Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Typen statt Menschen in einer Show

Boris C. Motzki hat seine eigene Bühnenfass­ung von „Madame Bovary“am RLT auch inszeniert. Aus den Figuren macht er Typen. Und er lässt sie in einer Show auftreten.

- VON HELGA BITTNER

Ein Glitzervor­hang und viele Kakteen – sind das Vorzeichen oder gar Entsprechu­ngen von „Madame Bovary“? Sehnsucht nach einem anderen Leben, das voller Stacheln ist? Boris C. Motzki hat seine eigene Bühnenfass­ung des Romans von Gustave Flaubert am RLT inszeniert, und schon beim Blick auf die offene Bühne (Miriam Busch) ist klar, wohin die Reise geht.

Motzki erzählt zwar den Roman, der längst als Weltlitera­tur gilt, wie er geschriebe­n steht. Emma Bovary heiratet einen Landarzt, der sie liebt, aber sie nicht ihn. Aber sie hat durch die Literatur ein Liebes- und Lebensbild kennengele­rnt, das sie in die Realität überträgt. Und sie erhofft sich durch die Hochzeit mit ihm ein schönes Leben. Aber bald schon zieht eine „Eiszeit“in ihr Herz ein, sie erkennt, dass Realtität und Traum nichts miteinande­r zu tun haben.

Auch die Geburt der Tochter ändert nichts daran, sie hält an ihrem Traum von einem anderen Leben fest, denn trotz der Depression­en lässt sie sich nicht unterkrieg­en. Dazu gehört für sie auch, nach neuen Lieben zu suchen. So kommt Rodolphe ins Spiel, den zweiten namens Léon nimmt sie sich (in Rouen). Sie kompensier­t ihre innere Leere mit Einkäufen, aber die Kredite und die Ausweglosi­gkeit aus dem Bedienen dieser und ihre eigenen Gefühle bringen sie am Ende um. Sie tötet sich. Mit Arsen.

In Moztkis Bühnenfass­ung erleben die Zuschauer das Leben wie die Rückschau einer Showgröße, die viele französisc­he Chansons singt. Im Zeitraffer bringt Motzki die verschiede­nen Kapitel auf die Bühne, lässt die sechs Darsteller, die acht der wichtigste­n Rollen spielen, wie Typen wirken. Katrin Hauptmann als Emma Bovary ausgenomme­n, verkörpern fünf von ihnen die Gesellscha­ft, an der Emmas Lebenswuns­ch scheitert.

Aber sie machen ihre Sache gut. Anna Sonnensche­in ist vor allem

als Lheureux („der Glückliche“) sehr präsent, ihr Vater von Emma geht ein bisschen unter. Carl-Ludwig Weinknecht ist als Homais eine wandelnde Lachnummer, Philippe Ledun ist als Léon so unbeholfen wie als Rodolphe arrogant. Und Hergard Engert ist als Mutter von Charles herrlich trocken und melodramat­isch. Zwischen ihnen agieren die beiden Hauptfigur­en. Emma (Hauptmann) als ein bedauernsw­ertes Geschöpf, Charles (Benjamin Schardt) ein zwischen liebender Ehemann und gehorsamer Sohn schwankend­er Typ.

Denn Typen sind sie alle. Das macht Miriam Busch schon mit den Kostümen klar. So tritt Charles als Dummbatz in einem karierten Anzug auf, der eitle Homais in einem Umhang mit hohem Kragen, der verschlage­ne Lheureux kommt ganz

in der Farbe der Unschuld (in Weiß) daher, der Vater ist schlicht jemand vom Land. Nur Léon und Rodolphe sind normal gekleidet, der jugendlich­e Léon hat einen Blouson an, Rodolphe einen Blazer. Und Emma? Am Anfang trägt sie ein rotes, glitzernde­s Kleid, dann eine Art Anzug mit Pfauenfede­rn an den Beinen

und Plateausch­uhe. Zwischendu­rch zeigt sie mit Reitaussta­ttung Pariser Mode (oder was sie dafür hält). Überhaupt wird Paris von ihr ständig als Sehnsuchts­ort genannt: „Ich wollte immer zugleich sterben und in Paris leben.“

Motzki reichert seine Version viel mit auf Französisc­h vorgetrage­nen

Chansons an, die längst nicht von allen im Publikum auch verstanden werden. Aber die Melodien passen. So singt Emma sehnsuchts- und zugleich kraftvoll Dalidas „Je suis malade“(Ich bin krank) und Rodolphe mit einem Augenzwink­ern und zugleich sehr arrogant das Lied „J´aime les filles“(Ich liebe die Mädchen) von Jacques Dutronc. Tilman Brand hat die Musik passend zu den Stimmen der RLT-Schauspiel­er neu arrangiert. Zwischendu­rch fallen Stichwörte­r wie Goethes „Werther“oder „Bovarismus“(Verhaltens­störung, die ihren Ursprung in den Romanen der Romantik des 19. Jahrhunder­ts hat). Aber die hätte Motzki sich sparen können, auch wenn sie zur Inszenieru­ng passen.

Info Oberstraße 95, nächste Vorstellun­g am 17. März,18 Uhr

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FOTO: M. PIECUCH Die Darsteller Anna Sonnensche­in, Carl-Ludwig Weinknecht, Hergard Engert, Katrin Hauptmann und Benjamin Schardt (v.l.) in der Neunszenie­rung des Stückes „Madame Bovary“.

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