Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Minimalziel erreicht
Erleichterung bei den Spielern des FC Bayern – der Einzug ins Viertelfinale der Champions League ist geschafft.
(sid) Thomas Tuchel humpelte mit einem gebrochenen Zeh in die regnerische Münchner Nacht – doch mit seinen Schmerzen konnte der angeschlagene Trainer des FC Bayern nach dem erlösenden Viertelfinal-Einzug in der Champions League ganz gut leben. „Dieses Opfer“, sagte er schmunzelnd, nachdem er sich bei einer emotionalen Motivationsrede durch einen Tritt gegen die Tür verletzt hatte, „habe ich gerne gebracht“. Auch BayernPräsident Herbert Hainer witzelte: „Lieber bricht sich der Trainer den Zeh als einer unserer Spieler.“
Die Stimmung beim krisengeplagten Rekordmeister war nach dem souveränen 3:0 (2:0) gegen Lazio Rom erstmals in diesem Jahr gelöst. Doch wer nach dem erfolgreichen Achtelfinal-Rückspiel etwa Henkelpott-Kampfansagen im Mia-san-mia-Modus erwartet hatte, wurde enttäuscht. „Es wäre vermessen, jetzt schon viel, viel weiter zu träumen“, betonte Vorstandschef Jan-Christian Dreesen mit Blick auf ein mögliches Finale am 1. Juni im legendären Wembley.
Auch der neue Sportvorstand Max Eberl mahnte nach den jüngsten Rückschlägen eine Politik der „kleinen Schritte“an, „auch wenn man das bei Bayern nicht kennt“. Jetzt, ergänzte er mit Blick auf die Auslosung am 15. März und das Viertelfinale (9./10. und 17./18. April), „schau‘n wir mal, gegen wen wir kommen.“
Immerhin verschaffte das lukrative Weiterkommen mit Einnahmen von jetzt schon über 100 Millionen Euro dem Klub und Tuchel erst einmal Luft. Doppeltorschütze Harry Kane (39./66.) sprach von einem „großen Moment in dieser Saison“, Kapitän Manuel Neuer von einer „Riesenerleichterung. Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen.“
So weit wollte Thomas Müller nicht gehen, auch wenn die Gefahr einer titellosen Saison vorerst einmal
gebannt ist. „Das war jetzt keine Erlösung. Es war nicht so, dass wir eine neue Spielkulturebene erreicht haben“, meinte der Routinier, der mit seinem Treffer (45.+2) zusammen mit Kane den Weg geebnet hatte, lapidar.
Dennoch war sich auch Müller der Signalwirkung bewusst. „Das Überleben ist für den ganzen Verein enorm wichtig. Wir wollen natürlich weiter ein Topklub in Europa sein, dafür müssen wir auf jeden Fall ins Viertel- oder Richtung Halbfinale.“Deshalb, fügte er an, könne man auch mit einem „kleinen Lächeln“einschlafen.
Vielleicht gelang dies ja selbst Tuchel nach einem „Sieg für die Seele“trotz seiner körperlichen Schmerzen.
Den ungewöhnlichen Vorfall im Vorfeld der Partie wertete Dreesen als Beweis dafür, wie ernst Tuchel seinen Job trotz seines feststehenden Abschieds zum Saisonende nimmt. „Er ist voller Enthusiasmus und Leidenschaft an Bord, und ja, ich glaube, wir werden noch einige gute Spiele sehen“, sagte der Bayern-Boss.
Auch Joshua Kimmich lobte den Coach. Tuchel, der das Weiterkommen als „Minimalziel“bezeichnete, mache es trotz der „total ungewöhnlichen“Situation „wirklich herausragend“. Er könne schließlich auch sagen, „jetzt ist es ihm scheißegal“– das tue er aber nicht. Vielmehr schaffte es der angezählte Trainer, dass sich die Münchner gegen Lazio mit dem Rücken zur Wand zur besten Leistung des Jahres aufrafften. Die Mannschaft, so Hainer, habe gezeigt, „zu was sie in der Lage ist“.
So recht trauen wollen sie beim FC Bayern, der in der Liga (fast) aussichtslos zehn Punkte hinter Leverkusen liegt, dem Frieden aber nicht. Man wolle zwar auch im Titelkampf „weiter angreifen“, sagte Dreesen, gleichzeitig bezeichnete Eberl die sportliche Situation nach wie vor als „ein bisschen fragil“.
Im Ligaspiel am Samstag gegen Mainz 05 „solltest du nachlegen“. Der Abstiegskandidat werde „uns neue Fragen stellen, wir müssen dranbleiben“, ergänzte Tuchel – und humpelte dann aus der Allianz-Arena.