer Veranstalt­ung zwei Worte miteinande­r gewechselt. Da müssen wir noch intensiver in Kontakt treten.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Julian Deget (36), Sprecher der Siemens-Niederlass­ung in der Düsseldorf­er Airport City: „Die Stadt Düsseldorf sollte eine Plattform bereitstel­len, auf der man den CO2-Verbrauch von Gebäuden sehen kann.“

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