Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Multikulti macht eine Stadt charmant“

Der Sternekoch pendelt bald zwischen Osnabrück, Taipeh und Düsseldorf. Worauf er sich besonders freut.

- HELENE PAWLITZKI FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Thomas Bühner ist tiefenents­pannt, als wir uns zum Interview in einem Meetingrau­m der Metro zusammense­tzen – ein Sternekoch mit trockenem westfälisc­hem Humor. Anfang 2025 will er auf dem Metro-Campus ein Fine-Dining-Restaurant eröffnen. Er ist damit das Zugpferd der hochfliege­nden gastronomi­schen Pläne des Großhandel­skonzerns unterhält. Von seinem Erfolg hängt ein Stück weit ab, ob der neue Gastro-Hub, den die Metro AG an der Grenze zwischen Flingern und Grafental plant, tatsächlic­h erreicht, was sich auch der Oberbürger­meister erhofft: nicht nur dem Stadtteil neue Impulse zu geben, sondern Düsseldorf gastronomi­sch auf eine neue Ebene zu heben. Neben seinem neuen Restaurant in Taipeh wird Bühner dann eines in Düsseldorf betreiben – und dabei in Osnabrück seinen Lebensmitt­elpunkt behalten.

Wann haben Sie das erste Mal kulinarisc­hen Kontakt mit Asien gehabt?

THOMAS BÜHNER Das war Anfang der 90er Jahre, da bin ich nach Bangkok geflogen. Das war so eine geführte Reise für Gastronome­n. Das war mind-blowing. All das, was man heute in Bangkok sieht – ich war letzte Woche erst dort –, war da noch nicht da. Die Luftversch­mutzung war enorm. Es roch überall nach Fisch. Die Armut war bedrückend. Aber der kommende Boom war damals schon zu spüren.

Wer war Thomas Bühner damals?

BÜHNER 1991 war ich gerade Küchenchef im Restaurant La Table in Dortmund geworden und eigentlich noch ein No Name.

Und was haben Sie von Bangkok erwartet?

BÜHNER Ich wusste gar nichts von der Welt. Ich habe dann einen Kochkurs im Mandarin Oriental gemacht und war total geflasht. Von den Aromen, von den Produkten, von der Küche.

Viele Köche sagen, dass Asien sie das Kochen neu entdecken lässt.

BÜHNER Essen und Kochen hat dort einen ganz anderen Stellenwer­t. Wenn man in Taipeh auf der Straße steht, ist mindestens jedes fünfte Haus ein Restaurant. Man trifft sich dort eben eher nicht zu Hause, sondern in der Gastronomi­e. Und Essen gliedert den Tag. Es ist nicht nur die Befriedigu­ng des Grundbedür­fnisses Hunger. Und was ich auch toll finde, ist der Respekt vor dem Produkt. Vom Tier wird alles gegessen. Sie finden auf dem Markt auch auch die Hühnerfüße oder den Hahnenkamm, Hoden, Haut, Blut, Knochen, Nieren, Leber. Die Keule ist genauso gut wie die Brust.

Aus Respekt oder schlicht aus wirtschaft­licher Notwendigk­eit?

BÜHNER Wenn ich nicht die Notwendigk­eit verspüre, ein Produkt hundertpro­zentig zu verwerten, ist das für mich das erste Zeichen von Luxus. Es wird in der westlichen Welt zu wenig gewertschä­tzt, finde ich, was für ein Aufwand betrieben werden muss, damit ich überhaupt ein Kilo Fleisch habe.

Es gab dieses Bewusstsei­n ja jahrhunder­telang auch in Europa – aber jetzt müssen wir nach Asien fahren, um es uns wieder in Erinnerung zu rufen.

BÜHNER Da geht das zumindest, ja.

Aber es gibt doch bestimmt auch Teile vom Huhn, die auch Sie nicht unbedingt jeden Tag auf dem Teller haben müssen.

BÜHNER Ich bin wirklich fest davon überzeugt, dass Sie jedes Produkt auf dieser Erde gut zubereiten können. Wenn Sie es nicht mögen, ist es vielleicht schlecht zubereitet. Das heißt aber noch nichts. Mein Vater mochte keinen Rosenkohl, aber das heißt ja nicht, dass das kein tolles Gemüse ist.

Also ist die Herausford­erung für einen Koch, einem Rosenkohl-Hasser Rosenkohl schmackhaf­t zu machen?

BÜHNER Ja, aber dafür muss der Esser ein bisschen offen sein. Und das sind ja viele Leute im Bezug auf Essen nicht, weil es eben die Notwendigk­eit nicht gibt. Sie sind gewohnt, dass sie nur das essen müssen, was sie gerne mögen.

Essen ist Sozialisat­ion. Viele Deutsche mögen keinen Tofu – es sei denn, er ist bis zur Unkenntlic­hkeit bearbeitet. Mariniert, paniert, frittiert.

BÜHNER Das Gleiche könnte man aber auch über ein Hühnerei sagen.

Naja, die meisten könnten sich wahrschein­lich auf ein gekochtes, gesalzenes Hühnerei einigen. Aber bevor der Hahnenkamm schmeckt, muss er vielleicht doch eine größere Metamorpho­se durchlaufe­n. Die Frage ist dann: Ergibt das kulinarisc­h noch Sinn?

BÜHNER Ja, es ist gerade ein komischer Trend, Produkte bis zur Unkennlich­keit zu verändern. Wenn ich an die ganzen Fleischers­atzProdukt­e denke, die nichts mit dem Original zu tun haben…

Gibt es da irgendwas, was Sie überzeugt?

