Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Warum bist du nicht im Büro?“
Der Düsseldorfer Siemens-Chef über Anreize für mehr Anwesenheit – und seine Reaktion auf die Bau-Krise.
UNTERRATH Europas größter Industriekonzern Siemens hat in Düsseldorf rund 800 Mitarbeiter. Julian Deget ist seit Januar neuer Niederlassungsleiter. Nach dem Gespräch im Konferenzraum gibt er noch eine Führung durch das neue Ausbildungszentrum – mit zwei Millionen Euro die größte aktuelle Investition am Standort in der Airport City.
Herr Deget, die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise. Siemens in Düsseldorf auch?
JULIAN DEGET Nein, unser lokales Geschäft läuft sehr solide. Aber wir merken, dass sich auch bei uns was verändert – vor allem in unserem Kerngeschäft Gebäudetechnik. Bei geplanten Immobilien-Projekten ist die Stimmung sehr verhalten. Neue Gebäude werden erst dann gebaut, wenn sie komplett durchfinanziert sind. Weil sich Unternehmen mit Neuansiedlungen zurückhalten, bleibt die Zukunft vage. Auf der anderen Seite sehe ich aktuell aber auch eine große Chance.
Welche?
DEGET Unser Angebot richtet sich ja seit jeher nicht nur an neue Bürohäuser, sondern auch an bestehende Gewerbeimmobilien fast jeder Art – vor allem, um dort den Energieverbrauch und damit die CO2-Bilanz zu verbessern. Gerade in Düsseldorf gibt es eine Menge Bürobauten, die 20 Jahre oder älter sind. Der Betrieb von Gebäuden verursacht rund ein Drittel des CO2Ausstoßes in Deutschland, da haben wir also noch viel zu tun.
Sie schwenken also von klassischen Neubau-Projekten auf die energetische Sanierung von Bestand um?
DEGET Wir waren immer schon auf beiden Feldern aktiv, aber der Schwerpunkt verlagert sich gerade ein wenig. Bei allen Gebäuden müssen Unternehmen und Investoren als Mieter oder Eigentümer mittlerweile auf Nachhaltigkeit achten – weil sie wegen neuen EU-Vorgaben per Gesetz dazu gezwungen werden. Auch Banken stellen bei möglichen Finanzierungen andere Fragen als noch vor wenigen Jahren: Es geht jetzt nicht mehr nur um eine Zertifizierung, sondern um das messbare Senken von CO2-Emissionen.
Welche Gebäude in Düsseldorf gehören zu Ihrem Kundenkreis?
DEGET In fast jedem zweiten gewerblichen Gebäude ist Technik von Siemens in irgendeiner Form vertreten. Also zum Beispiel beim Brandschutz oder bei der automatisierten Steuerung von Energiezufuhr, Klima und Licht. Zu unseren größten Projekten zählen der Heinrich-Campus in Derendorf, der Bau der neuen AlltoursZentrale am Rheinufer und der Düsseldorfer Flughafen.
Bei welchen neuen Projekten mischen Sie mit?
DEGET Im Hafen entstehen gerade viele Büros, bei denen wir in intensiven Gesprächen sind. Auch in der Airport City wird sich was bewegen,
wenn ein großer Metallkonzern demnächst seine Konzernzentrale aus Duisburg hierher verlegt.
Sind Sie beim Euref-Campus dabei? Am Flughafen entstehen
65.000 Quadratmeter Bürofläche. DEGET Nein. Dort liegt der Fokus auf unserem Marktbegleiter Schneider Electric, die auf dem Campus mit ihrer Deutschlandzentrale ein Ankermieter sind und daher auch die
komplette Gebäudetechnik übernehmen. Wir hätten trotzdem gerne mitgemacht. Denn ein Wettbewerb ist ja auch wichtig, um die Stadt voranzubringen.
Ihre Konkurrenz in Düsseldorf ist groß, neben Schneider wollen auch Sauter, Bosch oder Honeywell die Gebäude effizienter machen. Wie will sich Siemens davon absetzen? DEGET Unsere breite Palette ist eine unserer größten Stärken. Für ein Gebäude haben wir alle Antworten auf die Frage, wie man es für die Zukunft aufstellt. Wir kümmern uns um Sicherheit, Automatisierung oder erstellen ein digitales Abbild, um aus der Ferne Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Allein nach der Datenanalyse und einer optimierten Einstellung der Steuerungstechnik braucht ein Gebäude meist schon ein Fünftel weniger Energie als vorher.
Diese mögliche Einsparung bedeutet für Unternehmen zunächst eine Investition. Aktuell aber haben wir neben einer Wirtschafts- auch eine Bürokrise: Es braucht weniger Flächen, weil die Belegschaft lieber im Homeoffice arbeitet. Ist das in Ihrer Niederlassung anders?
DEGET Ein großes Ziel für mich als Niederlassungsleiter ist es, unsere Stärke voll an den Standort zu holen – und das sind unsere Mitarbeiter. Das funktioniert natürlich überhaupt nicht mit Zwang, sondern aus einem Wir- und Wohlgefühl. Die Beschäftigten sollen gerne zur Arbeit kommen, weil das Angebot gut ist.
Wie ist Ihre Büro-Auslastung? DEGET Im Schnitt sind zwischen 100 und 150 Leute hier…
…also bleiben fast zwei Drittel der knapp 350 Arbeitsplätze unbesetzt.
DEGET Rund die Hälfte unserer Kolleginnen und Kollegen war eh immer schon unterwegs, sei es bei Kundenterminen oder auf Serviceund Montageeinsätzen. Aber mein persönliches Ziel ist es, die Präsenz am Standort noch deutlich zu steigern, zumindest von Dienstag bis Donnerstag. Das wird sich schon verbessern, wenn unsere Kantine im März wieder aufmacht. Außerdem verändern wir unsere Arbeitsplätze: weniger Großraum, mehr Rückzugsräume für Projektteams.
Bräuchte es nicht eine Pflicht für die Rückkehr zum Arbeitsplatz?
DEGET Unser Unternehmen hat bereits 2021 einen sehr flexiblen Rahmen gesetzt. Der besteht darin, zwei bis drei Tage pro Woche mobiles Arbeiten zu ermöglichen – und an den anderen Tagen ins Büro zu kommen. Mit Druck würde das scheitern. Und es gibt eine Sache, die mir Hoffnung macht: Die junge Generation, speziell unsere Auszubildenden und dualen Studenten, kommen jeden Tag von sich aus ins Büro. Die wollen Anschluss finden, unsere Werte mitbekommen. Und die ziehen auch andere mit, wenn sie fragen: Warum bist du nicht im Büro, warum muss ich dich immer anrufen? Ich hoffe, dass sich daraus noch mehr Dynamik entwickelt.
Welches Ziel haben Sie noch für Ihre Zeit als Niederlassungsleiter?
DEGET Dass Düsseldorf transparent beim CO2-Ausstoß von Gebäuden wird. Wir haben den Klimapakt unterzeichnet, die Stadt will bis 2035 klimaneutral werden. Das geht aber nur, wenn wir wissen, wo wir stehen. Idealerweise sollte die Stadt eine Plattform bereitstellen, auf der man den CO2-Verbrauch von allen großen Gebäuden einsehen kann.
Haben Sie OB Stephan Keller das schon vorgeschlagen?
DEGET Nein, bisher haben wir nur mal auf einer Veranstaltung zwei Worte miteinander gewechselt. Da müssen wir noch intensiver in Kontakt treten.