Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Richterbund wünscht sich Justizpräsidenten
Bei der Debatte um die Richter-Ernennung in NRW geht es auch um spezielle Wahlausschüsse.
NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) zeigt sich offen für ein neues System zur Ernennung von Richtern. „Die Frage, ob unser System gut ist, wie es ist, ist legitim“, sagte Limbach unserer Redaktion. So werden Richter je nach Besoldungsgruppe auf Behörden-Ebene oder, wenn es um herausgehobene Stellen geht, durch die Landesregierung benannt. Zwar ist jegliche politische Einflussnahme auf eine Besetzung untersagt, die Politik muss aber ihren Segen geben.
Eine Alternative wäre eine Auswahl durch spezielle Gremien, sogenannte Richterwahlausschüsse. Er sei offen für die Diskussion darüber, sagte Limbach: „Wir können darüber sprechen, ob das besser in unsere Zeit passt, in der wir möglichst transparente Verfahren wollen und in der wir deutlich machen wollen, dass Entscheidungen nicht in Hinterzimmern getroffen werden. Es sollte einen Streit der Ideen geben.“
Anstoß zur Debatte lieferte zuletzt die Besetzung der PräsidentinnenPosition des Oberverwaltungsgerichts Münster. So hatten Bewerber während des Besetzungsverfahrens 14 Gespräche mit Vertretern der Landesregierung geführt, unter anderem mit Limbach, aber auch mit dem Chef der Staatskanzlei, Nathanael
Liminski (CDU). Beide haben Verdächtigungen der unzulässigen Einflussnahme zurückgewiesen.
„Schädlich für das Vertrauen in eine unabhängige Justiz ist unseres Erachtens allein schon der Anschein der Möglichkeit einer politischen Einflussnahme bei der Besetzung von Spitzenposten in der Justiz“, kritisierte Gerd Hamme, Geschäftsführer des Richterbunds NRW, das gegenwärtige System. „Gerade in Zeiten, in denen uns allen daran gelegen sein sollte, Demokratie und Rechtsstaat wetterfest zu machen, schadet ein solcher Anschein erheblich.“
Ob Richterwahlausschüsse dagegen helfen würden, ist umstritten. Es gibt sie in anderen Bundesländern wie Berlin, Brandenburg oder Hessen, üblicher- weise besetzt durch Vertreter der Parlamente und des Justizwesens. Immun gegen Manipulationen von politischer Seite sind sie damit natürlich auch nicht. Zudem könnten auch Abgeordnete extremistischer Parteien in solche Gremien und somit zu Entscheidungsmacht gelangen.
Der Rechtswissenschaftler Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre
an der Uni Köln, sieht die Situation in NRW differenziert. „Aus meiner Sicht ist das heutige Modell gut tragbar und hat sich angesichts der bislang fast immer umsichtigen Personalentscheidungen auch bewährt“, sagte er. Gleichwohl gebe es gute Argumente für einen Richterwahlausschuss, etwa nach dem hessischen Modell: „Angesichts der hohen Pluralität kann hierdurch insbesondere nach außen noch besser dokumentiert werden, dass Richterposten nicht einseitig nach Parteibuch vergeben werden.“Sein Fazit: „NRW muss nicht umorientieren, der Wechsel zum Richterwahlausschuss wäre ganz sicher aber auch kein Fehler.“
Der Richterbund NRW hingegen fordert weitergehende Veränderungen. „Uns stellt sich einmal mehr die Frage, warum wir das nicht hinbekommen, was in vielen anderen Ländern, auch in Europa, gelingt: die Schaffung einer wirklich unabhängigen, selbstverwalteten Justiz als Garant für Demokratie und Rechtsstaat“, so Gerd Hamme. An der Spitze der dritten Gewalt solle kein Minister stehen und somit nicht die Regierung, sondern ein vom Landtag gewählter Justizpräsident und ein unabhängiger Justizverwaltungsrat. „Dies wäre ein großer und wichtiger Schritt, um unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie auch bei schwierigeren Rahmenbedingungen dauerhaft zu sichern“, so Hamme.
Für jegliche Neuregelung müsste die Landesverfassung geändert werden, es bräuchte dafür eine Zweidrittelmehrheit im Landtag. Die Fraktionen stehen der Sache unterschiedlich gegenüber. Bei der CDU sieht man dafür keine Notwendigkeit, wie es hieß. Anders beim Koalitionspartner: „Uns Grünen ist Transparenz bei Besetzungsverfahren in der Justiz wichtig“, sagte deren Rechtsexpertin Dagmar Hanses. Für Richterwahlausschüsse setzten sich Grüne auf allen Ebenen schon lange ein. „Wir sind offen für Veränderungen der Verfahren auch in NRW.“
Gespalten ist auch die Opposition. Die FDP vermutet, dass ein Modell mit einem Richterwahlausschuss neben dem Justizminister für bessere Auswahlverfahren sorgen könnte. Die SPD hält die Diskussion für ein Ablenkungsmanöver nach den Querelen um die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts. „Jetzt eine Debatte über neue Regeln lostreten zu wollen, soll offenbar von dem Schaden ablenken, den der grüne Minister der Justiz verursacht hat“, sagte die Vize-Chefin der SPDFraktion, Elisabeth Müller-Witt.