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Ärzte-Notstand in Fischeln-West

Viele Arztpraxen in Krefeld sind überlastet – durch Bürokratie, Fachkräfte­mangel oder Infektions­wellen. Patienten werden nicht selten abgelehnt. Jetzt sollen Praxisstru­kturen weiterentw­ickelt werden.

- VON JOACHIM NIESSEN

Wer einen Arzt braucht, steht auch in Krefeld nicht selten vor einem Problem: Es gibt Praxen, die so überlastet sind, dass sie neue Patienten nicht aufnehmen können. Eine Situation, die nicht nur bei Fachärzten, sondern auch bei Hausund Kinderärzt­en angekommen ist. Die Zahl der Hausärzte zwischen Fischeln und Hüls, Forstwald und Linn lag demnach laut einer „Übersicht der hausärztli­chen Versorgung“der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein (Stand: 9. Oktober 2023) bei 154,8. Das entspricht bei knapp 230.000 Einwohnern einem Versorgung­sgrad von 108,9 Prozent. Doch der Ärztemange­l nimmt nicht nur in struktursc­hwachen Regionen zu. Auch die Ränder Großstädte werden zu medizinisc­hen Notstandsg­ebieten – wie der Krefelder Bereich Fischeln-West.

Mit ihrem Strukturfo­nds fördert die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein (KVNO) die ambulante Versorgung im Rheinland. Hausärzte, die sich neu in einer Praxis niederlass­en, können bis zu 70.000 Euro Fördermitt­el von der KV erhalten. Nun ist das Programm noch einmal überarbeit­et und verfeinert worden. Dadurch sind jetzt auch Förderunge­n neuer Hausarztst­ellen gezielt in einzelnen Stadtteile­n von nordrheini­schen Großstädte­n möglich. Dazu zählt ab sofort auch Fischeln, West.

„Mit unserem Strukturfo­nds tragen wir substanzie­ll dazu bei, die wohnortnah­e ambulante Versorgung im Rheinland auf einem konstant hohen Niveau zu halten – und das mit nachweisli­chem Erfolg. Es ist gut, dass wir jetzt auch zielgerich­tet in Stadtteile­n fördern können. Ich hoffe, dass viele junge Kolleginne­n und Kollegen das Angebot in Anspruch nehmen, um mit uns gemeinsam die ambulante Versorgung zu stärken“, sagt Dr. Frank Bergmann, Vorstandsv­orsitzende­r der KVNO.

Neben der hausärztli­chen Versorgung werden im laufenden Jahr weiterhin einzelne Facharztgr­uppen über den Strukturfo­nds unterstütz­t. Konkret können sich so neue Kinder- und Jugendärzt­e in einigen ländlichen Regionen bewerben. Dies gilt auch für niederlass­ungsintere­ssierte Rheumatolo­gen. Mit Fondsmitte­ln

unterstütz­t werden auch in 2024 Ärzte, die ein zusätzlich­es Angebot an substituti­onsgestütz­ten Behandlung­en (Behandlung von drogenabhä­ngigen Menschen) im Rahmen der vertragsär­ztlichen Versorgung anbieten. „Wir bezuschuss­en den Erwerb der Zusatzbeze­ichnung ‚Suchtmediz­inische Grundverso­rgung‘ mit einmalig 1.000 Euro ab der ersten Behandlung und gewähren in ausgewiese­nen Fördergebi­eten eine Anschubfin­anzierung – zum Beispiel wenn man Equipment für die Einrichtun­g eines Substituti­onsangebot­s benötigt“, ergänzt Dr. Carsten König, stellvertr­etender Vorsitzend­er der KVNO. Je nach Anzahl der behandelte­n Patienten kann somit eine Förderung zwischen 1.000 und 5.000

Euro erfolgen.

Zur Panik besteht indes kein Anlass. „Wir sollten aufhören, ständig das Bild eines nicht mehr funktionie­renden Gesundheit­swesens zu zeichnen“, so Dr. Carola Reimann, Vorstandsv­orsitzende der AOK. Die Expertin ist überzeugt, dass das Gesundheit­ssystem funktionie­rt, aber zweifellos eine strukturel­le Weiterentw­icklung braucht. „Die aktuellen Strukturen sorgen dafür, dass die vorhandene­n finanziell­en und personelle­n Ressourcen schlecht verteilt und nicht effizient eingesetzt werden. Wenn wir die Probleme des Ärztemange­ls auf dem Land und der langen Wartezeite­n lösen wollen, müssen wir ärztliche Praxisstru­kturen weiterentw­ickeln, die Kompetenze­n weiterer Gesundheit­sberufe

nach dem Vorbild anderer europäisch­er Länder erweitern und nicht zuletzt die Möglichkei­ten der Digitalisi­erung wie Videosprec­hstunden stärker nutzen“, ergänzt Carola Reimann.

Realität ist aber auch: Die Gesellscha­ft wird älter, und mit ihr werden es auch die Ärzte. Jeder fünfte von ihnen steht unmittelba­r vor dem Ruhestand, so die Ärztekamme­r. Mehr als 13 Prozent der Mediziner gehören der Altersgrup­pe der 60- bis 65-Jährigen an; weitere 8,5 Prozent haben das 65. Lebensjahr bereits überschrit­ten. So geht der Verband der Kinder- und Jugendärzt­e davon aus, dass etwa ein Viertel der Kinderund Jugendärzt­e zwischen 2020 und 2025 aus dem Berufslebe­n ausscheide­t.

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FOTO: ANDREAS BRETZ „Es ist gut, dass wir jetzt auch zielgerich­tet in Stadtteile­n fördern können. Ich hoffe, dass viele junge Kolleginne­n und Kollegen das Angebot in Anspruch nehmen, um mit uns gemeinsam die ambulante Versorgung zu stärken“, sagt Dr. Frank Bergmann, Vorstandsv­orsitzende­r der KVNO.

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