Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Als meine Oma seltsam wurde
Hospizbewegung und Stadtbibliothek organisieren eine Lesung, die Kinder an das Thema Demenz heranführen soll.
Welches Kind kennt das nicht? Das Lieblingsspielzeugauto ist nicht auffindbar, weil man nicht mehr weiß, wo man es hingelegt hat. In der Schule steht Sport an, aber leider wurden die Sportsachen zu Hause vergessen. Vergesslichkeit ist normal, auch bei Kindern. Bei älteren Menschen kann diese jedoch größere Ausmaße annehmen, besonders wenn sie an Demenz erkranken. Wenn Oma oder Opa sich plötzlich nicht mehr an einen erinnern oder neue Verhaltensweisen an den Tag legen, kann das für Kinder erst einmal beängstigend sein. Wie erklärt man Kindern Demenz so, dass sie die Krankheit verstehen und keine Angst bekommen?
Mit ihrer Lesung des Buches „Als meine Oma seltsam wurde“von Ulf Nilsson möchten Mechthild Blasel Kaneko und Alfred Reich Kindern das Thema Demenz auf kindgerechte Art näherbringen. Das Buch erzählt die Geschichte eines sechsjährigen Jungen, der erleben muss, wie seine Oma sich plötzlich verändert. Sie vergisst den Namen ihres Enkels, schimpft über das Hupen des Bäckerwagens, über dessen Kommen sie sich vorher immer gefreut hatte. Oma Nilsson liest immer nur den Anfang einer Geschichte, weil sie sich nicht erinnern kann, wo die zuletzt im Text stehen geblieben war. Und dann geht sie auch noch mit ihrem Enkel zur Bank und holt all ihr Geld ab, um es dann zu Hause überall zu verstecken. Der Junge soll sich alle Verstecke merken, da sie das nicht mehr kann. Eine große Belastung
für den erst Sechsjährigen, der er sich mutig stellt.
„Wir möchten die Kinder da abholen, wo sie sind und starten vor der Lesung mit einem Gespräch darüber, was sie schon einmal vergessen haben“, sagt Ehrenamtlerin Blasel Kaneko. Nach der Lesung wird mit
den Kindern gespielt und gemalt. „Die Kinder können so ihre Gefühle malerisch verarbeiten und die Bilder später mit nach Hause nehmen“, sagt Reich. Zugleich könnten die Bilder auch ein guter Anlass für die Eltern sein, noch einmal mit ihren Kindern über das Thema zu
sprechen.
Für viele Eltern sei es nicht leicht, mit ihren Kindern über die Demenz der Großeltern zu sprechen. Dabei sei es für junge Menschen nicht schwer, so eine Situation zu bewältigen. „Kinder haben eine unkompliziertere Art mit Erkrankungen
umzugehen. Sie sind unvoreingenommen und erklären sich ihre Welt häufig selbst“, sagt Gesa Branding, Koordinatorin der Hospizbewegung. Wichtig sei, wie die Eltern mit dem Thema umgehen, denn sie haben eine Vorbildfunktion. Aber auch die Kinder können mit ihrer Unbefangenheit ein Beispiel für die Eltern sein. „Kinder handeln meist über eine emotionale Ebene und darüber sind DemenzErkrankte zu erreichen. Enkel versuchen nicht ständig zu korrigieren, sondern verbreiten Freude, Leichtigkeit und eine entspannte Atmosphäre“, so Branding. Kinder entwickeln sogar einen großen Beschützerinstinkt ihren Großeltern gegenüber. Im Buch verteidigt der Junge seine Oma mit Pfeil und Bogen.
„Das hat mich an dem Buch besonders begeistert“, sagt Reich. Im echten Leben nehmen die jungen Menschen ihre Großeltern oft vor der Ungeduld der Umwelt in Schutz, gibt Branding aus eigener Erfahrung weiter. „Mein Wunsch ist, dass Kinder wissen, dass es diese Krankheit gibt. Sie aber keine Angst davor haben müssen. Wir müssen zeigen, dass es Hilfe gibt und wir die, denen das passiert, nicht alleine lassen und sie beschützen“, erklärt Blasel Kaneko das Ziel der Veranstaltung – ein wichtiges Anliegen, denn die Zahl der Demenzkranken steigt kontinuierlich an. 2021 waren 1,8 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Für das Jahr 2050 rechnet die Deutsche Alzheimer Gesellschaft mit 2,8 Millionen Betroffenen.
Die Lesung wird von der Hospizbewegung Meerbusch und der Stadtbibliothek Büderich veranstaltet. Demenzerkrankungen gehören nicht zum Arbeitsfeld der Hospizbewegung. „Aber das Thema passt trotzdem gut zu uns, da wir in der Sterbebegleitung auch Menschen mit Demenz haben“, so Ineke Rockhoff, Koordinatorin der Hospizbewegung. Die Lesung ist Teil einer Reihe, die seit September einmal im Monat in der Stadtbibliothek stattfindet und sich mit dem Thema Schwersterkrankungen befasst. Patientenverfügungen werden genauso behandelt, wie die Frage, wie man in Krisensituationen, die richtigen Worte findet. „Wir möchten mit den Veranstaltungen präsenter in der Stadt werden und auch jüngere Menschen und Familien erreichen“, so Branding.