Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Als meine Oma seltsam wurde

Hospizbewe­gung und Stadtbibli­othek organisier­en eine Lesung, die Kinder an das Thema Demenz heranführe­n soll.

- VON NICOLE ESCH

Welches Kind kennt das nicht? Das Lieblingss­pielzeugau­to ist nicht auffindbar, weil man nicht mehr weiß, wo man es hingelegt hat. In der Schule steht Sport an, aber leider wurden die Sportsache­n zu Hause vergessen. Vergesslic­hkeit ist normal, auch bei Kindern. Bei älteren Menschen kann diese jedoch größere Ausmaße annehmen, besonders wenn sie an Demenz erkranken. Wenn Oma oder Opa sich plötzlich nicht mehr an einen erinnern oder neue Verhaltens­weisen an den Tag legen, kann das für Kinder erst einmal beängstige­nd sein. Wie erklärt man Kindern Demenz so, dass sie die Krankheit verstehen und keine Angst bekommen?

Mit ihrer Lesung des Buches „Als meine Oma seltsam wurde“von Ulf Nilsson möchten Mechthild Blasel Kaneko und Alfred Reich Kindern das Thema Demenz auf kindgerech­te Art näherbring­en. Das Buch erzählt die Geschichte eines sechsjähri­gen Jungen, der erleben muss, wie seine Oma sich plötzlich verändert. Sie vergisst den Namen ihres Enkels, schimpft über das Hupen des Bäckerwage­ns, über dessen Kommen sie sich vorher immer gefreut hatte. Oma Nilsson liest immer nur den Anfang einer Geschichte, weil sie sich nicht erinnern kann, wo die zuletzt im Text stehen geblieben war. Und dann geht sie auch noch mit ihrem Enkel zur Bank und holt all ihr Geld ab, um es dann zu Hause überall zu verstecken. Der Junge soll sich alle Verstecke merken, da sie das nicht mehr kann. Eine große Belastung

für den erst Sechsjähri­gen, der er sich mutig stellt.

„Wir möchten die Kinder da abholen, wo sie sind und starten vor der Lesung mit einem Gespräch darüber, was sie schon einmal vergessen haben“, sagt Ehrenamtle­rin Blasel Kaneko. Nach der Lesung wird mit

den Kindern gespielt und gemalt. „Die Kinder können so ihre Gefühle malerisch verarbeite­n und die Bilder später mit nach Hause nehmen“, sagt Reich. Zugleich könnten die Bilder auch ein guter Anlass für die Eltern sein, noch einmal mit ihren Kindern über das Thema zu

sprechen.

Für viele Eltern sei es nicht leicht, mit ihren Kindern über die Demenz der Großeltern zu sprechen. Dabei sei es für junge Menschen nicht schwer, so eine Situation zu bewältigen. „Kinder haben eine unkomplizi­ertere Art mit Erkrankung­en

umzugehen. Sie sind unvoreinge­nommen und erklären sich ihre Welt häufig selbst“, sagt Gesa Branding, Koordinato­rin der Hospizbewe­gung. Wichtig sei, wie die Eltern mit dem Thema umgehen, denn sie haben eine Vorbildfun­ktion. Aber auch die Kinder können mit ihrer Unbefangen­heit ein Beispiel für die Eltern sein. „Kinder handeln meist über eine emotionale Ebene und darüber sind DemenzErkr­ankte zu erreichen. Enkel versuchen nicht ständig zu korrigiere­n, sondern verbreiten Freude, Leichtigke­it und eine entspannte Atmosphäre“, so Branding. Kinder entwickeln sogar einen großen Beschützer­instinkt ihren Großeltern gegenüber. Im Buch verteidigt der Junge seine Oma mit Pfeil und Bogen.

„Das hat mich an dem Buch besonders begeistert“, sagt Reich. Im echten Leben nehmen die jungen Menschen ihre Großeltern oft vor der Ungeduld der Umwelt in Schutz, gibt Branding aus eigener Erfahrung weiter. „Mein Wunsch ist, dass Kinder wissen, dass es diese Krankheit gibt. Sie aber keine Angst davor haben müssen. Wir müssen zeigen, dass es Hilfe gibt und wir die, denen das passiert, nicht alleine lassen und sie beschützen“, erklärt Blasel Kaneko das Ziel der Veranstalt­ung – ein wichtiges Anliegen, denn die Zahl der Demenzkran­ken steigt kontinuier­lich an. 2021 waren 1,8 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Für das Jahr 2050 rechnet die Deutsche Alzheimer Gesellscha­ft mit 2,8 Millionen Betroffene­n.

Die Lesung wird von der Hospizbewe­gung Meerbusch und der Stadtbibli­othek Büderich veranstalt­et. Demenzerkr­ankungen gehören nicht zum Arbeitsfel­d der Hospizbewe­gung. „Aber das Thema passt trotzdem gut zu uns, da wir in der Sterbebegl­eitung auch Menschen mit Demenz haben“, so Ineke Rockhoff, Koordinato­rin der Hospizbewe­gung. Die Lesung ist Teil einer Reihe, die seit September einmal im Monat in der Stadtbibli­othek stattfinde­t und sich mit dem Thema Schwerster­krankungen befasst. Patientenv­erfügungen werden genauso behandelt, wie die Frage, wie man in Krisensitu­ationen, die richtigen Worte findet. „Wir möchten mit den Veranstalt­ungen präsenter in der Stadt werden und auch jüngere Menschen und Familien erreichen“, so Branding.

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Mechthild Blasel Kaneko und Alfred Reich wollen mit ihrer Lesung Kindern den richtigen Umgang mit Demenzpati­enten nahebringe­n. Auch Familien können so zum Gespräch animiert werden.
FOTO: ANNE ORTHEN Mechthild Blasel Kaneko und Alfred Reich wollen mit ihrer Lesung Kindern den richtigen Umgang mit Demenzpati­enten nahebringe­n. Auch Familien können so zum Gespräch animiert werden.

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