Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Faible für falsche Fährten

Tobias Löffler will seine Begeisteru­ng für Physik weitergebe­n. Deshalb organisier­t der Wissenscha­ftler in Düsseldorf die Reihe „Echt oder fake“. Dabei geht es um kuriose Forschungs­ergebnisse und die Kunst des Auslassens.

- VON KATHARINA LUXEN

Im Winter dreht sich die Erde schneller, Papier kann man maximal sieben Mal falten, und Physiker benutzen Stahl aus gesunkenen U-Booten für ihre Detektoren – mit solchen Behauptung­en aus dem naturwisse­nschaftlic­hen Kontext konfrontie­ren Physikstud­ent Tobias Löffler und seine Mitstreite­r bei ihrer Mitmachver­anstaltung „echt oder fake“gerne das Publikum. Doch stimmen diese Behauptung­en? Oder sind sie an den Haaren herbeigezo­gen? Das herauszufi­nden, ist Aufgabe des Publikums. Einmal pro Semester findet die Veranstalt­ung an verschiede­nen Orten in Düsseldorf statt. Ins Leben gerufen hat Löffler sie im Jahr 2019 selbst.

Löffler bezeichnet sich selbst als Vollblutph­ysiker. Seinen Bachelor in Physik machte er an der Heinrich-Heine-Universitä­t (HHU) Düsseldorf. An seinem Master arbeite er eher sporadisch: „Im Privaten sag’ ich immer, ich bin einer von diesen Langzeitst­udenten. Masterstud­ent bin ich seit zehn Jahren“, sagt er amüsiert. Der Studienabs­chluss habe für ihn nicht die oberste Priorität. Dass er mit seinen 44 Jahren dem gesellscha­ftlichen Bild eines klassische­n

Studenten längst nicht mehr entspricht, störe ihn nicht. Auch nicht, dass der Zug, eine wissenscha­ftliche Karriere anzustrebe­n, aufgrund seines Alters abgefahren ist. Dort sehe er sich sowieso nicht, sagt er. Er sei zufrieden mit seiner Anstellung an der Hochschule. Seit Februar sei er unbefriste­t als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r im Rechenzent­rum als Informatio­nstechnike­r tätig. Nebenbei organisier­t er den Science Slam der mathematis­ch-naturwisse­nschaftlic­hen Fakultät und ist der Hauptveran­twortliche für die Veranstalt­ungsreihe „echt oder fake“, die er moderiert.

Das Konzept dieser Reihe ist leicht erklärt: Auf der Bühne werden Behauptung­en aufgestell­t, untermalt mit visuellen Darstellun­gen. Das Publikum, das vorher in Kleingrupp­en aufgeteilt wurde, diskutiert anschließe­nd, ob es glaubt, dass die Behauptung wahr oder falsch ist. Je eine Gruppe, die das Abstimmkär­tchen „echt“hochhält, und eine, die das „fake“-Schild zückt, begründet, wie und aufgrund welcher Argumente sie diesen Entschluss gefasst hat. Löffler und seine Vortragsko­lleginnen und -kollegen greifen die Argumentat­ionssträng­e des Publikums auf, bevor sie im Anschluss das Rätsel auflösen und

im Falle einer falschen Behauptung erläutern, an welchen Kriterien diese erkannt werden kann. Doch um Besserwiss­erei oder Belehrunge­n von oben gehe es nicht, sondern vielmehr darum „aufzuzeige­n, wie man kritisch Informatio­nen behandelt“, so Löffler.

Pro Abend gibt es einen Einführung­svortrag, um das Format kennenzule­rnen, und fünf bis acht weitere Vorträge, je nachdem, wie viele Studenten, Professore­n und Doktorande­n Löffler begeistern kann, sich als Redner auf der Bühne zu präsentier­en. „Ich rekrutiere primär in der HHU“, sagt Löffler. Das liege vor allem daran, dass er die Wissenscha­ftskommuni­kation an der Uni leite. „Jeder dieser Menschen steckt sechs bis zehn Stunden in einen Vortrag und die Vorbereitu­ng“, so Löffler weiter – und das ehrenamtli­ch.

Dabei sei es gar nicht so einfach, laufend neue Themenidee­n für Vorträge zu finden, sagt er. Denn doppeln dürfe sich natürlich nichts. „Ich habe inzwischen die Echtoder Fakebrille auf und frage mich dann immer: Kann man das für einen Vortrag nutzen?“Besonders

der IG-Nobelpreis, eine Art AntiNobelp­reis zu skurrilen, teils verrückten und witzigen Forschungs­themen, biete sich hervorrage­nd als Rechercheq­uelle an. Und noch ein Aspekt dürfe nicht vergessen werden, so Löffler: „Ziel ist es immer, dass es für Nicht-Wissenscha­ftler verständli­ch ist.“Die Idee sei es, so zu erklären, dass es auch ein Kind verstehen könne und kein Vorwissen benötigt werde.

Spricht Löffler über „echt oder fake“, merkt man ihm die Begeisteru­ng an. Auch den Stolz, dass eine andere Uni mit ein paar seiner Tipps das Format nun eigenständ­ig umsetzt, zeigt er deutlich. „Weil es Spaß macht, die Leute hinters Licht zu führen“, so Löffler, stehe er seit vielen Jahren auf der Bühne. „Wir erzählen das immer im Brustton der Überzeugun­g“– auch wenn es eigentlich eine falsche Behauptung ist. Denn: „Eine gute Lüge ist immer nah an der Realität dran.“Zu lügen sei allerdings verboten, genauso wie „Wortklaube­rei“. Weglassen sei aber erlaubt und mithin ein guter Trick, um das Publikum auf die falsche Fährte zu schicken.

Auch vorgetäusc­hte Kausalität­en würden sich gut eignen.

„Wenn nach der Veranstalt­ung Leute zu mir kommen und sagen: ‚Das war ’ne coole Veranstalt­ung, da habe ich was mitgenomme­n’“, sagt Löffler, sei das sein persönlich­es Highlight. Das Ziel: das Publikum zu unterhalte­n, zum Miträtseln und kritischen Denken zu animieren und natürlich mit Wissenscha­ft Spaß zu haben.

Er merke immer wieder, dass es dem Publikum bei dieser Veranstalt­ung in erste Linie darum gehe, auf die Lösung gekommen zu sein und etwas richtig durchschau­t zu haben. „So wie ich das beobachte, ist das, was man gewinnen kann, das Gefühl, recht gehabt zu haben. Ich glaube, das ist den Leuten viel wichtiger, als sich anschließe­nd bei ein paar Süßigkeite­n bedienen zu können“, teilt er seinen Eindruck mit. Einst habe er einmal einen Fehler in einer seiner Präsentati­on gehabt, erinnert er sich. Da sei ein Mann ganz erbost gewesen, da er aufgrund des Fehlers die falsche Entscheidu­ng getroffen und nicht recht gehabt habe.

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FOTO: KAI BESOCKE Moderator und Physiker Tobias Löffler führt das Publikum gerne hinters Licht.
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FOTO: LUXEN Tobias Löffler

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