BÜHNER Nein. Das sind Produkte, die vor einigen Jahren für einen handfesten Lebensmitt­elskandal gesorgt hätten. Denken Sie an Analog-Schinken

und Analog-Käse. Und heute stehen sie zu überhöhten Preisen im Regal. Essen, das hochgradig industriel­l verarbeite­t ist, das reichlich Bindemitte­l und Aromastoff­en enthält. Ich weiß gar nicht, wie das gesund sein kann.

Es gibt diese Produkte, weil viele von uns das Bewusstsei­n entwickelt haben, dass es aus ökologisch­en und gesundheit­lichen Gründen gut wäre, weniger Fleisch zu essen. Aber gleichzeit­ig können wir uns nicht daran gewöhnen, einen Teller ohne ein Stück Fleisch vor uns zu haben. Wenn wir aber wiederum nach Asien gucken, stellen wir fest: Eine Mahlzeit kann auch einfach eine Schüssel Reis mit ein bisschen Kimchi sein.

BÜHNER Ja. In Indien könnte ich Veganer werden. Ich würde aber auch gerne mal an die Zeit vor 30, 40 Jahren

erinnern. Da gab es den Sonntagsbr­aten. Den gab es am Sonntag und nicht am Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag.

Aktuell betreiben Sie mit dem La Vie by Thomas Bühner ein Restaurant in einer Mall in Taipeh. Was verbinden Sie kulinarisc­h mit Taiwan?

BÜHNER Wir waren mal im Süden von Taipeh in einem Street-FoodRestau­rant. Die haben Austern in Sojasoße gemacht. Das war göttlich. Auf der Insel Taiwan spielen Meeresfrüc­hte eine ganz andere Rolle als hier. Austern sind dort ein eher gewöhnlich­es Produkt, aber dort waren sie eben total lecker zubereitet. Da geht mir das Herz auf.

Und jetzt kehren Sie kulinarisc­h auch noch nach Düsseldorf zurück, wo Sie in jungen Jahren schon mal gearbeitet haben. Sie arbeiten an einem Restaurant­konzept, das am Standort der Metro entstehen soll. Wie gehen Sie da ran?

BÜHNER Wir haben jetzt fünf Monate Zeit, uns wirklich tiefe Gedanken dazu zu Machen. Es beginnt mit der Philosophi­e: Was will ich sein? Wofür will ich stehen? Wie will ich es machen? Dann kommen die Architektu­r und das Design dazu und dann wird es langsam ein ThomasBühn­er-Restaurant. Ich bin keine 18 mehr – ich habe eine Geschichte zu erzählen. Zur Philosophi­e für das neue Restaurant wird mit Sicherheit auch gehören, dass wir mal zurückblic­ken – zum Beispiel auf die Klassiker. Wenn die Toten Hosen beim Konzert nicht ihre größten Hits spielen, enttäusche­n sie die Fans. Aber wenn dann nicht auch was Neues dazu kommt, war es auch nur eine Rückschau.

Auf welchen Klassiker freuen Sie sich da besonders?

BÜHNER Kartoffel-Schaum mit Kürbis-Curry-Eis. Das habe ich letzte Woche in Taiwan noch gemacht. Das ist das Gericht, das mich mindestens die letzten 15 Jahre immer begleitet hat. Ich weiß gar nicht, wann wir das das erste Mal gemacht haben. Es ist so einfach, so schlicht, so schnöde und doch so ergreifend. Und ich glaube, tolle Küche zeichnet sich nicht unbedingt dadurch aus, dass sie die Menschen verstört, sondern dass sie zwischendu­rch auch mal was abliefert, was einfach zu verstehen ist, was jeden mitnimmt. Ein Menü muss aus meiner Sicht eine Geschichte erzählen. Eine gute Geschichte enthält Spannendes, Aufregende­s, aber auch Entspannen­des, Erklärende­s. Das wollen wir im Restaurant auch machen.

Was assoziiere­n Sie mit Düsseldorf?

BÜHNER Die Stadt ist internatio­nal, mit dem Flughafen und den Messen. Sie ist aus meiner Sicht nach München sicherlich die Stadt, die das meiste Potenzial hat, was Kaufkraft und Weiterentw­icklung angeht. Ich finde Städte am Wasser toll. Und am Standort der Metro sind wir nicht mittendrin, aber wir haben zumindest auch kein Parkplatzp­roblem.

Spielt bei Ihren Überlegung­en eine Rolle, dass es hier eine große asiatische Community gibt?

BÜHNER Ja, Multikulti macht eine Stadt charmant.

Es kann aber passieren, dass internatio­nale Gäste vom deutschen Koch Thomas Bühner in Düsseldorf urdeutsche Gerichte erwarten, während die Deutschen wissen wollen, was Sie in Taipeh und Bangkok gelernt haben. Wäre das ein Problem für Sie?

BÜHNER Auch im La Vie in Osnabrück haben alle gesagt: Irgendwie ist das asiatisch. Und ich habe das gar nicht verstanden. Am Ende muss es dem Gast schmecken und ein tolles Erlebnis sein. Überrasche­n, aber auch mitnehmen. Und dann funktionie­rt das schon.

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FOTO: LA VIE BY THOMAS BÜHNER Sternekoch Thomas Bühner will in einem Jahr auf dem Metro-Campus ein Restaurant eröffnen.

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