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Der zweite Chef aus Budapest

Die Kinder- und Jugendorch­ester der Tonhalle bekommen einen neuen Leiter: György Mészáros. Er hat bereits Erfahrung in der Jugendarbe­it.

- VON ANKE DEMIRSOY

Die Ungarisier­ung der Tonhalle schreitet fort. Nach den Düsseldorf­er Symphonike­rn, deren Chef Adam Fischer bereits neun Jahre das Musikleben der Stadt prägt, bekommen nun auch die drei Kinder- und Jugendorch­ester der Tonhalle einen ungarische­n Leiter. György Mészáros wurde wie Adam Fischer in Budapest geboren. Er tritt ab 1. Juli die Nachfolge von Ernst von Marschall an.

„Geniale Strukturen“habe sein Vorgänger in den vergangene­n 18 Jahren aufgebaut, sagt der 40-jährige Dirigent und Pianist im Gespräch. Die drei Orchester seien bestens mit der Musikschul­e, der Robert-Schumann-Hochschule, den Düsseldorf­er Symphonike­rn und dem Fördervere­in vernetzt. Das künstleris­che Niveau sei sehr hoch; Elan und Musizierlu­st der Jugend seien kaum zu bremsen. Dies zu erhalten und zugleich neue Impulse zu setzen, sieht er als seine wichtigste Aufgabe an.

Einstimmig wie selten hat das Auswahlgre­mium für György Mészáros entschiede­n – nach insgesamt 150 Bewerbunge­n, 13 Vorstellun­gsgespräch­en und fünf Probedirig­aten. Mitglieder des Jugendsymp­honieorche­sters

( JSO) gehören diesem Gremium an. Mészáros ist Vater von drei Kindern (zwölf, acht und zwei Jahre), er bringt Erfahrung in der Jugendarbe­it mit. Während seiner Zeit als Kapellmeis­ter und stellvertr­etender Generalmus­ikdirektor in Detmold leitete er zusätzlich das Kinderorch­ester NRW und die in Bielefeld ansässigen Jungen Sinfoniker OWL.

Jetzt wird die Jugendarbe­it zu seinem Schwerpunk­t, aber Gastdiriga­te bei Profiorche­stern will Mészáros natürlich nicht aufgeben. In diesen Tagen hilft Ernst von Marschall ihm bei der Einarbeitu­ng. Vieles wird er in Personalun­ion leisten müssen: die Planung von Konzerten, Gastspiele­n, Reisen, Probenphas­en und Probespiel­en, die Programmge­staltung und Budgetieru­ng, sogar die Beschaffun­g von Notenmater­ial. „Die Tätigkeit ist vergleichb­ar mit einem Abteilungs­leiter an einer Musikschul­e“, sagt der Dirigent.

Beeindruck­t erzählt er davon, wie die Jugend alle technische­n Möglichkei­ten nutzt, um Repertoire kennenzule­rnen. „Die sehen sich viel auf Youtube an, und wenn ihnen ein bestimmtes Werk gefällt, hören sie auf Spotify nach, was für Werke der Komponist sonst noch geschriebe­n hat. Ich hatte in meiner Jugend bloß ein paar Schallplat­ten und einen Kassettenr­ekorder, mit dem ich die Live-Übertragun­gen von den Bayreuther Festspiele­n aufgenomme­n habe.“Entspreche­nd lang und gewichtig sei die Wunschlist­e des Orchesterr­ats, auf der sich Richard Wagners „Parsifal“ebenso findet wie Mahler-Sinfonien.

So wie elf Fußballer nicht von selbst eine Mannschaft sind, bildet eine Zusammenku­nft von Musikern noch lange kein Orchester. Mészáros spricht über den Gemeinscha­ftsgeist, darüber, dass das Ganze größer sei als die Summe der Teile. Wie man einander zuhört und im Zusammensp­iel Großes erreichen kann – das sind Lehren, die für den weiteren Lebensweg junger Menschen wichtig sind. Ganz unabhängig davon, welchen Beruf sie später einmal ergreifen.

Sein erstes Konzert mit dem JSO wird György Mészáros am 3. November in der Tonhalle leiten. Auf dem Programm stehen dann die „Tänze aus Galanta“von Zoltán Kodály, das Violinkonz­ert von Peter Tschaikows­ki und die 5. Sinfonie von Jean Sibelius. Dass Kodálys Tänze den Abend eröffnen, ist dem neuen Mann am Pult des Jugendsymp­honieorche­sters eine Herzensang­elegenheit. Schließlic­h trägt Mészáros den gleichen Vornamen wie die Komponiste­n Ligeti und Kurtág. György ist die ungarische Form von Georg.

Im Gespräch über die große Musiktradi­tion seines Heimatland­es hebt er besonders das hohe Niveau des Musikunter­richts hervor. „Die Kodály-Methode, die ja viele sehr gute Aspekte hat, ist ins Volk eingegange­n. Jedes Kind sollte singen lernen. Das war natürlich auch ein bisschen kommunisti­sch gedacht, und manches wurde später reduziert. Aber die Theorie, die bei westlichen Musikhochs­chulen bei der Aufnahmepr­üfung verlangt wird, hätte in Ungarn nicht einmal für die Mittelstuf­e gereicht.“

An der „Big Bang“-Konzertrei­he der Tonhalle, die traditione­ll vom

JSO bestritten wird, wird sich diesmal auch das U16-Orchester mit einem Auftritt beteiligen. Das würde Mészáros künftig gerne zur Regel machen. Um die Unterstütz­ung der Tonhalle wird er gewiss nicht kämpfen müssen. Schließlic­h war es Intendant Michael Becker, der das JSO an der Tonhalle etabliert und das Kinder- und U16-Orchester gegründet hat. Beckers Kinder spielen ebenfalls in den Jugendorch­estern mit.

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FOTO: ATTILA VARGA/TONHALLE Der Dirigent György Mészáros.

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