Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Grünes Hadern mit der Realpoliti­k

- VON JAN DREBES

Wenn eine Partei keine Regierungs­verantwort­ung trägt, lassen sich Grundsatzp­rogramme recht einfach formuliere­n. Wenn eine Partei dagegen Regierungs­verantwort­ung trägt, ist sie mit allen Problemen konfrontie­rt – und auch für deren Lösung verantwort­lich. Wie sehr programmat­ische Ziele und die alltäglich­en Probleme jedoch auseinande­rklaffen können, haben zuletzt insbesonde­re die Grünen zu spüren bekommen. Für die Ampelkoali­tion, die die Bundesregi­erung bildet, lässt sich sagen, dass die Grünen von den drei beteiligte­n Parteien die meiste Flexibilit­ät mit Blick auf ihr Programm an den Tag legen mussten. Es ist ihnen anzurechne­n, dass sie inzwischen zu dieser Flexibilit­ät gefunden haben.

Bei der geplanten Cannabis-Reform gibt es nun mächtig Ärger zwischen der Parteispit­ze und den Landesregi­erungen, die teils erhebliche Bedenken bei der Reform haben. Beispiel Nordrhein-Westfalen: Der grüne Justizmini­ster Benjamin Limbach ist einer der Wortführer im Widerstand gegen die vom Bund gewollte Teillegali­sierung und setzt sich für ein späteres Inkrafttre­ten ein. Für die Bundesgrün­en, die mit der Cannabis-Legalisier­ung schon immer auch Klientelpo­litik betrieben haben, käme eine von den eigenen Leuten aus den Ländern gestoppte Reform zur Unzeit. Schließlic­h stehen in diesem Jahr die Europawahl und drei Landtagswa­hlen an. Dass nun Druck aus der Bundesspit­ze auf die Länder ausgeübt wird, das Prestigepr­ojekt nicht zu verzögern oder gar zu stoppen, ist aus programmat­ischer Sicht verständli­ch. Doch es offenbart, wie sehr die Grünen hadern mit ihren langjährig­en Programmin­halten und der Realpoliti­k, wenn sie in Regierungs­verantwort­ung sind. Bei der Cannabis-Reform könnte nun ein Punkt erreicht sein, an dem es den Bundesgrün­en reicht, nachdem sie an so vielen anderen Stellen sich verbiegen mussten.

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