Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Kein Neubau der Obdachlosenunterkunft
Auf eine Ausschreibung der Stadt gab es nur ein Angebot, welches stark überteuert war. Die Stadt will nun versuchen, die in der Unterkunft lebenden Menschen im sozialen Wohnungsbau unterzubringen. Die Politik reagiert entsetzt.
Einen Neubau der Obdachlosenunterkunft an der Strümper Straße in Osterath wird es vorerst nicht geben. Diese Nachricht hat Dezernent Peter Annacker und Harald Härtel, Bereichsleiter Service Immobilien, in den Sozialausschuss mitgebracht. Auf die Ausschreibung der Stadt, deren Frist am 19. Dezember abgelaufen war, habe es nur ein Angebot gegeben, welches inhaltlich nicht vollständig, nicht umsetzbar und viel zu teuer gewesen sei.
In der Unterkunft leben derzeit vier Familien, außerdem zwei Ehepaare und 22 Einzelpersonen – insgesamt 40 Personen, teils schon seit Jahrzehnten. Die Gebäude stammen aus den 1960er Jahren und sind stark sanierungsbedürftig, so fehlt es an Heizungen, die Bewohner heizen mit Öfen. In den Häusern an der Strümper Straße sind soziale Probleme an der Tagesordnung, auch, weil die Raumaufteilung dafür sorgt, dass teils fremde Menschen zusammen leben müssen. Viele der Bewohner haben Probleme mit Alkohol und Drogen. Dass an der Situation etwas getan werden muss, darüber besteht in Politik und Verwaltung seit Jahren Einvernehmen. 2022 wurde nun diskutiert, ob eine Sanierung des Gebäudes oder ein Abriss und Neubau der bessere Weg wären – am Ende gab es eine knappe Mehrheit für letztgenannte Option.
Der Plan: Ein Investor sollte den Neubau übernehmen und auch die Unterbringung der Bewohner während der Arbeiten organisieren, die Stadt würde das Gebäude im Anschluss anmieten. Entsprechend schrieb die Verwaltung den Auftrag aus – und muss die Vergabe nun aufgeben. „Das einzige Angebot, das vorlag, forderte den siebenfachen Preis, der normalerweise für Wohnungen im sozialen Wohnungsbau anfällt. Das geht einfach nicht. Dieses Ergebnis hat keiner gewollt – wir sind erschüttert“, so Annacker. Der Dezernent zeigte sich genau wie Harald Härtel mit dem Ergebnis sehr unzufrieden. „Mit diesem Ergebnis haben wir nicht gerechnet, das ist äußerst bedauerlich“, so der Bereichsleiter. „Aber es steht fest: Wir haben keinen Investor.“Schuld daran, dass es keine angemessenen Angebote gegeben haben, sei vor allem die Lage am Immobilienmarkt, wo Bauherren derzeit mit hohen Kosten und vielen Unsicherheiten rechnen müssen, was ein solches Projekt weniger attraktiv macht.
Die Stadtverwaltung denkt in dieser Situation weiter. Denn langfristig
sei die Reintegration der Menschen in der Osterather Unterkunft das zu erreichende Ziel – und dies könne nur über den Wohnungsmarkt gelingen. Das bedeutet, dass die Bewohner der Unterkunft langfristig dabei unterstützt werden sollen, diese zu verlassen und eine eigene Wohnung zu finden. „Das kann aber nur funktionieren, wenn es entsprechende Angebote im sozialen Wohnungsbau gibt – und das ist in Meerbusch nur begrenzt der Fall“, so Annacker. Potenzielle Vermieter müssten auch Akzeptanz für die Besonderheiten und häufig schwierigen Lebenslagen der Betroffenen haben, was die Wohnungssuche zusätzlich erschwere. „Wir haben an diesem Thema jahrelang vorbei diskutiert, haben uns weiterhin um die Aufwertung der Wohnungslosenunterkunft gekümmert, statt Möglichkeiten und Anreize zu schaffen, diese zu verlassen.“Einige der aktuellen Bewohner haben einen Job, wohnen aber trotzdem weiter für sehr geringe Gebühren an der Strümper Straße. „Eine solche Unterkunft muss nur eine Übergangslösung sein“, so der Sozialdezernent. Er kündigte an, dass die Stadt verstärkt im sozialen Wohnungsbau aktiv werden würde, um dort Angebote zu schaffen. Diese kämen nicht nur den Bewohnern der Strümper Straße, sondern auch denen der Geflüchtetenunterkünfte
zu Gute. Allerdings ist auch dies nicht leicht, da auch hier der angespannte Bausektor eine Rolle spielt.
