Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ein Faible für falsche Fährten
Tobias Löffler will seine Begeisterung für Physik weitergeben. Deshalb organisiert der Wissenschaftler in Düsseldorf die Reihe „Echt oder fake“. Dabei geht es um kuriose Forschungsergebnisse und die Kunst des Auslassens.
Im Winter dreht sich die Erde schneller, Papier kann man maximal sieben Mal falten, und Physiker benutzen Stahl aus gesunkenen U-Booten für ihre Detektoren – mit solchen Behauptungen aus dem naturwissenschaftlichen Kontext konfrontieren Physikstudent Tobias Löffler und seine Mitstreiter bei ihrer Mitmachveranstaltung „echt oder fake“gerne das Publikum. Doch stimmen diese Behauptungen? Oder sind sie an den Haaren herbeigezogen? Das herauszufinden, ist Aufgabe des Publikums. Einmal pro Semester findet die Veranstaltung an verschiedenen Orten in Düsseldorf statt. Ins Leben gerufen hat Löffler sie im Jahr 2019 selbst.
Löffler bezeichnet sich selbst als Vollblutphysiker. Seinen Bachelor in Physik machte er an der Heinrich-Heine-Universität (HHU) Düsseldorf. An seinem Master arbeite er eher sporadisch: „Im Privaten sag’ ich immer, ich bin einer von diesen Langzeitstudenten. Masterstudent bin ich seit zehn Jahren“, sagt er amüsiert. Der Studienabschluss habe für ihn nicht die oberste Priorität. Dass er mit seinen 44 Jahren dem gesellschaftlichen Bild eines klassischen
Studenten längst nicht mehr entspricht, störe ihn nicht. Auch nicht, dass der Zug, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben, aufgrund seines Alters abgefahren ist. Dort sehe er sich sowieso nicht, sagt er. Er sei zufrieden mit seiner Anstellung an der Hochschule. Seit Februar sei er unbefristet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rechenzentrum als Informationstechniker tätig. Nebenbei organisiert er den Science Slam der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät und ist der Hauptverantwortliche für die Veranstaltungsreihe „echt oder fake“, die er moderiert.
Das Konzept dieser Reihe ist leicht erklärt: Auf der Bühne werden Behauptungen aufgestellt, untermalt mit visuellen Darstellungen. Das Publikum, das vorher in Kleingruppen aufgeteilt wurde, diskutiert anschließend, ob es glaubt, dass die Behauptung wahr oder falsch ist. Je eine Gruppe, die das Abstimmkärtchen „echt“hochhält, und eine, die das „fake“-Schild zückt, begründet, wie und aufgrund welcher Argumente sie diesen Entschluss gefasst hat. Löffler und seine Vortragskolleginnen und -kollegen greifen die Argumentationsstränge des Publikums auf, bevor sie im Anschluss das Rätsel auflösen und
im Falle einer falschen Behauptung erläutern, an welchen Kriterien diese erkannt werden kann. Doch um Besserwisserei oder Belehrungen von oben gehe es nicht, sondern vielmehr darum „aufzuzeigen, wie man kritisch Informationen behandelt“, so Löffler.
Pro Abend gibt es einen Einführungsvortrag, um das Format kennenzulernen, und fünf bis acht weitere Vorträge, je nachdem, wie viele Studenten, Professoren und Doktoranden Löffler begeistern kann, sich als Redner auf der Bühne zu präsentieren. „Ich rekrutiere primär in der HHU“, sagt Löffler. Das liege vor allem daran, dass er die Wissenschaftskommunikation an der Uni leite. „Jeder dieser Menschen steckt sechs bis zehn Stunden in einen Vortrag und die Vorbereitung“, so Löffler weiter – und das ehrenamtlich.
Dabei sei es gar nicht so einfach, laufend neue Themenideen für Vorträge zu finden, sagt er. Denn doppeln dürfe sich natürlich nichts. „Ich habe inzwischen die Echtoder Fakebrille auf und frage mich dann immer: Kann man das für einen Vortrag nutzen?“Besonders
der IG-Nobelpreis, eine Art AntiNobelpreis zu skurrilen, teils verrückten und witzigen Forschungsthemen, biete sich hervorragend als Recherchequelle an. Und noch ein Aspekt dürfe nicht vergessen werden, so Löffler: „Ziel ist es immer, dass es für Nicht-Wissenschaftler verständlich ist.“Die Idee sei es, so zu erklären, dass es auch ein Kind verstehen könne und kein Vorwissen benötigt werde.
Spricht Löffler über „echt oder fake“, merkt man ihm die Begeisterung an. Auch den Stolz, dass eine andere Uni mit ein paar seiner Tipps das Format nun eigenständig umsetzt, zeigt er deutlich. „Weil es Spaß macht, die Leute hinters Licht zu führen“, so Löffler, stehe er seit vielen Jahren auf der Bühne. „Wir erzählen das immer im Brustton der Überzeugung“– auch wenn es eigentlich eine falsche Behauptung ist. Denn: „Eine gute Lüge ist immer nah an der Realität dran.“Zu lügen sei allerdings verboten, genauso wie „Wortklauberei“. Weglassen sei aber erlaubt und mithin ein guter Trick, um das Publikum auf die falsche Fährte zu schicken.
Auch vorgetäuschte Kausalitäten würden sich gut eignen.
„Wenn nach der Veranstaltung Leute zu mir kommen und sagen: ‚Das war ’ne coole Veranstaltung, da habe ich was mitgenommen’“, sagt Löffler, sei das sein persönliches Highlight. Das Ziel: das Publikum zu unterhalten, zum Miträtseln und kritischen Denken zu animieren und natürlich mit Wissenschaft Spaß zu haben.
Er merke immer wieder, dass es dem Publikum bei dieser Veranstaltung in erste Linie darum gehe, auf die Lösung gekommen zu sein und etwas richtig durchschaut zu haben. „So wie ich das beobachte, ist das, was man gewinnen kann, das Gefühl, recht gehabt zu haben. Ich glaube, das ist den Leuten viel wichtiger, als sich anschließend bei ein paar Süßigkeiten bedienen zu können“, teilt er seinen Eindruck mit. Einst habe er einmal einen Fehler in einer seiner Präsentation gehabt, erinnert er sich. Da sei ein Mann ganz erbost gewesen, da er aufgrund des Fehlers die falsche Entscheidung getroffen und nicht recht gehabt habe.