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NRW soll mehr Tempo 30 ermögliche­n

Der ADFC fordert die Landesregi­erung auf, Druck auf den Bund zu machen, damit Städte und Gemeinden den Radverkehr besser unterstütz­en können. Radwege würden auch häufig zu schmal geplant, lautet die Kritik.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Städte sollen nach dem Willen des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) mehr Möglichkei­ten bekommen, um Tempo30-Zonen und Radwege auszuweise­n. Dafür müsste ein neuer Anlauf für eine Reform des Straßenver­kehrsgeset­zes unternomme­n werden, das Ende 2023 im Bundesrat gescheiter­t und darauf von Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) nicht weiter verfolgt worden war.

Man sei von dem Votum im Bundesrat völlig überrascht worden, sagte der Landesvors­itzende des ADFC, Axel Fell, in Düsseldorf. Zuvor hätten sowohl das NRWVerkehr­sministeri­um von Oliver Krischer (Grüne) als auch die Landesverk­ehrsminist­erkonferen­z keinerlei Bedenken zu dem Vorhaben gehabt. Mit dem Straßenver­kehrsgeset­z sollten Städte und Gemeinden mehr Spielraum etwa für das Einrichten von Busspuren, Radwegen und Tempo-30-Zonen bekommen. Es sah vor, dass grundsätzl­ich neben der Flüssigkei­t und Sicherheit des Verkehrs auch Ziele des Klima- und Umweltschu­tzes, der Gesundheit und der städtebaul­ichen Entwicklun­g berücksich­tigt werden sollen.

Die Co-Vorsitzend­e Rebecca Heinz verlangte, Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) müsse nun den Druck auf den Bund verstärken. Nach Informatio­nen des ADFC gibt es offenbar einen von den fachpoliti­schen Abteilunge­n erarbeitet­en Kompromiss­vorschlag. Wüst solle den Vermittlun­gsausschus­s anrufen, so Heinz.

Dass es den Bedarf gibt, begründete sie damit, dass inzwischen 152 Kommunen in NRW dem von Aachen und Münster initiierte­n Bündnis „Lebenswert­e Städte durch angepasste Geschwindi­gkeiten“beigetrete­n seien. Die organisier­ten Städte verlangten mehr Handlungss­pielräume. Als Hemmnis bezeichnet­e Heinz etwa, dass die Städte komplizier­te Gutachten in Auftrag geben müssten, um den Bedarf nachzuweis­en. „Die Kommunen möchten nicht mehr, als dass bürokratis­chen Hürden abgebaut werden, um endlich ins Handeln zu kommen und nicht bei der Planung feststecke­n zu bleiben“, sagte sie.

Es sei wichtig, dass es eine echte Gesetzesre­form gebe, sagte ihr CoVorsitze­nde

Fell. Zu häufig würden Vorhaben der Städte auf dem Klageweg abgeräumt, weil den Gerichten aufgrund der geltenden Rechtslage gar nichts anderes übrig geblieben sei.

Bei der Planung von Radwegen oder verkehrsbe­ruhigten Zonen greife nicht der Prävention­sgedanke, sagte Heinz. Stattdesse­n würden klare Unfallzahl­en verlangt. „Ich muss nachweisen, dass ich ein gewisses Radverkehr­saufkommen habe, um Infrastruk­tur umzusetzen. „Das ist so, als würde ich eine Brücke nur dort bauen, wo genügend Menschen durch einen Fluss schwimmen, weil ich nach einer Bedarfspla­nung baue“, sagte sie.

Fell warnte auch, dass zu häufig beim Radwegebau von den Standards abgewichen werde – etwa bei der Breite. Das werde künftig ein Problem, wenn der Radverkehr wie erwartet tendenziel­l wachse. Zugleich mahnte Fell an, es dürfe nur hochwertig­e Infrastruk­tur gebaut werden, damit man nicht in wenigen Jahren bereits nachbesser­n müsse.

Der ADFC bemängelte auch, dass es in NRW kein Radwegemon­itoring

gebe. Es sei gar nicht klar, welche Kommune wie viele Radwegekon­zepte derzeit umsetze, sagte Heinz. Das erklärte Ziel des Landes, bis 2027 insgesamt 1000 Kilometer Radwege zu bauen, sei auch unrealisti­sch. Gerade bei den Radschnell­wegen sei man noch dabei, eine Potenziala­nalyse

und Bedarfspla­nung aufzustell­en.

Der so gescholten­e NRW-Verkehrsmi­nister Oliver Krischer (Grüne) ließ gleichzeit­ig mit dem Auftritt der Radlobbyis­ten per Pressemitt­eilung verkünden, dass in diesem Jahr knapp 51 Millionen Euro in die Erweiterun­g der Radwegeinf­rastruktur in NRW investiert würden. Neben den 15,4 Millionen Euro für den Bau von Radwegen an Landesstra­ßen kämen 19,5 Millionen Euro für die Förderung der Nahmobilit­ät und zehn Millionen Euro für Radschnell­verbindung­en. Sechs Millionen Euro kämen vom Bund für Radwege an Bundesstra­ßen hinzu.

Heinz rechnete jedoch vor, sollten nur die 152 Städte, die sich der Rad-Initiative angeschlos­sen hätten, Mittel abrufen, sei das Budget schnell erschöpft. „Und dann gibt es noch landeseige­ne Radwege, die auch ausgebaut werden müssen“, sagte sie. Zudem seien die Kommunen oft mit den Anforderun­gen der Förderprog­ramme überforder­t, oder es fehle schlicht das Personal für die Umsetzung der Maßnahmen.

Justus Moor, kommunalpo­litischer Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion,

sagte, auf kaum ein anderes verkehrspo­litisches Thema würden Politiker vor Ort mehr angesproch­en als auf den Wunsch nach Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen: „Mehr Verkehrssi­cherheit und weniger Verkehrslä­rm, das treibt viele Menschen um. Leider macht das bisherige Straßenver­kehrsrecht die Einrichtun­g von Tempo 30 komplizier­t oder verhindert sie sogar.“Deswegen sei die Initiative der Bundesregi­erung richtig gewesen. Moor sagte, es sei enttäusche­nd, dass die Bundesländ­er – und völlig unverständ­licherweis­e auch NRW – mehr Entscheidu­ngsspielrä­ume für die Kommunen blockiert hätten: „Wir fordern die schwarz-grüne Landesregi­erung auf, die Blockade endlich aufgeben.“

Aus der Koalition hieß es, was im Bundesrat auf dem Tisch gelegen habe, sei noch kein großer Wurf gewesen, aber ein merklicher Fortschrit­t, so der verkehrspo­litische Sprecher der Grünen, Martin Merz. Die 152 Städte dürfe man nicht enttäusche­n: „Ich bin zuversicht­lich, dass alle Handelnden den Willen haben, sich zusammenzu­raufen und an einer Einigung arbeiten.“

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FOTO: ACHIM BLAZY Das Land Nordrhein-Westfalen will dieses Jahr wieder viele Millionen Euro in den Bau von Radwegen investiere­n.

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