Da dies nur ein langfristiger Weg sein kann, wird die Stadt an der Strümper Straße nicht untätig bleiben. „Das Obdach muss mehr und besser werden – wir werden uns etwas einfallen lassen“, so Annacker. Was das sein wird, ist allerdings noch offen. Im aktuellen, durch die Schulbauprojekte stark belasteten Haushalt sei kein Geld für die Renovierung der Gebäude oder den Kauf weiterer Anlagen verfügbar. Es waren lediglich sogenannte konsumptive Mittel, also für die Anmietung, eingeplant, die investiven
Gelder, um selbst aktiv zu werden, allerdings nicht. So oder so ist für Sanierung oder Neubau mit einer Summe von mehreren Millionen Euro zu rechnen, die in der aktuellen Finanzlage der Stadt schwerlich darzustellen sind.
Die Politik zeigte sich mit dem Stand der Dinge sehr unzufrieden. SPD-Ratsfrau Heidemarie Niegeloh, die sich seit vielen Jahren für eine Verbesserung der Situation an der Strümper Straße stark macht, sprach von einem „Trauerspiel“. „Die Sparwut hat hier eine Aktivität immer weiter hinausgezögert, und jetzt stehen wir da, wo wir schon vor zehn Jahren standen. Wir haben gar nichts. Die Leidtragenden sind Menschen, die sozial benachteiligt sind, das muss uns allen weh tun“, so Niegeloh. Aliina Housden von den Grünen zeigte sich „fassungslos“, nannte die Situation „unterirdisch.“Gabi Pricken, CDU: „Der Plan B, die Menschen im Wohnungsmarkt unterzubringen, erschreckt mich. Diese Leute brauchen dafür eine Begleitung, haben speziellen Bedarf und können auf dem Markt nicht allein sein.“Hierzu betonte Annacker, dass es in Meerbusch zwei halbe Stellen bei der Caritas gebe, die sich um die Beratung von Wohnungslosen kümmern. Diese könnten helfen, die Betroffenen zu motivieren und zu befähigen, in den sozialen Wohnungsbau zu wechseln.
Heidemarie Niegeloh regte an, ob man nicht zumindest Heizungen in das Gebäude einbauen könnte, um das Leben der Bewohner zu verbessern. Dies würde sich jedoch schwierig gestalten, so Härtel. Denn mit einer Modernisierung der Heizungsanlage würde auch eine aufwändige Dämmung des Gebäudehülle notwendig, zudem müssten regenerative Energiequellen verbaut werden. „Das würde viele Millionen Euro kosten und wäre ebenfalls keine schnelle Lösung“, so Härtel. Zudem reichten eine Verbesserung der Heizsituation und eine energetische Sanierung nicht aus, um den Bedarf an der Strümper Straße zu decken. „Man müsste alles anpacken“, so Härtel. Denn um die Menschen dort bedarfsgerecht unterbringen zu können, muss auch die Raumaufteilung geändert werden, außerdem werden langfristig wohl auch mehr Plätze in der Unterkunft benötigt, als die Gebäude im Moment bieten.
In jedem Fall scheint somit eine schnelle Lösung für die Situation an der Strümper Straße nicht in Sicht. Die Verwaltung will weiter nach einem Ausweg aus der aktuellen Lage suchen – wie dieser aussehen kann und wann sich für die Menschen vor Ort etwas ändert, lässt sich jedoch aktuell nicht absehen.